Lieber alle Impfungen gegen Corona wieder auffrischen

Zwar ist der neue Corona-Impfstoff da, doch unklare Informationen halten Ärzte zurück

  • Kirsten Achtelik
  • Lesedauer: 4 Min.
Eine sinnvolle Betätigung bevor man Menschen trifft: Erstmal einen Corona-Test machen.
Eine sinnvolle Betätigung bevor man Menschen trifft: Erstmal einen Corona-Test machen.

Seit Montag sind in Deutschland neue angepasste Impfstoffe gegen die aktuellen Coronavarianten verfügbar. Der erste Herbst ohne Schutzmaßnahmen lässt auch das Ansteigen weiterer Atemwegserkrankungen befürchten.

Die nächste Corona-Welle rollt pünktlich zum kalendarischen Herbstbeginn: Auch Finanzminister Christian Lindner und Verteidigungsminister Boris Pistorius haben sich mit Corona infiziert und mussten in dieser Woche Termine absagen. Seit einigen Wochen registrieren die Labore wieder mehr Covid-Infektionen. Mit einer sehr verminderten Test-Infrastruktur und wenig Aufklärung über die aktuellen Symptome sind die Zahlen jedoch nicht mit denen des vergangenen oder vorvergangenen Jahres zu vergleichen.

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Anlässlich seiner eigenen Auffrischungsimpfung sagte Gesundheitsminister Karl Lauterbach am Montag, es gebe bereits eine breite Immunität in der Bevölkerung. Daher seien keine Infektionsschutzmaßnahmen nötig – vorerst. Der Gesundheitsminister setzt auf Appelle, Mahnungen und Eigenverantwortung: »Ich gehe davon aus, dass die Gesellschaft sich verantwortungsvoll verhält«, sagte er.

Der Vizepräsident des Robert Koch-Instituts Lars Schaade sagte, die Lage lasse sich gerade gut einschätzen. Auch durch verschiedene Erkältungserreger wie RSV werde es aber wieder zu Krankheitswellen kommen. Gegen das Respiratory Syncytial-Virus (RSV), das im vergangegenen Winter vor allem Kindern schwer zu schaffen machte, gibt es erstmals zwei Impfstoffe sowie ein neues Antikörper-Präparat. Bei Symptomen von Atemwegserkrankungen solle man drei bis fünf Tage zu Hause bleiben, erinnerte Schaade.

Der Corona-Impfstoff von Biontech ist angepasst auf XBB.1.5, einer Subvariante von Omikron. Zwar kursieren längst auch neue Varianten, wie EG.5 und XBB.1.16. zuletzt tauchte auch die stark mutierte Subvariante Pirola in Deutschland auf. Der neue Impfstoff scheint ersten vorläufigen Labordaten zu Folge auch gegen diese Varianten zu schützen.

Doch wer soll sich überhaupt eine Auffrischungs-Impfung holen? Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt diese nur für Menschen ab 60 Jahren und Vorerkrankte sowie für Menschen mit arbeitsbedingt erhöhtem Infektionsrisiko. Sie sollten ihre Immunisierung einmal im Jahr auffrischen. Als Vorerkrankte gelten etwa Menschen mit einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung, chronischen Herz-Kreislauf-, Leber- oder Nierenerkrankungen, Diabetes oder einer HIV-Infektion. Auch Menschen mit einem eingeschränkten Immunsystem nach einer Organtransplantation oder während einer Krebsbehandlung gehören dazu.

Für alle anderen reichen laut Stiko drei Kontakte mit Sars-CoV-2 – darunter mindestens zwei durch Impfung. Diese »Basisimmunität« biete Erwachsenen einen ausreichenden Schutz vor schweren Verläufen. Für Kinder und Jugendliche ohne Vorerkrankungen ist nicht einmal das vorgesehen. Zwischen dem letzten Kontakt mit dem Virus und einer erneuten Impfung sollen zudem laut Stiko mindestens zwölf Monate liegen. Das bedeutet, dass es keine erneute Schutzimpfung für jene geben soll, die sich in der Zwischenzeit angesteckt hatten. Ein Zeitraum, der in Zeiten ohne Schutzmaßnahmen für viele unrealistisch sein dürfte.

Ärzt*innen sind nicht an die Empfehlungen der Stiko gebunden, sie können nach ihrem eigenen medizinischen Ermessen impfen und diese Leistung mit der Kasse abrechnen. In der letzten Woche häuften sich Berichte von Personen, deren Ärzte*innen gar nicht mehr impften oder dies privat bezahlt haben wollten.

Die Initiative »Bildung aber sicher« setzt sich für mehr Infektionsschutz in Schulen und Kitas ein und informiert vor allem über X (vormals Twitter) zu Impfthemen. Yvonne Peters von der Initiative sagt im Gespräch mit »nd«, alleine in dieser Woche hätten sie 500 Anfragen zu Ärzt*innen bekommen, die auch jenseits der Stiko-Empfehlungen impfen würden: »Das hatten wir so noch nie!« In den vergangenen Jahren seien vor allem Eltern für ihre Kinder auf der Suche nach impfwilligen Ärzt*innen gewesen, jetzt seien es auch viele Erwachsene.

Viele Arztpraxen seien schlecht informiert, sie würden den organisatorischen Aufwand scheuen oder fürchteten Regressansprüche. Daher seien einige Ärzte dazu übergegangen, Privatrechnungen zu stellen. Diese können die Patient*innen zwar bei ihren Krankenkassen zur Erstattung einreichen, das finanzielle Risiko liegt jedoch bei ihnen und nicht bei den Ärzt*innen. »Einigen Praxen haben die Kassen bereits das Budget gekürzt, weil sie angeblich zu viel impfen«, kritisiert Peters. »Verständlich, wenn da Verunsicherung entsteht«, meint sie.

Manche Praxen orientieren sich jedoch auch an den Empfehlungen der US-amerikanischen CDC. Diese rät, ausnahmslos alle Personen über sechs Monate zu impfen, da auch gesunde Kinder und Erwachsene schwer an Covid erkranken könnten. Vermutet wird zudem, dass eine Auffrischung der Immunität auch das Risiko für Long Covid senkt.

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