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Starker Tobak nach dem Tabak
Historische Tabakscheune in Gartz findet einen neuen Zweck
Wenig deutet heute noch darauf hin, dass in der Uckermark einst viele Hektar Tabakfelder standen, die Nachschub für Pfeiffenraucher lieferten. Die sanften Hügel haben einen neuen Zweck gefunden. An den Tabakanbau erinnern jetzt nur noch die Tabakscheunen, die inzwischen beliebte Ausflugsziele sind. Die Pressereise der Landesregierung zum Denkmalschutz machte dieses Jahr in Gartz an eben so einer Scheune halt, wo private Initiative und öffentliches Geld Wege suchen, das Baudenkmal umzunutzen.
Der Tabak-Produktionsprozess erfordert nach der Ernte die Trocknung. Auf 230 Quadratmetern und mehreren Etagen wurde dem edlen Kraut in der Gartzer Tabakscheune im Laufe von mehreren Wochen so lange die Feuchtigkeit entzogen, bis es weiterverwendet werden konnte.
Wo der Tabak trocknete
Gerd Krüger ist Eigentümer des Grundstücks, auf dem sich die Scheune befindet. Er stammt zwar aus Bremen – einer Stadt, die eher für den Tabakhandel und -konsum bekannt ist –, hat aber in Gartz Verwandtschaft. Und er hat einen Blick für Möglichkeiten. Der fiel vor einigen Jahren auf die alte Tabakscheune, die seit Jahrzehnten funktionslos war und vor sich hin rottete. Der Tabakanbau hat laut Brandenburger Kulturministerium »seine letzte Blütezeit« in der DDR gehabt, inzwischen sind es nur noch 60 Hektar, die mit Tabak bepflanzt sind. Heute wird der Tabak in Trockenöfen getrocknet, ein abgekürzter, gesteuerter Vorgang. Die Mühe, den Tabak aufzufädeln und in Scheunen zum Trocknen aufzuhängen, bis er die charakteristische braune Farbe angenommen hat, macht sich heute niemand mehr. Auch zu DDR-Zeiten wurde das Haus für die Trocknung nur zwei Monate im Jahr benötigt, diente ansonsten als Heulager und Abstellraum.
Die Scheune ist 1896 als Wirtschaftsgebäude entstanden, hatte Gerd Krüger erfahren. Die damit zusammenhängenden Umstände waren für ihn nicht leicht zu recherchieren, viele städtische Unterlagen waren in den letzten Kriegswochen auch in Gartz verlorengegangen. Der Zustand des Gebäudes war vor fünf Jahren bejammernswert: 2019 waren Teile des Mauerwerks eingebrochen, der Abriss schien unvermeidlich. Die Genehmigung dafür hätte der Eigentümer auch bekommen. Krüger verglich die Abrisskosten mit denen eines Neu- und Umbaus – und kam zum Entschluss, das Haus als Denkmal zu erhalten und neu zu nutzen.
Im Herbst 2019 fanden erste Sicherungen des Gebäudes statt, heute ist das in den 50er Jahren neu gedeckte Dach gesichert, sind die inneren Balken gefestigt und ist eine Front des Hauses rekonstruiert. »Etwas Besseres als der Denkmalschutz hätte uns nicht passieren können«, sagt Krüger. Landeskonservator Thomas Drachenberg schmunzelt zufrieden. Nicht immer wird seine Arbeit so positiv gesehen. Manchen gelten die Grundsätze des Denkmalschutzes als unnütze Investitionsverteuerung und damit als Entwicklungshindernis.
