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Sachsens SPD steckt im Dilemma

Fördermittelaffäre sorgt für Fragezeichen hinter Spitzenkandidatur von Ministerin Köpping

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Einladungen sind gedruckt: Für den 25. November lädt die sächsische SPD zum Parteitag nach Neukieritzsch bei Leipzig. Sie will dort das Programm für die Landtagswahl am 1. September 2024 beschließen und darüber abstimmen, welche Person sie in den Wahlkampf führen soll. Die Wahl des Tagungsortes kann als Reverenz an die bisher aussichtsreichste Anwärterin gesehen werden. Neukieritzsch liegt nicht weit entfernt von Großpösna. Dort wohnt Petra Köpping, die einst dort Bürgermeisterin war, später Landrätin wurde und seit 2014 eines von zwei SPD-Kabinettsmitgliedern ist.

Die Spitzenkandidatur Köppings galt lange als ausgemacht. Sie ist eine Ministerin, die in ihren Ressorts schwierige Zeiten unbeschadet überstand. 2014 wurde sie Ministerin für Gleichstellung und Integration und musste die Flüchtlingskrise ab 2015 managen. 2019 wechselte sie ins Ressort für Soziales und Gesundheit, kurz darauf kam Corona. Beides forderte sie fachlich und persönlich hart; rechte Kritiker der Corona-Maßnahmen hielten einen Fackelmarsch vor ihrem Wohnhaus ab. Köpping arbeitete die Aufgaben souverän ab. Sie habe »Probleme in großer Not« gelöst, sagt SPD-Landeschef Henning Homann. Zudem habe sie dafür gesorgt, dass »Ostdeutschland eine Stimme bekommen« habe. Sie kümmerte sich zeitweise um das Thema fehlender Anerkennung ostdeutscher Lebensleistungen; der Härtefallfonds, der Rentenunrecht Ost mildern sollte, geht auch auf ihr Engagement zurück.

All das soll der sächsischen SPD Zuspruch bescheren, den sie dringend benötigt. Die Partei liegt laut einer jüngst veröffentlichten INSA-Umfrage derzeit bei sieben Prozent und damit noch unter den 7,7 Prozent vom Herbst 2019, die damals das schlechteste SPD-Ergebnis aller Landtagswahlen seit 1945 markierten. Ihr mieser Wert trägt dazu bei, dass die seit damals regierende Koalition mit CDU und Grünen erstmals ohne Mehrheit dasteht. Das sei ein »Warnschuss an alle«, sagt Homann: »Da nehme ich die SPD nicht aus.«

Deren Antwort soll zum einen lauten: sachliche Politikangebote. Man wolle, sagt der Landeschef, über Schulpolitik oder gute Löhne reden und damit über »Themen, die den Menschen wichtig sind«, statt sich in »Ablenkungsdebatten und hysterische Diskussionen« drängen zu lassen, wie sie vor allem die AfD lostrete. Dieser wirft er den »größten politischen Betrug aller Zeiten« vor, weil ihre Politik vielen ihrer Wähler schade. Das Problem ist freilich: Schon jetzt ist absehbar, dass der Wahlkampf in Sachsen wie 2019 auf ein Duell zwischen CDU und AfD zusteuert und die Frage, wer von beiden stärker ist. Vor vier Jahren schaffte die CDU mit dieser Zuspitzung einen knappen Wahlsieg. Aktuell liegt sie sechs Punkte hinter der AfD. CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer setzt bei der Aufholjagd darauf, sich bei Themen wie Migration, Ukraine-Krieg oder Energiepolitik mit Positionen ins Gespräch zu bringen, die sich teils wenig von denen der AfD unterscheiden. Für kleinere Parteien verheißt das nichts Gutes. Schon bei der Wahl 2019 bescherte ihnen die Duell-Konstellation Stimmverluste. Die SPD verlor gut ein Drittel ihres Stimmanteils von zuvor 12,4 Prozent.

Der zweite Joker der SPD sollte Petra Köpping sein. Doch auch da ist inzwischen unklar, ob das Kalkül aufgeht. Kurz vor ihrer geplanten Präsentation als Spitzenkandidatin wurde ein Prüfbericht des Rechnungshofes publik, der massive Mängel bei der Vergabe von Fördermitteln im Bereich Integration zwischen 2016 und 2019 kritisiert – also in Köppings Ressort. Die Ministerin räumte Fehler ein; in einer von der AfD beantragten Sondersitzung des Landtags sagte sie, man habe »das Richtige getan, aber wir haben es nicht immer richtig getan«. Ihr Staatssekretär Sebastian Vogel, früher auch SPD-Generalsekretär im Land, übernahm die politische Verantwortung und musste gehen. Homann lobt, die Ministerin habe mit ihrer »schnellen und offensiven Reaktion die Debatte versachlicht«. Absehbar ist aber, dass der Druck hoch bleiben wird. Die AfD hat bereits zur Jagd geblasen, geißelt »Clanstrukturen« im Ministerium und fordert, der »SPD-nahen Migrationsindustrie« den Geldhahn abzudrehen. Nicht unwahrscheinlich ist, dass sie einen Untersuchungsausschuss durchsetzt, um die Affäre bis zum Legislaturende am Kochen zu halten.

Ob die SPD angesichts dessen kurzfristig umplant, ist offen. Homann betont, man halte am bisherigen Plan fest, die Spitzenkandidatur »im dritten, allerspätestens Anfang des vierten Quartals zu benennen«. Das wäre vor oder allenfalls gleichzeitig mit der finalen Veröffentlichung des Rechnungshof-Berichtes, mit der einem Bericht der »Freien Presse« zufolge nicht vor dem vierten Quartal zu rechnen ist. Derzeit sieht es so aus, als halte die Partei dennoch an der Nominierung Köppings fest. Viele Menschen in der SPD und im Land hätten »hohes Zutrauen« in sie, sagt Homann: »Das ist weiterhin so.« Zugleich betont er zwar die »unfassbaren« Verdienste von Wirtschaftsminister Martin Dulig, der zweimal Spitzenkandidat war. Dass ihr Kabinettskollege, der im Juni 2021 als Landeschef abtrat, aber statt Köpping erneut in die Bresche geschickt wird, ist unwahrscheinlich. Und von einer Doppel- oder Dreifachspitze, wie sie Linke und Grüne aufstellen wollen, halte er zumindest persönlich wenig, sagt Homann: »Das ist nicht das beste Mittel der Wahl.«

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