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- Satirekolumne »Betreutes Lesen«
Kleiderordnung an Schulen muss sein
Lehrer sollen sich endlich wieder auf den Unterricht konzentrieren können, fordert Andreas Koristka
Wenn man nicht aufpasst und rechtzeitig die Straßenseite wechselt, kann es hin und wieder passieren, dass man in einen Auflauf von Schülerinnen und Schülern gerät. Plötzlich riecht es nach billigem Parfüm, mit heißer Nadel gestrickten Pheromonen und aufgeplatzten Pickeln. Stimmen kurz nach dem Stimmbruch malträtieren das Trommelfell. Aber auch optisch sind Jugendliche eine Zumutung.
Um diese Zumutung zu lindern, hat der Bundeselternrat vorgeschlagen, dass Schülerinnen und Schüler wenigstens in der Schule gezwungen werden, sich ordentlich anzuziehen. Was »ordentlich« bedeutet, ist natürlich Auslegungssache. Bei den Mädchen wird es wohl auf hochgeschlossene Kleider mit Stehkragen hinauslaufen, die nicht figurbetont sein dürfen. Die Knaben machen nichts falsch, wenn sie sich in zweireihig geknöpfte Gehröcke kleiden, unter denen sie taillenlange Westen tragen und Kniebundhosen über weißen Kniestrümpfen.
Da sich Frisuren leider nicht durch Kleiderordnungen regeln lassen, wird es zusätzlich nötig sein, dass der Gesetzgeber das Tragen und Schneiden des Edgar-Schnitts unter Strafe stellt. Ist dies endlich umgesetzt, kann der Lehrkörper wieder aufatmen. Wenn man schon aus Berufsgründen täglich mit jungen Menschen in Kontakt gerät, helfen solche Kleinigkeiten ungemein.
Besonders unsere deutschen Mädchen haben in den letzten Jahren mit den wieder in Mode gekommenen bauchfreien Oberteilen, tiefen Ausschnitten und dem Verzicht auf BHs den Bogen deutlich überspannt. Niemand kann sich im Unterricht auf die Vermittlung der binomischen Formeln konzentrieren, wenn in der ersten Reihe der 12b eine dralle und wohlgeformte Brust aus dem Dekolleté zu rutschen droht.
Andreas Koristka ist Redakteur der Satirezeitschrift Eulenspiegel. Für »nd.DieWoche« schreibt er alle zwei Wochen die Kolumne »Betreutes Lesen«. Alle Texte unter dasnd.de/koristka.
Sicherlich, an den Schulen gibt es auch andere kleine Problemchen wie zu wenig Personal, zu große Klassen oder dass es keinen adäquaten Ort gibt, an dem der Hausmeister in Ruhe seinen Rausch ausschlafen kann, ohne dass ihn Schüler dabei filmen und die Videos auf Tiktok stellen. Aber wenn sich alle vernünftig anziehen, dann fällt es leichter, mit diesen Dingen umzugehen. Dann können sich auch die Lehrer auf den Unterricht konzentrieren und sind nicht mehr dazu gezwungen, ihren Zöglingen durch die Löcher ihrer zerrissenen Klamotten zu schmulen.
Viele Lehrer finden diese Blicke, gegen die man sich als Guckender leider nicht wehren kann, als überaus störend. Gerade die Männer würden viel lieber im Lehrplan fortfahren, statt wie erstarrt mit Glubschaugen vor der Klasse zu stehen, während sich der Geifer aus dem Mundwinkel heraus langsam Richtung Boden abseilt, wo er auf eine bereits zu beachtlicher Größe herangewachsene Pfütze trifft.
Ordentliche Kleidung hat eben auch etwas mit Anstand zu tun. Wüssten die Heranwachsenden, was ihre Lehrer über sie denken, ahnten sie, was sie in Pädagogenköpfen unachtsamerweise anrichten, wären sie sicherlich von sich aus bereit, sich anständiger zu kleiden. Vielleicht wäre es hilfreich, wenn es eine feste Stunde in der Woche gäbe (»Cringekunde«), in der das Schulpersonal frank und frei aus seinem Seelenleben berichtet.
Einen Versuch wäre es wert. Und wenn man dann noch allen Personen unter 25 Jahren in den öffentlichen Verkehrsmitteln verbieten würde, sich zu unterhalten, damit sie ihrer Umwelt nicht mit ihren belanglosen und lautstark vorgetragenen Anekdoten darüber, was der oder die gesagt hat (»Digger, ich schwöre!«), auf die Nerven zu gehen, wäre die Welt wieder ein kleines bisschen besser geworden.
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