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Keine Impfkampagne in Sicht
Hausärzte warnen vor Überlastung der Praxen in der kommenden Infektsaison
Die Behandlung saisonaler Infekte gehört zum Kerngeschäft der Hausärzte. Neben Erkältungen und Grippe gehört nun auch Covid-19 dazu. Hier gibt es seit Kurzem einen angepassten Impfstoff, und die Allgemeinmediziner sehen eine neue Impfsaison vor sich: »Die Nachfrage nach dem Covid-Booster ist noch steigerungsfähig, sie besteht aber durchaus«, berichtet Markus Beier, Bundesvorsitzender des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes. »Vor allem chronisch Kranke und Ältere kommen auch von sich aus.«
Für Beier und seine Kollegen bundesweit ist die Bewältigung dieser Routineaufgabe jedoch mit etlichen unnötigen Beschwernissen verbunden: »Wir sind jetzt im dritten Corona-Jahr und haben immer noch keine Einzelimpfstoffe.« Bei den Verträgen mit den Herstellern hätte nachverhandelt werden müssen.
Zu schaffen machen den Praxen auch die Auflagen in Bezug auf das Monitoring und die Dokumentation der Covid-Impfung. Nicht nur die Patienten müssen aufgeklärt und im Anschluss an die Immunisierung kurz überwacht werden. Die Impfung ist auch an das Robert-Koch-Institut zu melden. Die Daten dienen der Versorgungsforschung, zeigt die stellvertretende Verbandsvorsitzende, Nicola Buhlinger-Göpfahrt, Verständnis: »Aber die Frage ist immer, wie man diese Daten erhebt.« Sie vermisst etwa einen QR-Code auf den Impfstoffpackungen, den sie einfach in ihr Praxissystem einspeisen könnte. Das Honorar von etwa zehn Euro decke die Kosten nicht.
Zudem ist die Impfung laut der Pforzheimer Ärztin durchaus kein Selbstläufer. »Der Beratungsbedarf ist immer noch groß.« Und das Thema sei komplex: »Für Covid und Influenza trifft zu, dass sich die Erreger verändern. Die Impfung schützt also nicht vor der Ansteckung, sondern sie ist ein Angebot an das Immunsystem, leichter durch die Krankheit zu kommen. Sie kann zum Beispiel verhindern, dass man wegen schwerer Symptome ins Krankenhaus muss.« Die neue Empfehlung der Ständigen Impfkommission für Covid gebe es zudem erst seit wenigen Tagen, aber keine neue Impfkampagne. Was für wen nötig ist, müssten die Hausärzte dann immer wieder von vorn erklären.
Nun ist es aber nicht so, dass die Teams in den Hausarztpraxen zum Herbstanfang däumchendrehend auf Patienten warten. »Wir versorgen andere akut Erkrankte und immer mehr chronisch Kranke – Infekte und Impfungen kommen noch oben drauf. Und wir haben nicht unendlich viele Ressourcen«, sorgt sich Buhlinger-Göpfahrt um die Situation der Allgemeinmediziner. »Der letzte Winter war schon ein Vorgeschmack. Die Versorgung ist am Kippen und wird nur durch unsere Bereitschaft, immer wieder Sonderschichten zu schieben, aufgefangen.«
Zur Stärkung ihrer Teams wünschen sich Beier und Kollegen Zuschläge für qualifizierte Mitarbeiterinnnen, die von den Kassen zu finanzieren wären. In diesem Zusammenhang geht Beier, der selbst in einer Erlanger Praxis arbeitet, auf die von Gesundheitsminister Karl Lauterbach geplanten Gesundheitskioske ein. Für das Projekt gibt es vielerlei Gegenwind von ärztlicher Seite. Beier meint: »Wir haben keine Angst vor den Kiosken. Sie werden uns eher noch mehr Patienten bringen als weniger.«
Ist das Modell mit geplant 1000 Einrichtungen bundesweit erst einmal mit Leben erfüllt, fallen Kosten von 400 Millionen Euro im Jahr an. Was noch schwerer wirkt: »Wir kannibalisieren uns bei dem Personal.« Denn in den Kiosken, in denen vor allem Beratung und Prävention stattfinden sollen, werden Gesundheitsfachkräfte arbeiten, darunter auch medizinische Fachangestellte. Genau diese sind aber auch in den Arztpraxen dringend gefragt. Viele von ihnen sind von ihrer Arbeit zunehmend gestresst und werden auch noch schlecht bezahlt.
Den Hausärzten geht es um grundlegende Strukturreformen. Primärarztzentren könnten ein Zukunftsmodell sein. Diese Teampraxen bekommen bislang nur in Baden-Württemberg Strukturzuschläge. An Umsetzung mangelt es auch beim Masterplan Medizinstudium 2020, in dem es um mehr Praxisnähe in der Ausbildung ging. Wäre dieses Vorhaben direkt bei Verabschiedung vor sieben Jahren angegangen worden, so Beier, »würden im kommenden Jahr die ersten Alumni, die von den Änderungen profitiert hätten, ihre Weiterbildung in unseren Praxen beginnen. Stattdessen warten wir noch immer, während in vielen Regionen die Praxen händeringend nach Nachfolgern suchen.« Bundesweit sind fast 5000 Hausarztstellen unbesetzt. Ein Drittel der Hausärzte ist inzwischen über 60 Jahre alt.
All diese Probleme werden die Mediziner bei ihrem Hausärztinnen- und Hausärztetag an diesem Donnerstag und Freitag in Berlin beschäftigen. Auf der Tagesordnung der 120 Delegierten steht ein entsprechender Forderungskatalog in Richtung Politik.
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