- Wirtschaft und Umwelt
- Seifenkollektiv Viome
Bulldozer gegen Selbstverwaltung in Griechenland
In Griechenland ist die Seifen-Kooperative Viome erneut existenziell bedroht
Zehn Jahre nach dem Start der selbstverwalteten Seifen- und Reinigungsmittelgenossenschaft Viome ist die Existenz der besetzten Fabrik in der nordgriechischen Hafenstadt Thessaloniki erneut bedroht. Im September wurde sie von der Polizei und den Anwälten des griechisch-südafrikanischen Geschäftsmannes Kyriakos Anastasiadis umstellt. Dessen Immobilienfonds Acsion hatte Anfang dieses Jahres das Fabrikgelände gekauft; er plant ein neues Einkaufszentrum und Bürogebäude zu errichten. Für Unterstützer*innen der Genossenschaft bedeutet das Vorgehen des Eigentümers, dass die Auseinandersetzung um den Erhalt der selbstverwalteten Fabrik in die nächste Runde geht.
Die Signale der aktuellen Bedrohungslage gingen schon seit Mitte September ein, als Anastasiadis mitteilte, dass große Teile des Grundstücks eingezäunt und unter seine Kontrolle gebracht werden sollten. Der Plan sah vor, die Arbeiter*innen der selbstverwalteten Fabrik in einen Lagerschuppen abzudrängen – ein Raum, der weder über Strom noch über eine Toilette verfügt.
Wenig später fand am 20. September ein erster Polizeieinsatz in diesem Zusammenhang statt. Bulldozer, Baumaschinen und eine kleine Polizeieinheit rückten an, um den Zaun auf dem Gelände zu bauen. Allerdings waren Protestierende sofort zur Stelle und blockierten den Eingang zur Fabrik. Lediglich ein Bagger schaffte es, einen Durchgang zum Grundstück zu öffnen. Die linke Tageszeitung »Efimerida ton Syntakton« (Zeitung der Redakteure) schrieb dazu, es sei »eine Kerbe in die schweißtriefenden Bemühungen der Arbeiter, weiterzuarbeiten und seit einem Jahrzehnt einen ehrlichen Lebensunterhalt zu verdienen«.
Laut Manfred Neugroda zielt der neue Eigentümer darauf ab, »die Bedingungen für Viome auf dem Gelände zu verschlechtern.« Neugroda ist beim Griechenland-Solidaritätskomitee Köln aktiv, eine Gruppe, die das Projekt seit Beginn von Deutschland aus unterstützt. »Eine komplette Vertreibung ist bisher nicht erkennbar«, erklärte er. Das Vorgehen der Grundeigentümer und die Polizeieinsätze deuten ihm zufolge aber darauf hin, »dass sie den Betrieb einschnüren wollen«.
So tauchten am 26. September erneut Polizeikräfte vor dem Grundstück auf, diesmal in größerer Zahl. Sie begleiteten den neuen Eigentümer – wieder mit dem Ziel, das Gelände einzuzäunen. Doch auch der zweite Einsatz wurde von Aktivist*innen behindert. Seitdem sind die Beschäftigten und solidarische Menschen ständig vor Ort, und die Mobilisierung geht täglich weiter, während zahlreiche Aktionen und Veranstaltungen geplant sind. Mitte Oktober findet auf dem Gelände ein Solidaritätsfestival statt.
Währenddessen laufen Verhandlungen der Arbeiter*innen mit dem neuen Eigentümer, wie Neugroda vom Solidaritätskomitee aus Köln mitteilte. Gegenüber »nd« sagte Makis Anagnostou von Viome dazu, es sei »wichtig, mit dem Widerstand an den Toren seine Zähne zu zeigen, um in den Verhandlungen eine Position der Stärke zu haben. Jetzt gilt es, durchzuhalten und abzuwarten.«
Die Genossenschaft war 2013 gegründet worden, nachdem die Vorgängerfirma Insolvenz angemeldet hatte und die Arbeiter*innen nicht mehr bezahlt wurden. Knapp 40 von ihnen beschlossen daraufhin, die Seifenfabrik selbstverwaltet zu betreiben, um das Unternehmen zu erhalten. Daran sind bis heute über 20 Personen beteiligt.
Vor ihrer Übernahme durch die Arbeiter*innen war Viome 1982 als eine von drei Tochterfirmen der Filkeram AG gegründet worden, die der Familie Filippou gehört. Die Fabrik stellte chemische Baumaterialien wie Fugenkleber für den Bausektor her und lieferte Produkte nach ganz Griechenland und ins benachbarte Ausland. Im Mai 2011 musste sie Konkurs anmelden; die Familie Filippou und die restlichen Aktionäre der Filkeram-Johnson-Gruppe gaben die Fabrik und die Produktionsmittel, die noch vor Ort waren, auf.
Vor dem Hintergrund der Insolvenz war Anfang dieses Jahres das 140 Hektar große Grundstück, auf dem sich die besetzte Fabrik befindet, für nur 9 Millionen Euro an den südafrikanischen Fonds Acsion verkauft worden. Dessen Wert wurde noch 2016 auf über 30 Millionen Euro geschätzt.
Seit Beginn der Besetzung erfährt das Projekt große internationale Solidarität. Viome könne auch weiterhin durch den Kauf der Produkte unterstützt werden, sagt Neugroda vom Kölner Solidaritätskomitee und verweist dazu auf deren Homepage.
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