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Jumbos Dominanz bei der Vuelta: Darf der Helfer gewinnen?

Das Team Jumbo-Visma stellt die drei Spitzenreiter der Gesamtwertung bei der Spanienrundfahrt. Ganz oben steht aber keiner der Kapitäne

  • Tom Mustroph, Bejes
  • Lesedauer: 4 Min.
Dominanz des Jumbo-Teams auf Spaniens Straßen: der Dritte Vingegaard (l.), vor dem Zweiten Roglic und dem Gesamtführenden Kuss sowie zwei Helfern
Dominanz des Jumbo-Teams auf Spaniens Straßen: der Dritte Vingegaard (l.), vor dem Zweiten Roglic und dem Gesamtführenden Kuss sowie zwei Helfern

Das Erstaunen ist recht vielen alten Fahrensmännern im Radsport zu Beginn der dritten Woche bei der Spanien-Rundfahrt weiterhin ins Gesicht geschrieben. »Nein, an so etwas kann ich mich nicht erinnern!«, meint beispielsweise Jose Vicenta Garcia Acosta bezogen auf die drei führenden Männer vom Team Jumbo-Visma gegenüber »nd«. Der 51-Jährige hat selbst 16 Profijahre auf dem Sattel und nun auch immerhin schon zwölf weitere im Begleitwagen des Teams Movistar hinter sich. Diese Konstellation jetzt ist aber auch neu für ihn.

Im Roten Trikot des Gesamtführenden fährt nun schon seit einiger Zeit Sepp Kuss auf Spaniens Straßen. Der US-Amerikaner profitierte zuerst von einer Ausreißergruppe auf der sechsten Etappe. Da galt er noch als Edelhelfer. »Aus taktischen Gründen haben wir Sepp da in die Gruppe gehen lassen. Das Feld konnte sie dann nicht kontrollieren«, blickt sein Sportlicher Leiter Marc Reef auf die Ereignisse zurück. Zwei Tage nach seinem Ausreißersieg fuhr Kuss dann schon in Rot. Nach und nach rutschten später auch seine eigentlichen Kapitäne Jonas Vingegaard und Primož Roglič auf die Plätze drei und zwei vor.

Seit Tagen ist das Jumbo-Trio ganz vorn. Und Kuss strahlt jeden Tag mehr Selbstbewusstsein aus. »Ich freue mich auf die dritte Woche. Ich mag die Pässe, die wir in Asturien und Kantabrien fahren müssen. Ich habe auch gute Erinnerungen an den Angliru im Jahr 2020«, sagt er. An eben jenem Berg, der an diesem Mittwoch erneut angefahren wird, wurde er vor drei Jahren Etappensechster. Da beschützte er seinen strauchelnden Chef Roglič, der damals Rot an den Ecuadorianer Richard Carapaz abgeben musste. Am Ende gewann Roglič aber doch noch – und sein Edelhelfer aus den USA hatte einen beträchtlichen Anteil daran.

Jetzt kann Kuss selber siegen. »Wir haben keine Hackordnung festgelegt«, beschreibt der Spitzenreiter die Situation im Team. »Die anderen Männer freuen sich einfach für mich und glauben an mich, und wir sagen, dass wir diese Situation beibehalten wollen«, erzählt er. Er bekommt dabei auch Rückendeckung von seinen Sportlichen Leitern. »Wir haben vorher schon gesagt, dass es uns egal ist, wer gewinnt, solange es jemand von Jumbo-Visma ist. Wir haben uns hierfür verschiedene Szenarien ausgedacht. Die betrafen anfangs noch das Duo mit Jonas und Primož. Seit dem Zeitfahren, als Sepp seinen Vorsprung verteidigte, ist er auch Teil unserer Strategie und wir haben uns entschieden, mit drei Spitzenreitern zu fahren«, erläutert Marc Reef die Situation. Er bezeichnet dies durchaus auch als Herausforderung: »Denn man muss nun auf drei Männer achten.«

Die Radprofis achten aber auch auf einander. Ein Geheimnis ist es natürlich auch nicht für Reef und Kuss, dass der Zeitpunkt der Entscheidung immer näher rückt. »Ich weiß: In diesem Sport verteilt man keine Geschenke. Sie wollen auch gewinnen«, meint Kuss bezogen auf die Teamkollegen. Und Reef vermutet: »Vielleicht entsteht in den nächsten Tagen eine Situation, in der wir eine Wahl treffen müssen. Welche Karte wir ziehen, hängt vom Augenblick ab.«

Vorstellbar sind verschiedene Szenarien: Wenn der Abstand zu Platz vier groß genug und das Ziel, als Rennstall die Gesamtwertung zu gewinnen, nicht mehr in Gefahr ist, wird das Rennen für die drei freigegeben. Das wäre die sportlich attraktivste Variante. Sie würde allerdings auch die Frage aufwerfen: Wer erhält von den restlichen Fahrern im Team wie viel Unterstützung?

Wahrscheinlicher ist, dass das Klassement in dieser Form eingefroren bleibt. Solange Kuss nicht schwächelt, attackieren die anderen nur, um die Gegner außerhalb der eigenen Reihen in Zugzwang zu bringen. Das würde dem Mann in Rot am besten passen, aber Roglič um den vierten Vuelta-Sieg und Vingegaard um den ersten Grand-Tour-Sieg außerhalb Frankreichs bringen. Es hätte allerdings auch eine Signalwirkung für den Amerikaner: Wir schätzen dich so sehr als Edelhelfer, dass wir dir einen großen Sieg gönnen.

Momentan sieht es ganz nach der Kuss-Variante aus. Er wirkt bei der dritten Grand Tour in diesem Jahr, seiner fünften hintereinander, stark wie nie. Über ganz besondere – und ziemlich kuriose – Hilfe kann er sich ebenfalls freuen. Eurosport-Reporterin Laura Meseguer fand heraus, dass Kuss’ Hund namens Bimbo beim Vuelta-Tross mit einer eigenen Akkreditierung unterwegs ist. Als »Bimbo Kuss« ist er mit Porträtfoto als Teamunterstützer registriert. Wenn nichts dazwischenkommt, werden wohl vier Wesen, drei Männer und ein Hund, auf dem finalen Podest in Madrid Platz nehmen.

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