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Union Berlin in der Königsklasse: Nicht wie im Märchen
Die Eisernen verpassen bei Real Madrid die Sensation und suchen noch ihre Form
Am Donnerstagvormittag waren auf dem Flughafen von Madrid viele müde und enttäuschte Anhänger des 1. FC Union zu sehen. Ihre Mannschaft hatte am Mittwochabend bei ihrem Debüt in der Champions League Großartiges geleistet. Bei Real Madrid, dem mutmaßlich größten Verein der Welt, standen die Köpenicker dicht vor einem Punktgewinn.
Auf den zahlreichen Anzeigetafeln im berühmten Estadio Santiago Bernabeu prangte bis kurz vor Ende der fünfminütigen Spielzeit ein 0:0. Dann schlug der Ex-Dortmunder Jude Bellingham doch noch zu. In der 94. Minute staubte Reals neuer Torschütze vom Dienst aus Nahdistanz zum 1:0 ab.
Bald darauf war Schluss. Der Last-Minute-K.o. sorgte für Frust bei den Spielern. »Nach dem Abpfiff habe ich den Fußball kurz gehasst – und gleichzeitig liebe ich ihn über alles«, sagte Verteidiger Robin Gosens. »Ich glaube aber, es ist brutal, wenn du so kämpfst und solch eine Leistung auf den Platz bringst.«
Keine Frage, der Sieg des spanischen Vorzeigevereins war verdient. 75 Prozent Ballbesitz, 32:4 Torschüsse, 16:1 Ecken und 809:263 gespielte Pässe beweisen, dass die Kugel über weite Strecken nur in Richtung des Union-Kastens lief. Die Berliner hätten schon viel früher abgeschossen werden können. Bei Pfostentreffern von Rodrygo (51.) und Joselu (63.) hatte der FCU das Glück auf seiner Seite. Zudem verhinderte Torwart Frederik Rönnow mit mehreren Glanzparaden Einschläge. »Wir sind enttäuscht, weil nur eine Minute gefehlt hat, um einen Punkt aus Madrid mitzunehmen. Wir sind aber auch stolz auf die Leistung der Mannschaft. Wir haben alles aufgewendet, was möglich ist«, sagte Union-Coach Urs Fischer.
Personell konnte Union nicht in Bestbesetzung antreten. Die Defensivspieler Rani Khedira und Robin Knoche fielen verletzt aus, Mittelfeldmann Janik Haberer fehlte gesperrt. Anstelle von Knoche übernahm Leonardo Bonucci die Rolle des Abwehrchefs. Für die Neuverpflichtung von Juventus Turin war es der erste Einsatz für Union überhaupt.
Real wechselte im Verlauf der zweiten Hälfte Ex-Weltmeister Toni Kroos ein, bei Union kamen die Champions-League-Debütanten Aljoscha Kemlein und Paul Jaeckel. An den beiden Letztgenannten lag es nicht, dass Unions erster Zähler in der Königsklasse noch verloren ging. Die Qualitätsunterschiede im Kader wurden von Beginn an deutlich. In Ballbesitz fiel Union kaum etwas ein. »Insgesamt als Mannschaft hätten wir nach der Balleroberung mehr Ruhe haben müssen, um eine einfachere und klarere Lösung zu finden«, meinte Angreifer Kevin Behrens.
Die Spieler suchten nach Anpfiff Trost am Block, in dem ihre Familienangehörigen und Freunde saßen. Gegenüber der Haupttribüne an der rechten Eckfahne fielen die vielen roten Trikots weit abseits des Gästeblocks auf. Schließlich hatten beide Vereine davor gewarnt, in den Heimbereichen mit Union-Klamotten aufzutauchen. Aber überall im weiten Rund waren verstreut Union-Anhänger zu sehen, die mit ihren unabhängig vom Kontingent der rund 4000 regulären Gästetickets besorgten Eintrittskarten wohl keine Probleme beim Stadion-Zutritt hatten.
Die gab es vielmehr im für den Großteil der Berliner Anhänger vorgesehenen Gästeblock weit oben unter dem Dach. Die drei Kontrollen beim Einlass zogen sich bis zu 20 Minuten hin. Dadurch bildete sich ein Stau, der sich vor Spielbeginn nicht aufgelöst hatte. Viele verpassten dadurch neben dem Anpfiff auch den Gänsehaut-Moment, als für die auf dem Rasen stehende Union-Elf erstmals offiziell die Champions-League-Hymne gespielt wurde. Am Ende blieben im Gästeblock sogar rund 300 Plätze leer. Die spanische Polizei, die mit der in Deutschland verbreiteten Fan-Kultur der Zaunfahnen nichts anfangen kann, hatte größere Transparente untersagt. Viele Fanklubs verzichteten daher schweren Herzens auf das Aufhängen.
Den führenden Ultra-Gruppierungen ging das zu weit. Ohne ihre Gruppen-Banner und ihre riesige »Reisekader«-Fahne wollten sie nicht ins Stadion. Und die Ultras, die schon den Gästeblock erreicht hatten, verließen aus Solidarität nach wenigen Minuten wieder das Bernabeu. Das ist eine harte Entscheidung für eines der größten Spiele der Klubhistorie. Ein Stück weit stellt die aktive Szene damit ihre Anliegen über die der Mannschaft und anderer Anhänger von Union. Zum einen war es nicht so laut wie sonst bei Auswärtsspielen. Zum anderen waren Tausende Unioner bei der Ticketverlosung leer ausgegangen, die im Gegensatz zu den Ultras bei der Eintrittskartenvergabe nicht privilegiert sind.
Die Union-Familie erlebte insgesamt nicht den Festtag, der es hätte werden können. Dafür fehlte neben dem positiven Ergebnis bei den Heim-Fans die Stimmung. Unter den offiziell 65 207 Besuchern versteckte sich zu viel Operettenpublikum. Am kommenden Samstag kann Union im Kleinod Alte Försterei wieder für die übliche und gefürchtete Stadionatmosphäre sorgen. Mit dieser sollte gegen die TSG Hoffenheim die nächste Pflichtspielniederlage verhindert werden. Es wäre die vierte in Folge.
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