Ein Erbe der Hugenotten
Aber im Zusammenhang mit dieser Tabakscheune steht eine große Geschichte: als eines der letzten, weitgehend unverändert erhaltenen Baubeispiele für einen wichtigen Wirtschaftszweig in der östlichen Uckermark und Teilen Vorpommerns. Die protestantischen Hugenotten hatten nach ihrer Vertreibung aus dem katholischen Frankreich nicht nur die Leberwurst in Preußen bekannt und die Gabel bei Tisch populär gemacht. Sie brachten auch den Tabak in die Uckermark und legten damit die Grundlage für einen bedeutenden Wirtschaftszweig in der Region, der sie jahrhundertelang prägte.
»Der Tabak fand hier, was er benötigt: Tau, Sand und Sonne«, sagte Kulturministerin Manja Schüle (SPD). Diese »Feldfrucht« hat sich für die damit befassten LPG gelohnt. »Der Tabak hat viel Geld gebracht«, sagte der anwesende Vorsitzende des Kreistages Uckermark Wolfgang Banditt (CDU).
Der private Anbau ist begrenzt
Privat ist der Tabakanbau heute gesetzlich auf 99 Pflanzen je Grundstück begrenzt, damit wird er von den Behörden wie Wein- oder Rebstöcke behandelt. Aber wirklich zu tilgen ist der Tabak aus der Gegend nicht mehr. »Er hat sich ausgesät«, weiß Krüger, er tritt also inzwischen wild auf. Ähnlich wie der Mohn: Auch der wurde vor 1990 in dieser Gegend kultiviert und intensiv gezogen, bis der neue Gesetzgeber dem einen Riegel vorschob. Aber Mohnblumen zieren um Gartz im Sommer alle Feldwege.
Weil eine Nutzung als Tabakscheune nicht mehr infrage kommt, denkt Bauherr Krüger an Unterkünfte für Radwanderer und eigene Büroflächen. Auch künftige Kunstausstellungen kann er sich vorstellen. Die Scheune befindet sich in Nachbarschaft zum »Kanonenschuppen«, einem ebenfalls mit Landeshilfe rekonstruierten historischen Gebäude, das heute als Kulturstätte genutzt wird.
Noch ist dem Haus das Rekonstruktions-Wagnis anzusehen, bislang wurden 230 000 Euro verbaut, über zwei Drittel davon stiftete der Denkmalschutzfonds Brandenburgs. Laut Architekt würde man für die nächsten Schritte »auch wieder einen großen Batzen« benötigen. Das erforderliche Baumaterial wird zum Teil durch Abbruch in der alten Scheune selbst gewonnen, aber auch neueren Anforderungen an die Statik muss entsprochen werden.
Für Bauminister Guido Beermann (CDU) reichen Nostalgie und Romantik nicht. Es könne nicht darum gehen, alte und historische Gebäude »einfach zu erhalten«. Vielmehr müsse das Land darauf achten, dass bauliche Denkmale zeitgemäß genutzt werden. Die Kombination von Erreichbarkeit, Erhalt und Nutzung sei es, die die Innenstädte der märkischen Kommunen attraktiv werden lasse. Ihm zufolge stehen im Innenstadt-Programm des Landes zwischen 2022 und 2026 insgesamt 34 Millionen Euro bereit. Auch die EU biete Geld im Rahmen ihres EFRE-Fonds. Seit 1991 habe das Land mit 3,8 Milliarden Euro die Wiederherstellung der historischen Innenstädte unterstützt und damit »die zentralen Orte gestärkt«.
Nicht alles ist dabei immer gleich von Erfolg gekrönt. In Gartz wurden mit etwa 100 000 Euro die Wände der großen Stadtkirche gesichert. Auch die Rekonstruktion der innerstädtischen Straßen wurde fast vollständig abgeschlossen. Bewilligt wurden schließlich auch Denkmalschutz-Mittel zum Erhalt der mittelalterlichen Stadtmauer. Doch alle nötigen Gelder können eben nicht geschenkt werden. Wie es aber in der Pressemitteilung heißt: »Die Fertigstellung dieses Vorhabens konnte jedoch aufgrund fehlender Eigenmittel bislang nicht erfolgen.«
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