Unterernährung gefährdet Wachstum der Kinder

Laut neuer Studien müssten Maßnahmen gegen Hunger bereits in der Schwangerschaft und direkt nach der Geburt einsetzen

Zu den Kernaufgaben im Rahmen der Nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) gehört der Kampf gegen Hunger. Dies haben die Vereinten Nationen in Ziel 2 festgeschrieben. Doch auch hier gibt es herbe Rückschläge seit der Coronakrise.

Einigkeit besteht darin, dass Maßnahmen besonders bei den Kindern ansetzen müssten. Um Fort- oder Rückschritte bei der Beseitigung der Unterernährung zu messen, werden zwei Indikatoren herangezogen: Verkümmerung, also eine für das Alter zu geringe Körpergröße, deutet auf chronische Unterernährung hin, während Auszehrung ein Maß für akute Unterernährung ist. Im Jahr 2022 erhielt mehr als jedes fünfte Kind weltweit – insgesamt 148 Millionen – nicht genügend Kalorien, um normal zu wachsen, und mehr als 45 Millionen wogen zu wenig für ihre Größe. Mehr als eine Million Kinder sterben jedes Jahr an den Folgen.

Mangelernährung – auch dies ist zweifelsfrei belegt – schränkt Kinder in ihrem körperlichen Wachstum und ihrer geistigen Entwicklung ein. Sie können weniger lernen und sich schlecht konzentrieren. Außerdem sind die Folgen oft ein Leben lang zu spüren. Beide Formen des Wachstumsversagens erhöhen das Risiko für eine beeinträchtigte kognitive Entwicklung, Krankheit und Tod.

Bisher beginnen die meisten Ernährungsmaßnahmen, da sie häufig Nahrungsergänzungsmittel beinhalten und das Stillen nicht beeinträchtigen sollen, bei Kindern nach dem sechsten Lebensmonat. Doch dies ist zu spät, wie aus drei Studien hervorgeht, die vor wenigen Tagen im Vorfeld des SDG-Gipfels im Fachblatt »Nature« erschienen sind und den bisher umfassendsten Blick darauf bieten, wie sich Mangelernährung in frühester Kindheit auf das Wachstum auswirkt. Die Metaanalysen werteten Langzeit-Daten von über 80 000 Kindern in Südasien, Afrika südlich der Sahara und Lateinamerika aus.

Wie Forscher um Jade Benjamin-Chung, Expertin für Epidemiologie und Bevölkerungsgesundheit an der US-Universität Stanford in ihrer Untersuchung herausfanden, tritt die höchste Inzidenz von Wachstumsverzögerungen bereits zwischen der Geburt und dem Alter von drei Monaten auf, wobei in Südasien die Verkümmerung bei der Geburt am höchsten war. Andrew Mertens, Biostatistiker an der Universität Berkeley, und Kollegen kamen zu dem Ergebnis, dass auch die Häufigkeit der Auszehrung zwischen der Geburt und dem dritten Lebensmonat am höchsten ist. Die dritte Studie fand heraus, dass eine postnatale Wachstumsverzögerung Kinder für eine später anhaltende Wachstumsverzögerung prädisponiert und dass Jungen ein höheres Risiko dafür haben als Mädchen.

Insgesamt waren die stärksten Voraussetzungen für ein besseres späteres Wachstum gute mütterliche Lebensumstände während der Schwangerschaft und nach der Geburt, der frühe Gesundheitszustand des Säuglings und die Bedingungen im Haushalt und Verwendung von sauberem Brennmaterial zum Kochen, wie die Forscher schreiben. »Diese Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung von Maßnahmen zur Verbesserung der allgemeinen Gesundheit von Müttern und Säuglingen sowie der Umweltbedingungen und der sanitären Einrichtungen im Haushalt.«

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass ein größeres Augenmerk auf Maßnahmen zur Verbesserung der Gesundheit von Schwangeren und von Säuglingen gelegt werden muss, um spätere Wachstumsstörungen und einen schlechten Gesundheitszustand der Kinder abzumildern. »Mangelernährung im frühen Lebensalter stellt eine bedenkliche Weichenstellung dar, die sich über Generationen erstrecken kann«, erläutert Forscher Andrew Mertens. »Sofortige Maßnahmen sind wichtig, aber wir brauchen auch nachhaltige Investitionen in die Entwicklung und in Programme für öffentliche Gesundheit und Ernährung, um diesen Kreislauf zu durchbrechen.«

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