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Bezirke in Berlin: Finanzkrise im Kleinen
Nach Friedrichshain-Kreuzberg und Mitte verhängt auch Neukölln eine Haushaltssperre
Die Luft wird dünner: Nach den Bezirken Friedrichshain-Kreuzberg und Mitte kündigt auch das Bezirksamt Neukölln an, eine Haushaltssperre zu verhängen. Damit dürfen bis Ende des Jahres keine neuen Ausgaben getätigt werden. Ausgenommen sind davon allerdings Ausgaben für bereits begonnene Bauprojekte sowie Neueinstellungen bei den Bezirksämtern, die chronisch unter Personalmangel leiden. Auch für sogenannte Pflichtaufgaben der Bezirke wie beispielsweise das Ausstellen von Pässen oder bestimmte bezirklich vergebene Transferleistungen können weiter neue Ausgaben veranschlagt werden. Bei dem breiten Bereich der sogenannten freiwilligen Aufgaben wie Sportplätze, Grünanlagen oder Kultur- und Jugendeinrichtungen dürfen allerdings keine neuen Ausgaben getätigt werden.
Ein »Alarmsignal« nennt Jochen Biedermann (Grüne), Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung im Bezirk Neukölln, die Sperre. »Der Bezirk befindet sich in einer sehr schwierigen finanziellen Situation«, sagt er. Mit der Haushaltssperre solle verhindert werden, dass der Bezirk am Jahresende einen negativen Jahresabschluss vorlegen muss. Sonst drohe, dass im neuen Jahr mit sogenannten Minderausgaben gearbeitet werden müsse. Dann müsste im laufenden Betrieb gespart werden. »Das hätte dramatische Konsequenzen«, sagt Biedermann.
Mit den Haushaltssperren verschärft sich ein bereits seit Monaten schwelender Konflikt zwischen Bezirken und Senat. Die Bezirke stoßen zunehmend an ihre finanziellen Grenzen. In vielen Bereichen sind die Kosten stark angestiegen. »Es liegt an der Gesamtentwicklung der Preise«, sagt Clara Herrmann (Grüne), Bezirksbürgermeisterin in Friedrichshain-Kreuzberg. Bei den Energiekosten und vom Bezirk angemieteten Objekten seien die laufenden Kosten deutlich höher, als es im Haushalt veranschlagt worden war. Auch die Ausgaben für die Wiedereingliederungshilfe seien gestiegen. Dazu kämen Nachzahlungen etwa bei der Unfallversicherung von Schülern, die sich allein auf mehr als eine halbe Million Euro beliefen.
Ähnlich wie im Bezirk Neukölln liegt auch in Friedrichshain-Kreuzberg der prognostizierte Fehlbetrag bei etwa neun Millionen Euro. Der Bezirk will laut Herrmann nun bei Neuanschaffungen und Veranstaltungen sparen. Herrmann selbst hat aber Zweifel, dass dies genügen wird: »Ich glaube, dass wir am Ende ein Defizit haben werden.« Man versuche aber, die Höhe dieses Defizits möglichst gering zu halten.
Weil Berlin Bundesland und Kommune zugleich ist, werden die Bezirke zum übergroßen Teil aus dem Landeshaushalt finanziert. Eigene Einnahmen, etwa aus der Parkraumbewirtschaftung, machen nur einen kleinen Teil der Bezirkshaushalte aus. Zuletzt belief sich der Globalzuschuss durch das Land auf insgesamt etwa zehn Milliarden Euro. Im Frühsommer hatten die Bezirke Alarm geschlagen, dass diese Mittel nicht mehr ausreichten. Der Bezirk Neukölln legte öffentlichkeitswirksam eine Liste von bezirklichen Angeboten vor, die entfallen würden, falls der Zuschuss nicht steige. Unter anderem seien Jugendfreizeiteinrichtungen und Angebote für Obdachlose bedroht.
Nach dem Protest kündigte Finanzsenator Stefan Evers (CDU) an, die Bezirke besser unterstützen zu wollen. Mit dem neuen Doppelhaushalt sollen die Zuschüsse jetzt auch um weitere hundert Millionen Euro steigen. Nur: Es gibt große Zweifel, ob das genügen wird.
»Das ist ein guter Anfang, aber noch nicht genug«, sagt der Neuköllner Bezirksstadtrat Jochen Biedermann. Eigentlich müssten die Mittel um 250 Millionen Euro steigen, um das aktuelle Niveau an Angeboten halten zu können. Der Doppelhaushalt sehe zudem nur vor, dass der Zuschuss um einen Inflationsausgleich von zwei Prozent im Jahr steigen soll. Die reale Inflationsrate lag in Berlin zuletzt allerdings bei 6,3 Prozent, nachdem die Preise im vergangenen Jahr bereits stark angestiegen waren. Der Doppelhaushalt wird aktuell im Abgeordnetenhaus debattiert. »Ich hoffe, dass da noch etwas passiert«, sagt Biedermann.
Er verweist auf die »strukturelle Unterfinanzierung« der Bezirke. Die im Globalzuschuss abgebildeten Mittel seien real nicht verfügbar. Ein Großteil der Gelder werde für gesetzliche Pflichtaufgaben wie den Betrieb von Kitas aufgewendet, über die der Bezirk nicht entscheiden könne. »Das läuft bei uns nur durch«, sagt Biedermann. Dazu kommen Personalkosten und Ausgaben, die sich aus vertraglichen Verpflichtungen ergeben und ebenfalls nicht frei verfügbar sind. Von der einen Milliarde Euro, die der Bezirk nominell im Haushalt führt, stünde dem Bezirk so real nur ein »niedriger zweistelliger Millionenbetrag« tatsächlich zur freien Verfügung.
»Es stimmt nicht, dass wir einen riesigen Gesamthaushalt zur Verfügung haben«, sagt auch die Friedrichshain-Kreuzberger Bezirksbürgermeisterin Clara Herrmann. »Gebundene Ausgaben« würden auch hier die Spielräume massiv einschränken. Hinzu komme, dass die Bezirke auch unter Kürzungen bei Landesprogrammen wie der Förderung von Musikschulen leiden. Sie findet, dass der Umstand, dass die Bezirke zahlreiche Aufgaben für das Land übernehmen, von Landespolitikern nicht immer ausreichend geschätzt werde. »Wenn man von einem funktionierenden Berlin spricht, dann muss man auch sagen, wie man die Bezirke entsprechend ausstattet.«
Herrmann will daher auch die Diskussion um die von Schwarz-Rot angestrebte Verwaltungsreform nutzen, um über die Lage der Bezirke zu sprechen. Man müsse debattieren, welche Aufgaben die Bezirke weiter übernehmen sollen und welche Mittel ihnen dafür zur Verfügung gestellt werden. »Es muss da ein Commitment geben«, sagt sie. Die Bezirke dürften nicht das »Sparschwein« des Senats sein. »Man kann uns nicht immer mehr Aufgaben auferlegen, aber zu wenig Geld zur Verfügung stellen.«
Langfristig dürfte die Lage kaum besser werden. Finanzsenator Stefan Evers hat bereits angekündigt, dass das Land Berlin ab 2027 erhebliche Sparmaßnahmen wird vornehmen müssen. Dies könnte auch die Bezirke treffen. Der Neuköllner Bezirksstadtrat Biedermann warnt vor den Auswirkungen: »Bald werden es die Menschen es im Alltag spüren«, sagt er.
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