Brandenburgs Jugend ist optimistisch, aber ängstlich

Bildungsministerium stellt Studie vor: Die Ergebnisse widersprechen sich teilweise

  • Matthias Krauß
  • Lesedauer: 4 Min.

Ohne dass Bildungsminister Steffen Freiberg (SPD) oder seine Staatssekretärin daran teilgenommen hätten, wurden am Montag die Ergebnisse der vom Ministerium in Auftrag gegebenen »Jugendstudie 2022/23« vorgestellt. Laut Autor Andreas Pöge hat sie ergeben, dass Jugendliche in Brandenburg insgesamt sehr zufrieden mit ihrem Leben sind und optimistisch in die berufliche Zukunft blicken. Bei genauerem Hinsehen ergeben sich aber daneben ganz andere Deutungsmöglichkeiten.

Verglichen wurden die Ergebnisse einer aktuellen Befragung von 3142 Schülerinnen und Schülern, die zwischen 12 und 23 Jahren alt waren und an 36 Schulen und Oberstufenzentren lernten, mit den Resultaten einer Befragung von 2017. Zufrieden oder eher zufrieden zeigten sich zwischen 80 und 95 Prozent der Befragten mit ihrer finanziellen Lage, mit den Möglichkeiten der Freizeitgestaltung, mit ihrer Gesundheit, mit dem Verhältnis zu ihren Eltern, mit der Wohnsituation und ihren Beziehungen zu Freunden und Bekannten.

»Ohne Anstrengung angenehm leben«, das finden über 70 Prozent erstrebenswert. Viel Geld verdienen möchten 87 Prozent. Zum Teil weit über 90 Prozent stimmen folgenden Zielen für das Leben zu: für andere da sein, materiell abgesichert sein, das Leben genießen, eine erfüllte Arbeit haben und gesund leben. Lediglich bei dem vorgegebenen Punkt »eine Familie gründen« sank die Zustimmung von 89,3 Prozent 2017 auf aktuell 83,9 Prozent. Das interpretierte Pöge als Reflex auf eine zunehmende Unsicherheit.

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Da dergleichen Studien unbeirrt auf Selbstaussagen beruhen, sind Widersprüche nicht zu vermeiden. Jugendliche kreuzen nun einmal auch Aussagen an, die zueinander gar nicht passen können. Dem Ergebnis, dass fast 90 Prozent mit ihrer Selbstbestimmung zufrieden sind, steht der Aussage von fast zwei Dritteln gegenüber, dass sie sich in hohem Maße fremdbestimmt fühlen.

Radikal gesunken ist demnach der Wert von »am politischen Leben teilnehmen« – und zwar von ohnehin nicht berauschenden 47,4 Prozent auf 33,8 Prozent. Dass daraus eine »Abscheu« gegenüber der Politik abgeleitet werden könnte, wies Autor Pöge entschieden zurück, obwohl seine eigenen Befunde davon sprechen, dass fast zwei Drittel der Befragten »unter keinen Umständen« einer Partei oder einer Partei-Jugendorganisation beitreten würden. Pöge zufolge können sich nur wenige Jugendliche (12,2 Prozent) überhaupt vorstellen, in einer politischen Bewegung aktiv mitzuarbeiten. Für die Beteiligung an Wahlen sieht es entsprechend aus: Weniger als 52 Prozent ziehen in Betracht, in Zukunft an einer Wahl teilzunehmen. Und das, obwohl Brandenburger bei Landtagswahlen schon mit 16 Jahren wahlberechtigt sind, wie die Landesjugendbeauftragte Katrin Kumrey am Montag stolz erinnerte. Sie pries Brandenburg als bundesweit vorbildlich bei Beteiligungsangeboten für Kinder und Jugendliche. Aber laut Studie sind weniger als 54 Prozent der befragten Jugendlichen der Ansicht, dass ihre Stadt oder ihre Gemeinde ihnen viele Beteiligungsmöglichkeiten bietet.

Auf die Frage, ob angesichts solcher Befunde es nicht die Politik sein müsste, die sich zu ändern hätte, damit Jugendliche wieder mehr mit Politik anfangen könnten, sagte Autor Pöge, es käme darauf an, den Minderjährigen das alles »besser zu erklären«.

Dass Jugendliche der Politik gegenüber abstinent sind, aber keineswegs uninteressiert an den Dingen, die um sie herum geschehen, zeigte sich beim Fragekomplex »Krisen«. Fast 63 Prozent schätzen die Inflation in Deutschland als »sehr bedrohlich« ein. Die Hälfte fürchtet um die Stabilität der Energieversorgung. Klima- und Umweltverschmutzung kommen bei den von Jugendlichen als »sehr bedrohlich« eingestuften Krisen nur auf Platz drei, aber das immerhin für 44,5 Prozent von ihnen. In abnehmender Folge zwischen 40 und 20 Prozent sehen die Jugendlichen als sehr bedrohlich an: Terrorismus, Arbeitslosigkeit, den Zustand des Gesundheitswesens, den Ukraine-Krieg, die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich, die Zuwanderung, die steigende Staatsverschuldung und den Zustand des Bildungswesens.

Rund zwei Drittel bekundeten ihre Angst davor, dass Deutschland eine noch größere Zahl von Flüchtlingen aufnehmen werde als bisher, ferner dass deutsche Soldaten in den Kriegseinsatz geschickt werden könnten, dass sich der Krieg in der Ukraine auf Deutschland ausbreiten könnte, dass dieser Krieg noch sehr lange dauert und es der eigenen Familie »aufgrund des Krieges finanziell schlechter gehen wird als vorher«. Fast 70 Prozent der Befragten fürchten einen möglichen Einsatz von Atomwaffen.

Erstaunlich war das gegenüber 2017 deutlich gewachsene Bekenntnis zu eigenen Delikten. Von den Befragten gestanden 10,7 Prozent, dass sie dreimal oder öfter binnen eines Jahres ein Kraftfahrzeug ohne Führerschein gefahren haben, ferner ein Fahrzeug unter Alkoholeinfluss gefahren haben (zwei Prozent), »etwas geklaut« haben (sechs Prozent), an gewaltsamen Aktionen teilgenommen haben (vier Prozent), ein Auto »geknackt« haben und damit gefahren sind (0,5 Prozent), ein fremdes Fahrzeug absichtlich beschädigt haben (1,2 Prozent), bewusst den Bus oder die Bahn ohne Ticket benutzt haben (21 Prozent). In allen Bereichen lagen die Werte deutlich über denen von 2017.

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