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Rechte Anschläge: Von Neukölln bis Lichtenberg
Antifaschisten fordern Aufklärung rechter Anschlagsserien und die Abschaffung des Verfassungsschutzes
»Der Bezirk ist nicht mehr die Nazi-Hochburg, die er mal war«, sagt Michael Mallé von der Lichtenberger Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA). Und dennoch ist das Problem nicht gelöst, wie sich ganz dramatisch seit Anfang des vergangenen Jahres zeigt: »Seit Februar 2022 gab es in Neu-Hohenschönhausen 20 Brandanschläge auf Keller von Wohnhäusern und Jugendclubs«, so Mallé. Nur durch Glück habe keines der Feuer auf die Wohnungen der großen Mehrfamilienhäuser übergegriffen.
Mallé diskutierte am vergangenen Sonntag anlässlich des von der Berliner VVN-BdA organisierten Tages der Erinnerung und Mahnung mit Niklas Schrader, dem innenpolitischen Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, und Karl von der Kampagne »Entnazifizierung jetzt« über die Bekämpfung neonazistischer Strukturen in den Kiezen und Sicherheitsbehörden. Denn für die drei Antifaschisten ist klar: Verfassungsschutz, Justiz und Polizei tragen nicht ausreichend zur Aufklärung und Verurteilung rechter Straftaten bei, sondern sind in viel zu vielen Fällen Teil rechter Strukturen.
Im Fall der Brandanschläge im Lichtenberger Ortsteil Neu-Hohenschönhausen äußere sich das zum Beispiel darin, dass der mutmaßliche Täter, der ein rassistisches und islamfeindliches Bekennerschreiben veröffentlicht hatte, letzten Endes nicht für einen oder mehrere der Anschläge verurteilt wurde. »In dem Schreiben droht er sogar mit weiteren Anschlägen«, sagt Mallé. Dass es nicht genug Beweise für eine Verurteilung gegeben habe, sei auf unzureichende Motivation von Justiz und Polizei zurückzuführen. »Diese halbherzigen Ermittlungen lassen nicht darauf hoffen, dass die kommenden Prozesse erfolgreicher verlaufen.«
In Neu-Hohenschönhausen haben die Ermittlungen zumindest ergeben, dass es sich um eine Gruppe rechtsextremistischer, rassistischer Jugendlicher handle, die sich über das Internet radikalisiert hätten. »Es gibt keine Hinweise auf eine Anbindung an organisierte neonazistische Strukturen oder rechte Parteien«, sagt der Lichtenberger Antifaschist.
Anders verhält es sich bei den Anschlägen im Süden des Bezirks Neukölln, die als Neukölln-Komplex zusammengefasst werden. Hier gilt es als gesichert, dass schon lange aktive Neonazis rund um den Hauptbeschuldigten Tilo P. verantwortlich sind. Die Ermittlungen und Gerichtsverfahren liefern trotzdem kaum Erfolge in der Aufklärung und Verurteilung der Taten, weshalb ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss eingerichtet wurde. Niklas Schrader ist Teil dieses Ausschusses. »Der Untersuchungsausschuss kann die Straftaten in der Anschlagsserie nicht aufklären, aber die Arbeit der Sicherheitsbehörden«, sagt er.
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So sei bislang in dem Ausschuss auch die Inkompetenz der Behörden zutage getreten. In der zuständigen Ermittlungseinheit der Polizei sei das seit Mitte der 2000er Jahren agierende und inzwischen nicht mehr unter diesem Namen bestehende militante Neonazi-Netzwerk NW Berlin beispielsweise nicht bekannt gewesen. »Alle antifaschistisch Engagierten kennen das Netzwerk und die Kontinuität zum Neukölln-Komplex«, so Schrader. Nicht nur handle es sich zum Teil um dieselben Personen, es seien auch Feindeslisten fortgeführt worden.
Durch den Untersuchungsausschuss würden darüber hinaus auch immer mehr Hinweise auf die Verbindung der neonazistischen Täter in die Behörden hinein ans Licht kommen. »Ein Polizeizeuge sagte, dass wahrscheinlich Infos über Beschattungseinsätze an die Tatverdächtigen herangetragen wurden. Das ist das erste Mal, dass dieser Verdacht tatsächlich aus der Polizei heraus geäußert wurde.« Auch sei ausgesagt worden, dass ein Staatsanwalt die polizeilichen Untersuchungen durch Nichterteilung von Befugnissen blockiert habe.
Dass es den Untersuchungsausschuss überhaupt gibt, ist eine Errungenschaft von Betroffenen und antifaschistischen Initiativen aus der Zivilgesellschaft, die hart darum kämpfen mussten, so Schrader. Trotzdem sei es in vielen Fällen nicht möglich, die relevanten Informationen öffentlich transparent zu machen. Vor allem die Arbeit des Verfassungsschutzes könne nicht ausreichend transparent beleuchtet werden. »Die Abschaffung des Verfassungsschutzes ist eine der ältesten Forderungen, die wir als Linke haben«, sagt der Innenpolitiker. Denn dieser arbeite »strukturell im Geheimen« und sei »nicht einfach umzukrempeln«.
Auch im Fall Neu-Hohenschönhausen erwartet Michael Mallé wenig Aufklärung durch die Behörden. Antifaschist*innen bemühen sich deshalb seit Beginn des ersten Prozesses im Mai darum, die von den Anschlägen betroffene und bedrohte Nachbarschaft selbst aufzuklären. »Wir haben Zehntausende Flugblätter in den ganzen umliegenden Straßen verteilt«, sagt er. »Die Gespräche, die dadurch entstanden sind, wollen wir fortführen und uns mit den Anwohner*innen und Betroffenen zusammen organisieren«, sagt Mallé. Man werde außerdem die kommenden Prozesse möglichst intensiv zivilgesellschaftlich begleiten. »Wir brauchen noch viel mehr öffentlichen Druck.«
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