Black Metall: Die dunkle Seite der Macht

»Gott hassen« von Jenny Hval ist Abrechnung und Manifest

  • Ingo Petz
  • Lesedauer: 4 Min.

Black Metal ist so norwegisch wie Blodpuddding, Hamsun oder Kos. In gewisser Weise war es die düsterste Spielart des Metal, die in Norwegen Ende der 80er, Anfang der 90er zu seiner boshaftesten, aber auch künstlerisch folgenreichsten Ausformung fand: als eine Auflehnung der Außenseiter gegen das Glückskonzept der von der norwegischen Wohlstandsgesellschaft gefeierten und ideologisch aufgeputschten Gemütlichkeit. Mittlerweile ist der True Norwegian Black Metal vielleicht nicht durch und durch gesellschaftsfähig geworden, aber er ist als Kunstform in den bürgerlichen Milieus und deren akzeptierten Kunstformen angekommen. Bands wie Satyricon und Ulver werden in der Osloer Oper gefeiert. Eine aktuelle Ausstellung in der Osloer Nationalbibliothek erzählt die Geschichte des Black Metal im Land der dunklen Wälder und rauen Fjorde.

Dass Black Metal mit seiner scharfen Borstigkeit aber nach wie vor attraktiv ist, immer wieder neue Widerstandsattitüden auszuloten und zu schaffen, zeigen immer neue Bands und Projekte, die in den vergangenen 20 Jahren entstanden sind: Musiker, die sich dem Original verschreiben, wie Craft, Mork oder Djevel, oder Formationen, die Versatzstücke nutzen, um sie mit anderen Ausdrucksformen zu vermischen, wie Liturgy, Wiegedood oder Ellende. Black Metal ist – auch wenn das für eine Musik, die die Apokalypse und das Armageddon feiert, paradox klingen mag – lebendiger als je zuvor.

Auch das Buch von Jenny Hval mit dem nietzschehaften Titel »Gott hassen« (März-Verlag) zeigt die dunkle Macht, die vom Black Metal ausgeht, eine Macht, die die Kraft hat, Leben zu verändern, wenn in einem das Herz des Außenseiters erwacht und der Willen zum Hass in einem pocht. So heißt es an einer Stelle: »Ich mag die frühe Black-Metal-Ästhetik, die nur um Haaresbreite von meiner Jugend entfernt ist. Es erfüllt mich mit Hoffnung, dass Kunst auf so primitive Weise entstehen kann, ohne Spuren von Professionalität oder Kompromissen. Kunst, die Hass enthält. Ich denke daran, wie viel Hoffnung im Hass steckt.« Hass ist für Hval nicht gleichbedeutend mit dem schwarzen Gift der Zerstörung und Selbstzerstörung, sondern Hass ist für die Autorin, Künstlerin und Musikerin eine Energie der Auflehnung und der Verweigerung, über die Neues entsteht, das sich nach allen Regeln der düsteren Kunst der Mehrheitsgesellschaft widersetzt.

Im Buch ist es die südnorwegische Gesellschaft, aus der Hval stammt, die diese Energie in ihr entfacht, eine Gesellschaft, die für Konservatismus und Provinzialismus steht. Eine eingemiefte Gesellschaft, die sich über »Heringe, Mehlsuppe und Gott« und »eine weiß getünchte Idylle« definiert, wie Hval schreibt. Ihr ist schon als junges Mädchen klar, dass sie dieser Welt entkommen will.

Hval ist selbst Musikerin. Ihre Alben haben mit Black Metal auf den ersten Blick überhaupt nichts zu tun. Ihre Musik ist sphärisch, leicht poppig, vor allem elektronisch aufbereitet, aber sie verweigert sich eben auch dem Mainstream, wagt sich in die Gefilde der Avantgarde und damit in die Regionen der kultivierten Grenzüberschreitung, die dem Black Metal eigen sind. Wie viel Autobiografisches in dieser wütenden Abrechnung und Selbsterkundung steckt, die zwischen Roman, Essay und Manifest hin und her mäandert, ist schwer auszumachen. Es ist die Idee eines Drehbuchs, das die Erzählerin über Black Metal schreiben will, das die teils auch zu ausschweifenden und redundanten intellektuellen Aus- und Einwürfe als Klammer lose zusammenhält.

Als zu spät Geborene ist die große Zeit des norwegischen Black Metal für Hval bereits vorbei, als sie die Liebe zu diesem Genre entdeckt, vor allem zu Darkthrone, einer der Pionierbands, die bis beute ihr brachiales und doch auch verspieltes Unwesen in der Szene treiben. Hval sehnt sich nach Gleichgesinnten, nach einer Band, vielmehr nach einer Bande von Frauen, mit der sie Hass beschwören und feiern kann. Aber erst als junge Frau trifft sie auf Venke und Terese, mit denen sie beginnt, den Okkultismus und Mystizismus der Welt der Hexen zu erforschen, neu zu beleben, um mit bizarren Performances den Mief und Pief der Osloer Kunst- und Kulturwelt herauszufordern. Hier liegt der Reiz oder das Neue von Hvals Beschwörung: Sie nimmt es mit der männerdominierten Welt des Black Metal auf, wendet sich auch gegen die männlich geprägte Kulturwelt Norwegens mit ihren Munchs, Ibsens, Hamsuns und Knausgards, sucht Möglichkeiten eigener subversiver Ausdrucks- und Befreiungsformen. »Die weiche, erstarrte Welt des Aspiks löst die Gravitation auf und bringt absurde Föten in dem geleeartigen, salzigen Fruchtwasser hervor, hält das Chaos der Welt zusammen, das gegen die Körper der Hausfrauen zittert.«

Im Buch geht es bizarr, experimentell und wild zu, Gedanken blitzen auf, versiegen, oder drehen sich in schwindelerregende Höhen, fallen wie eine pyroklastische Wolke zusammen und entwickeln eine Wucht, in der sie alles mitreißen. Black Metal ist anstrengend und auch dieses Buch ist anstrengend, weil es gekonnt seziert, aus welch düsterem Stoff wir gemacht sind.

Jenny Hval: Gott hassen. Black Metal, Hexerei und Edvard Munch: Eine Jugend in Norwegen. A. d. Norw. v. Clara Sondermann. März-Verlag, 240 S., geb., 22 €.

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