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Armenier Berg-Karabachs müssen wählen »zwischen Koffer und Sarg«
Die armenische Bevölkerung in Berg-Karabach fürchtet die Vertreibung aus dem Gebiet
Der kurze Krieg ist beendet, jetzt beginnt die Abrechnung: Der aserbaidschanische Präsident Ilham Aliyew präsentierte sich selbstbewusst im Fernsehen und verkündete offiziell den Sieg seiner Armee über die Armenier im Gebiet Berg-Karabach. In der eintägigen Militäroperation habe Aserbaidschan seine Herrschaft über das Gebiet im Südkaukasus wiederhergestellt, sagte er in einer Fernsehansprache in Baku. Der Einsatz, den er verklärend »Antiterroroperation« nannte, sei beendet, illegal in Karabach stationierte armenische Truppen seien vernichtet worden. Die Karabach-Armenier fürchten nun die Vertreibung. Doch Präsident Alijew bemühte sich, halb Staatsmann, halb Märchenonkel, sie zu beruhigen: Sie würden bald eine Wende zum Besseren erleben, erzählte er den Fernsehzuschauern.
Wie diese Wende aussehen soll, bleibt im Vagen. Für die Armenier in Berg-Karabach ist eine Welt zusammengebrochen: Über 30 Jahre haben sie sich eingerichtet in ihrer Region, die völkerrechtlich zu Aserbaidschan gehört, sich 1991 für unabhängig erklärt, ein eigenes Staatswesen aufgebaut hat, das niemand auf der Welt anerkennt, und waren sich der Unterstützung durch die Republik Armenien sicher. Deren Soldaten hielten die aserbaidschanische Armee lange in Schach – bis zum Herbst 2020: In einem sechswöchigen Krieg mit über 7000 getöteten Soldaten eroberte Aserbaidschan rund ein Drittel des ehemaligen autonomen Gebiets Berg-Karabach, wie es zu Zeiten der Sowjetunion bestand, zurück – und holte sich jetzt den Rest.
Niemand weiß, wie es weitergehen soll zwischen Armeniern und Aserbaidschanern. Einen Tag nach dem vorläufigen Ende der Kämpfe um Berg-Karabach führten Vertreter Aserbaidschans am Donnerstag Gespräche mit armenischen Vertretern aus Berg-Karabach in der aserbaidschnaischen Stadt Jewlach. Die staatliche aserbaidschanische Nachrichtenagentur Asertag veröffentlichte Fotos von sechs an einem Tisch sitzenden Männern, darunter ein Vertreter Berg-Karabachs. Als Vermittler anwesend waren demnach auch in der Region stationierte russische Soldaten. Besprochen worden seien unter anderem »Fragen der Wiedereingliederung der armenischen Bevölkerung Karabachs« in den aserbaidschanischen Staatsverband, teilte die Präsidialverwaltung des autoritär geführten Aserbaidschan am Donnerstag mit. In Kürze solle es ein weiteres Treffen geben.
Nicht wenige Beobachter warnen vor der Vertreibung der Armenier aus Berg-Karabach und vor einem Massenexodus in die kleine Republik Armenien. Tigrane Yegavian, Forscher am Christlichen Orient-Institut in Paris, fürchtet gar eine »ethnische Säuberung«, die sich gegen die armenische Mehrheit in Berg-Karabach richten wird. »Es wird keine kulturelle Autonomie geben«, sagte er der Nachrichtenagentur AFP. Die armenischen Einwohner hätten künftig »die Wahl zwischen Koffer und Sarg«. Baku beteuert hingegen, dass Armenier und Aserbaidschaner einträchtig Seite an Seite in Berg-Karabach leben würden. Die Realität sieht jedoch anders aus: Vor Ort stationierte russische Soldaten hätten bislang rund 5000 Karabach-Armenier aus besonders gefährlichen Orten der belagerten Region herausgebracht, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau am Donnerstag mit. Zuvor hatte auch der Menschenrechtsbeauftragte der international nicht anerkannten Republik Berg-Karabach, Gegam Stepanjan, von der Evakuierung mehrerer Ortschaften gesprochen.
Die EU fordert nach dem Militäreinsatz in Berg-Karabach Sicherheitsgarantien für die dort lebenden Armenier. EU-Ratspräsident Charles Michel habe in einem Telefonat mit dem aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Aliyew deutlich gemacht, dass dessen Land sicherstellen müsse, dass ethnische Armenier respektiert würden und eine Zukunft in Aserbaidschan hätten, sagte ein ranghoher EU-Beamter am Donnerstag laut der Nachrichtenagentur dpa. Für diejenigen, die Berg-Karabach verlassen wollten, müssten Bedingungen für eine sichere und freiwillige Ausreise geschaffen werden. Dem EU-Beamten zufolge hat Aliyew eine internationale Vermittlung abgelehnt und nochmals bekräftigt, dass der Militäreinsatz gerechtfertigt gewesen sei. Aserbaidschan würde eine Amnestie für diejenigen in Erwägung ziehen, die ihre Waffen niedergelegt hätten.
Die Mittel, die die Regierung in Aserbaidschan genutzt habe, hält die EU dem EU-Beamten zufolge zwar für »inakzeptabel«, doch Sanktionen sind offenbar noch kein Thema, denn: Die EU will die Gasgeschäfte mit dem Land weiter ausbauen, um sich unabhängig von russischer Energie zu machen. Nach einer im Sommer 2022 von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Präsident Aliyew unterzeichneten Absichtserklärung soll die Liefermenge ab 2027 mindestens 20 Milliarden Kubikmeter pro Jahr betragen. Mit Agenturen
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