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Mehr Schutz für Studierende in NRW

Gesetzesvorschlag kommt nach Anzeige von Machtmissbrauch und sexueller Belästigung

  • David Bieber
  • Lesedauer: 4 Min.
Ein Vorfall an der Hochschule Gelsenkirchen war Auslöser für eine Gesetzesnovelle.
Ein Vorfall an der Hochschule Gelsenkirchen war Auslöser für eine Gesetzesnovelle.

Im Zuge von Ermittlungen und öffentlichen Diskussionen in einem mutmaßlichen Fall von Machtmissbrauch an der Westfälischen Hochschule Gelsenkirchen hat die Landeswissenschaftsministerin Ina Brandes (CDU) eine Gesetzesänderung zum besseren Schutz von Studierenden in Nordrhein-Westfalen angekündigt. Im Wissenschaftsausschuss des Landtags erklärte die Ministerin vergangene Woche, die geplante Novelle des Hochschulgesetzes solle unabhängig von dem Fall »auch Maßnahmen zur Bekämpfung des Machtmissbrauchs im wissenschaftlichen Kontext umfassen«.

Auslöser für die Novelle war der im April publik gewordene Fall eines Professors an der Gelsenkirchener Fachhochschule. Gleich mehrere Studenten hatten dem Mann über mehrere Jahre sexuelle Belästigung vorgeworfen. Der Hochschullehrer soll laut den Aussagen der jungen Männer engen privaten Kontakt zu diesen gehalten, sie zu sich nach Hause eingeladen und psychisch unter Druck gesetzt haben. Der Professor bestreitet das.

An der Westfälischen Hochschule wurde der Professor vorübergehend suspendiert. Die Ermittlungsführung in einem Disziplinarverfahren wurde in die Hände eines darauf spezialisierten Fachanwalts für Verwaltungsrecht gelegt. Zudem stellte die Hochschule Strafanzeige.

Vereinzelt kam es zu Kritik an dem Vorgehen in dem Disziplinarverfahren und einem seitens der Hochschule angeblich missachteten Opferschutz. Brandes und andere Experten wiesen dies aber deutlich zurück. Das Verfahren werde genauso geführt, wie es im Landesdisziplinargesetz vorgesehen sei. Förmliche Zeugenvernehmungen, an denen sich einige betroffene Studenten gestört hatten, seien ein wesentliches Beweisinstrument. »Wenn hier Fehler passieren, hat dies zur Folge, dass der Beschuldigte freizusprechen ist«, sagte Brandes.

Gelsenkirchen soll kein Einzelfall sein, da in den vergangenen Jahren an mehreren Einrichtungen des Landes immer wieder Übergriffe verschiedener Wissenschaftler beklagt worden waren. Sie werde dem Parlament noch im Herbst ein Maßnahmenpaket vorstellen, um, so sagte Brandes, »die Hochschulen in Nordrhein-Westfalen noch erheblich sicherer zu machen«. Konkretere Angaben machte sie nicht.

Dennoch glaubt Brandes nicht an ein strukturelles Problem im wissenschaftlichen Bereich. Sie spricht von einem »individuellen menschlichen Versagen« in einem konkreten Fall. Es gehe nun darum, »wie wir die Rahmenbedingungen so verbessern können, dass Machtmissbrauch so weit wie möglich ausgeschlossen wird«.

Ayla Çelik, Vorsitzende der Bildungsgewerkschaft GEW in NRW, begrüßt gegenüber »nd« die avisierte Novelle im Hochschulgesetz. »Dieser Schritt ist wichtig und längst überfällig. Denn Machtmissbrauch in der Wissenschaft ist vielschichtig und muss auf allen Ebenen bekämpft werden.«

Um Machtmissbrauch an Universitäten und Hochschulen zu verhindern, müssten die Strukturen in der Hochschullandschaft und die prekären Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft verbessert werden. Çelik nennt in diesem Zusammenhang etwa Kettenbefristungen von Anstellungen. »Sie bedeuten eine in dem Maße unangebrachte Abhängigkeit von den Dienstvorgesetzten.« Ein erster wichtiger Schritt müsse deshalb ein Ende der Prekarität und Dauerstellen für Daueraufgaben umfassen.

Dazu komme die Rollenverquickung zwischen Dienstvorgesetzten, bewertender Stelle und Betreuung, durch die es zu Problemen in der Rollenwahrnehmung kommen könne. »Ebenso fehlen wirkungsvolle Mechanismen zur Meldung und Ahndung von Missständen«, sagt Çelik.

Diese ungünstigen Strukturen führen laut Çelik dazu, dass Betroffene oft Situationen ertragen, die nicht angemessen sind. Dies gelte auch für Beschäftigte, verdeutlicht Çelik. »Dadurch schadet sich der Wissenschaftsstandort Deutschland dauerhaft selbst.«

Der emeritierte Politikwissenschaftler Ralf Kleinfeld aus Duisburg lehrte viele Jahre an Universitäten in und außerhalb des Bundeslands. Er bemängelt gegenüber »nd«: »Es braucht Beratungsstellen in Notlagen, Vertrauensdozenten, mit denen die Hochschule proaktiv Konfliktsituationen, in denen Studierende involviert sind, begleitet. Auf der Webseite der Fachhochschule Gelsenkirchen findet man all dies nicht.« Zudem führt Kleinfeld eine unabhängige, landesweite Einrichtung für Machtmissbrauch als mögliche Lösung an.

Außer der schnellen Sensibilisierung der Gelsenkirchener Hochschule könnten sonst nur Änderungen im Verfahren Abhilfe schaffen, meint Kleinfeld. »So bedarf es einer ausgeweiteten Informationspflicht der Hochschule über die Eigenart eines Disziplinarverfahrens. Diese Kenntnisse kann man bei Studierenden nicht einfach voraussetzen.«

Kleinfeld verweist auf eine Dimension des Gelsenkirchener Falls, die bisher nicht berücksichtigt wurde: »Die vielen Studierenden des Dozenten, die nicht zum Kreis seiner männlichen ›Lieblinge‹ gehören, die qua Noten und bei Praktika bevorzugt wurden, könnten auf eine ungerechtfertigte Benachteiligung klagen, da ihre akademischen und beruflichen Perspektiven potenziell eingeschränkt wurden.«

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