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Nach Femizid in Duisburg: Auf die Straße gegen die Angst
Schon fast 90 Femizide 2023 in Deutschland
Fast jeden Tag sind in Lokalradios und -zeitungen Meldungen zu hören und zu lesen, in denen etwa von einer »Beziehungstat« die Rede ist. Oft geht es sogar noch nüchterner – von einer Festnahme nach einem »Tötungsdelikt« ist dann die Rede. In den Pressemitteilungen von Polizei und Staatsanwaltschaft ist dazu oft zu lesen, dass ein »Streit« der Tat vorausgegangen sei.
Der Duden erklärt den Begriff »Streit« als »heftiges Sichauseinandersetzen, Zanken [mit einem persönlichen Gegner] in oft erregten Erörterungen, hitzigen Wortwechseln, oft auch in Handgreiflichkeiten«. Das klingt nach etwas Gegenseitigem, wo jede*r gewinnen kann. Bei »Beziehungsstreitigkeiten«, wie die Duisburger Polizei zu einer Tat von Sonntag schreibt, ist das nicht der Fall. Es ist ein Femizid. Wie es schon fast 90 weitere in diesem Jahr gab. Tödliche Attacken auf Frauen, weil sie Frauen sind. Taten, die von Partnern, Ex-Partnern, Verwandten oder aus sexueller Motivation begangen werden.
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Die Kampagne »Femizide stoppen« zählt solche Taten. Allein im September sind 15 auf ihrer Instagram-Seite mit Quellen aufgelistet. Für das Jahr 2023 registriert sie bisher 86. Zehn Taten mehr als im selben Zeitraum im vergangenen Jahr, wie die Zentrale Informationsstelle Autonome Frauenhäuser meldet. Die Informationsstelle kritisiert, dass Frauen, »nicht zuletzt aufgrund mangelnder Frauenhausplätze, auf unendlich viele Hürden« stoßen und so in »gefährlichen Partnerschaften« verharren müssten und sich nicht lösen könnten.
Noch nicht in die Zählung eingeflossen ist die 19 Jahre alte Frau, die am Sonntag in Duisburg-Vierlinden getötet wurde. Ihr 25-jähriger Ehemann hat die junge Frau und das gemeinsame Baby erst angefahren, ist dann ausgestiegen und hat weiter auf die Frau eingeschlagen und -getreten. Zeug*innen hielten den Täter bis zum Eintreffen der Polizei fest. Die sprach von einer »Brutalität«, die man selten erlebe. Der 25-jährige wurde in Untersuchungshaft genommen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Mord und versuchten Mordes. Das 17 Monate alte Baby wurde bei der Tat schwer verletzt und schwebt in Lebensgefahr.
Die brutale öffentliche Tat wollte die junge antikapitalistische Frauengruppe »Zora« nicht unkommentiert lassen. Für Mittwochabend rief sie zu einer Kundgebung in der Nähe des Tatorts in Duisburg-Vierlinden auf. »So eine gewalttätige, hasserfüllte Tat in Duisburg macht uns wütend!« heißt es im Aufruf zu der Kundgebung. Darin heißt es auch, der Femizid sei »der letzte und brutalste Versuch eines Mannes, Kontrolle über eine Frau zu gewinnen«, solche Morde richteten sich »gegen die Freiheit und Selbstbestimmung« der Frau.
Anna von der Gruppe »Zora« berichtet, dass sich am Mittwochabend 200 Menschen versammelt hätten, viele seien aus dem Stadtteil gekommen. Es sei eine »sehr ruhige Kundgebung« gewesen, dem Anlass angemessen; viele Teilnehmer*innen hätten die ermordete Frau gekannt und seien »sehr betroffen« gewesen, wie Anna erzählt. Manche hätten von eigenen Gewalterfahrungen berichtet. Viele hätten sich darüber ausgetauscht, dass sowohl in der Nachbarschaft als auch in der Gesellschaft »geschwiegen wird, wenn eine Frau Gewalt erfährt«.
Eine »gewisse Hilflosigkeit« sei dabei zum Ausdruck gekommen. Klar sei geworden, dass es sich bei Taten wie der von Sonntag nicht um »Einzelfälle« handelt. In Redebeiträgen sei es auch um die systemischen Ursachen der Gewalt an Frauen gegangen.
In einem der Redebeiträge hieß es: »Wir werden so lange auf die Straße gehen, bis niemand von uns mehr Angst haben muss und uns keine Schwester mehr genommen wird.« In der kommenden Woche soll es damit weitergehen, »Zora« will in der Duisburger Innenstadt gegen Femizide protestieren. Damit die Tat aus dem Stadtteil Vierlinden ins Gespräch kommt – und damit sich etwas ändert. In Vierlinden wurde nach der Kundgebung ein kleiner Gedenkort errichtet, mit Kerzen und Blumen und dem Spruch »Jin, Jiyan, Azadî – Frauen, Leben, Freiheit«.
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