Das neue Lobbygesetz der Ampel: Bestenfalls halb transparent

Experten bemängeln den Gesetzesentwurf der Regierung. Bisher hält sie ihre Koalitionsversprechen nicht

Für Lobbyist*innen ist jeder Tag Tag der offenen Tür im Parlament – das ist allgemein bekannt. Was die Interessenvertreter dort aber genau tun, und vor allem welchen der 736 Abgeordneten sie die Interessen ihrer Auftraggeber näherbringen, bleibt auch nach der Einführung des Lobbyregisters intransparent. Die Erneuerung des Lobbygesetzes soll das eigentlich ändern: SPD, Grüne und FDP hatten im Koalitionsvertrag versprochen, den Einfluss von Interessenvertreter*innen anhand eines sogenannten legislativen Fußabdrucks offenzulegen. Bei der ersten Sachverständigenanhörung im Bundestag am Dienstag wurde deutlich: Der Gesetzentwurf der Ampel verfehlt das selbstgesteckte Ziel in vielerlei Hinsicht.

»Das Lobbyregister war ein erster Erfolg«, betonte Gregor Hackmack, Gründer der Organisation Parlamentwatch (abgeordnetenwatch.de), den die Linkspartei als Experten zur Anhörung eingeladen hatte. Die Maßnahme wurde im Januar 2022 eingeführt und dokumentiert in einer Liste zunächst nur, welche Lobbyisten gegenüber dem Bundestag, der Regierung oder den Ministerien Interessen von Dritten vertreten. »Zumindest haben wir so schon mal eine Vorstellung davon, wie viele Interessenvertreter*innen in Berlin rumlaufen.« Dennoch sei Deutschland in Sachen Lobbytransparenz ein Entwicklungsland, so Hackmack. »Der Entwurf ist ein erster Schritt, aber noch viel zu kurz gegriffen.«

Das soll sich ändern

Der Erstentwurf der Koalition sieht drei wichtige Neuerungen vor: Erstens müssen Interessenvertreter*innen künftig angeben, auf welche Gesetzesvorhaben sie mit ihrer Lobbyarbeit Einfluss nehmen. Dazugehörige Gutachten oder Stellungnahmen sollen gegebenenfalls auf eine Registerseite hochgeladen und so einsehbar werden. So soll die Öffentlichkeit besser nachvollziehen können, wer an der Entstehung von Gesetzen mitgewirkt hat.

Dominik Meier von der Deutschen Gesellschaft für Politikberatung, der von CDU/CSU eingeladen worden war, kritisierte den hohen bürokratischen und Kostenaufwand einer Regelung, die das Hochladen von relevanten Dokumenten vorschreibt. Das sei für Beratungsfirmen untragbar. Auf die Sorgen des Lobbyisten antwortete der Politologe Ulrich Battis von der Berliner Humboldt-Universität, die klugen Mitarbeitenden der Interessenvertretung seien mit Sicherheit in der Lage, ein PDF-Dokument hochzuladen, und benötigten dafür keine zusätzlichen Schulungen, wie Meier impliziert hatte.

Zweitens sollen die Auftraggeber von Lobbyist*innen – in den meisten Fällen Unternehmen oder Interessenverbände – angeben, wie viel Geld sie für Lobbyaktivitäten zu bestimmten Gesetzesvorhaben ausgegeben haben. »In unseren Recherchen stoßen wir oft auf intransparente Lobbybeauftragungen, die es für Bürger*innen unmöglich machen, nachzuvollziehen, wer ursprünglich Einfluss auf die Gesetzgebung nehmen wollte«, wie es in einer Erklärung von Parlamentwatch heißt. Lobbyist*innen sind also für ein Unternehmen tätig, das sich wiederum für die Interessen eines anderen Unternehmens einsetzt. Der neue Gesetzentwurf soll eine solche »Kettenbeauftragung« in Zukunft verhindern.

Drittens soll auch der sogenannte Drehtüreffekt, also der Wechsel von der Politik in die Lobbyarbeit transparenter werden. Laut dem Entwurf müssen Interessenvertreter*innen angeben, wenn sie in den vorangegangenen fünf Jahren für das Parlament oder die Regierung tätig waren. Genau sie verfügen laut abgeordetenwatch.de oft über gut gefüllte Adressbücher und starke Netzwerke, anhand derer sie dann einzelnen Unternehmen wichtige Kontakte verschaffen.

Was weiterhin fehlt

Die vielleicht wichtigste Forderung der Lobbytransparenzorganisationen hat es nicht in den Entwurf geschafft: der sogenannte legislative Fußabdruck, den die Ampel eigentlich im Koalitionsvertrag festgeschrieben hatte. Dieses Ziel sei erst dann erfüllt, wenn die direkten Kontakte zwischen Lobbyvertretern und Abgeordneten dokumentiert und offengelegt seien, erläuterte Hackmack »nd«. »Sobald zu einer Drucksache gearbeitet wird und es inhaltliche Vorbereitungen auf ein Treffen mit Politiker*innen dazu gibt, müsste das nachvollziehbar sein.« Eine solche Regelung ist bisher nicht vorgesehen.

Unverständlich ist aus Sicht von abgeordnetenwatch auch, dass sich der anzuzeigende Austausch von Lobbyist*innen mit Ministerien bisher noch auf die Ebene der Referatsleitungen beschränkt – Referent*innen sind von der Meldepflicht ausgeschlossen. Meistens seien es aber genau die Referent*innen, die die Gesetzestexte verfassten, und nur selten die Referatsleitenden, bemängelte Hackmack.

Sowohl die Linksfraktion als auch Parlamentwatch fordern zudem eine politisch unabhängige Instanz, ähnlich wie der Bundesrechnungshof oder auch der Datenschutzbeauftragte des Bundes, die die Einhaltung der Regelungen kontrollieren und Abgeordnete im Falle eines Verstoßes sanktionieren soll.

»Wenn es darum geht, die Verpflichtungen der Abgeordneten zu kontrollieren, passiert von der Bundestagsverwaltung quasi nichts«, so Hackmack.

Der angepasste Entwurf soll im Oktober abgeschlossen sein und in der zweiten Sitzungswoche desselben Monats im Plenum beraten werden, wie Daniela Ludwig (CSU), Vorsitzende des zuständigen Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung, »nd« mitteilte.

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