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Linker Populismus für eine grüne demokratische Revolution

Chantal Muffe beschreibt in ihrem neuen Buch, warum linker Populismus es so schwer hat, gegen rechten Populismus anzukommen

  • Gerhard Klas
  • Lesedauer: 3 Min.

Früh erkannte die belgische Politikwissenschaftlerin Chantal Mouffe in den multiplen Krisen unserer Zeit ein »populistisches Moment«. Dass es fortschrittliche, linke Politik da schwer hat, sich Gehör zu verschaffen, sei nicht zuletzt darin begründet, dass deren Protagonisten ausschließlich auf die Kraft des besseren Arguments setzen. So ihre These.

Wie kann man die Gesellschaft für soziale Gerechtigkeit und ökologische Ziele mobilisieren? Faktisches Wissen allein reicht da nicht, benötigt wird vielmehr ein linker Populismus, meint Chantal Mouffe, Professorin für politische Theorie an der Westminster University in London. Vernunft werde als Triebkraft für kollektives Handeln völlig überschätzt.

Diese These ist nicht neu. Ähnliches hatte Mouffe bereits 2018 in ihrem Buch über die Notwendigkeit eines »linken Populismus« vertreten. Dann aber musste sie ernüchtert feststellen, dass rechte Parteien den Populismus viel erfolgreicher genutzt haben als linke. Den Grund sieht Mouffe darin, dass Rechtspopulisten und autoritäre Neoliberale geschickt Gefühle manipulieren und das Sicherheitsbedürfnis der Menschen ausbeuten.

Der für eine populistische Strategie charakteristische Gegensatz von »Volk« und »Establishment« lasse sich auf sehr unterschiedliche Weise konstruieren. Nicht nur Chantal Mouffe macht eine deutliche Differenz zwischen linkem und rechtem Populismus aus. Der von Politikern und Medien gern bemühten, wissenschaftlich aber höchst umstrittenen Hufeisentheorie, die rechts und links mehr oder weniger gleichsetzt, kann sie gar nichts abgewinnen. Denn linker Populismus tritt für egalitäre, universalistische Werte ein; rechter Populismus hingegen gründet auf Ressentiments, teilt mit seinem ethno-nationalistischen Ansatz Menschen in wertvollere und weniger wertvolle ein und rechtfertigt so Ausgrenzung, soziale Ungleichheit, Ausbeutung und Rassismus.

Der neoliberale politische Mainstream, das steht für Chantal Mouffe fest, steckt heute in einer Sackgasse: Der Kapitalismus könne nicht einmal mehr die Illusion eines gerechten, geschweige denn eines ökologischen Wachstums hervorbringen. Eine Zäsur stellt für die Autorin die Corona-Pandemie dar, der sie viele Zeilen widmet. Sie ist eher pessimistisch gestimmt, was deren politische Auswirkungen angeht. Denn die Pandemie habe ein allgemeines Gefühl der Verletzlichkeit hervorgebracht und damit ein Gefühl, auf das Rechtspopulisten gerne mit exklusivem Nationalismus reagieren, um eine Illusion der Sicherheit zu erzeugen.

Aber nicht nur Rechtspopulisten nutzen die Gelegenheit in ihrem Sinne: Auch der Neoliberalismus und die großen Technologie-Konzerne verbuchen seitdem im Verbund mit Regierungen immer mehr Erfolge bei ihren Versuchen, einen autoritären digitalen Neoliberalismus voranzubringen. Ihr Rezept: Kontrolle, Überwachung und technologische Lösungen gegen jegliche Art von Unsicherheiten, egal ob Pandemie, Klimawandel oder wirtschaftlicher Niedergang. Nicht zu vergessen der Krieg, dem Chantal Mouffe ein Postskriptum widmet.

Anders als der Buchtitel »Eine grüne demokratische Revolution« suggeriert, wird die ökologische Frage nur im letzten Teil des Buches behandelt. Entgegen ihrem eigenen Anspruch beschreibt Chantal Mouffe hier zwar die objektive Faktenlage und erteilt einem unendlichen Wirtschaftswachstum eine klare Absage, spricht von der notwendigen Begrenzung des fossilen Kapitalismus durch staatliche Maßnahmen. Das ist alles richtig, aber nicht mitreißend. Eine Strategie für einen linken Populismus wird nicht wirklich greifbar. Auch bei ihr dominiert der Ansatz, ausschließlich mit der Kraft des besseren Arguments zu überzeugen. Sie betont zu Recht, die Rationalität an sich nicht infrage stellen zu wollen.

Die Politikwissenschaftlerin erwähnt allerdings Massenbewegungen, die als Beispiele für den Ansatz eines linken Populismus dienen könnten: die Black-Lives-Matter-Bewegung in den USA und die der Gelbwesten in Frankreich. Um ihre Ausgangsfrage mit dem französischen Soziologen Pierre Bourdieu zu beantworten, den sie in ihrem Buch zitiert: Menschen kämpfen gegen verschiedene Formen der Unterdrückung, die sie in ihrem Alltag erfahren – nicht für die Verwirklichung abstrakter Ideen.

Chantal Mouffe: Eine grüne demokratische Revolution. A. d. Engl. v. Ulrike Bischoff. Suhrkamp, 99 S., geb., 16 €.

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