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Berlins Innensenatorin Iris Spranger: Hausverbot für Top-Beamtin
Spranger will Sport-Staatssekretärin Böcker-Giannini aus dem Amt schassen
Viele Mitarbeiter der Senatsinnenverwaltung, die am Mittwoch aus dem verlängerten Wochenende an ihre Arbeitsstelle zurückkehren, werden feststellen müssen, dass sie während der freien Tage ihre Vorgesetzte verloren haben. Nicht nur das – die formal noch amtierende Chefin hat nun auch Hausverbot und ist im IT-System gesperrt. So geschieht es aktuell mit Nicola Böcker-Giannini (SPD), der bisherigen Staatssekretärin für Sport. Am Montag wurde bekannt, dass Innensenatorin Iris Spranger (SPD) die promovierte Heilpädagogin und Sportlehrerin von ihren Aufgaben entbinden will. Zunächst hatte der »Tagesspiegel« über den Vorgang berichtet. Ein Brief von Böcker-Gianninis Anwalt bestätigte die Berichte kurz darauf. Böcker-Giannini will demnach die Kündigung nicht hinnehmen und plant rechtliche Schritte.
Was vor diesem Zerwürfnis geschehen ist, ist undurchsichtig. Ausgangspunkt des Streits scheint jedoch zu sein, dass Spranger mit Böcker-Gianninis Management der Männerfußball-Europameisterschaft im kommenden Jahr unzufrieden war. Das Turnier wird 2024 in Deutschland stattfinden, im Berliner Olympiastadion sollen sechs Spiele, darunter das Finale, angepfiffen werden. Zuletzt soll sich herausgestellt haben, dass die Kosten für die Pläne deutlich höher lägen, als zunächst einkalkuliert worden war. Nachdem der Versuch eines klärenden Gesprächs am Freitag gescheitert war, verbot Spranger Böcker-Giannini, ihre Amtsgeschäfte weiter fortzuführen. Eine Abteilungsleiterin soll ebenfalls gehen müssen.
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Auch wenn das Verhältnis Sprangers zu ihrer Staatssekretärin schon länger als belastet galt, kommt der Schritt doch überraschend. Vor wenigen Tagen hatte Böcker-Giannini noch regulär gearbeitet, jetzt kann sie nicht mal ihre Sachen aus dem Büro holen. Böcker-Giannini war 2021 noch im alten, rot-grün-roten Senat Staatssekretärin geworden und behielt den Posten auch nach dem Regierungswechsel zu Schwarz-Rot. Spranger hatte sie allerdings nicht selbst ins Führungsteam der Innenverwaltung geholt, sondern SPD-Landeschef Raed Saleh soll die ihm und Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) nahestehende vormalige Abgeordnete auf den Posten gehievt haben. Spranger selbst, die als Abgeordnete vor allem zu Wohnungs- und Finanzfragen gearbeitet hatte, war am Verhandlungstisch zur Innensenatorin aufgestiegen. Mit der Ex-Finanzstaatssekretärin aus Marzahn-Hellersdorf waren die Ost-SPD-Kreisverbände im Senat repräsentiert.
Auf einen grünen Zweig scheint die Zwangsgemeinschaft in der Führungsebene der Innenverwaltung danach nie wirklich gekommen zu sein. Spranger scheint dabei nicht nur mit Böcker-Giannini aneinandergeraten zu sein: Bereits im Februar, während der Sondierungen nach der Wiederholungswahl, hatte sie den für öffentliche Sicherheit zuständigen Staatssekretär Torsten Akmann (SPD) entlassen. Nicht anders als Böcker-Giannini galt Akmann als versierter Fachmann in seinem Gebiet, aber auch als eigenwillig und liberal im Umgang mit den eigenen Zuständigkeiten. Mit Spranger soll er zuletzt in einem tiefen Streit gelegen haben, der wohl eher persönlicher als politischer Natur war. Auf Akmann folgte der Abgeordnete Christian Hochgrebe (SPD) als Staatssekretär.
Ob es bei Böcker-Giannini nun ebenso schnell gehen wird, ist unklar. Spranger kann sie nicht selbst in den vorläufigen Ruhestand versetzen, dafür braucht es einen Senatsbeschluss. Einen Anwalt hat Böcker-Giannini sich bereits genommen – und auch bei ihm handelt es sich um einen ehemaligen Untergebenen von Spranger, den Ex-Chief Digital Officer Ralf Kleindiek, der bis 2023 auf der einem Staatssekretär gleichgestellten Position in der Innenverwaltung die Verwaltungsreform bearbeitete. In einem Schreiben, aus dem mehrere Medien zitieren, verweist Kleindiek auf die Hürde für die Entlassung seiner Mandantin: »Frau Spranger könnte allenfalls beim Regierenden Bürgermeister anregen, dass ein entsprechender Senatsbeschluss gefasst wird«, schreibt er.
Dass Böcker-Giannini die Sache noch nicht als beendet sieht, wird in Kleindieks Schreiben deutlich. »Meine Mandantin wird nicht hinnehmen, dass ihre persönliche und berufliche Integrität durch das Vorgehen von Frau Innensenatorin Spranger beeinträchtigt wird«, schreibt er laut »RBB«. Das Verbot, die Amtsgeschäfte zu führen, hält Kleindiek für rechtswidrig. Dies sei nur möglich, wenn der »Dienstbetrieb erheblich beeinträchtigt würde«. Dies sei bei Böcker-Giannini aber nicht der Fall. Parallel lässt Böcker-Giannini über Verbündete in der SPD streuen, dass Spranger selbst zu den Kostensteigerungen bei der Europameisterschaft beigetragen habe. So habe sie auf kostspielige PR-Aktionen bestanden – um sich selbst in den Vordergrund spielen zu können, wie innerparteiliche Gegner ihr vorwerfen.
Als Nachfolger für Böcker-Giannini soll Spranger schon einen Reinickendorfer SPD-Politiker vorgesehen haben. Doch es könnte schwierig werden, dies durchzusetzen. Offenbar besteht die SPD-Landesführung darauf, dass der Posten erneut mit einer Frau besetzt wird, um das Geschlechterverhältnis im Senat nicht durcheinanderzubringen. Beim Koalitionspartner CDU soll der Wechsel in der Führungsebene mitten in den Doppelhaushaltsverhandlungen nicht gerade auf Begeisterung stoßen.
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