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Nahostpolitik der USA: Ein Friedensplan mit Schwachstellen

US-Präsident Biden verspricht Israel Solidarität und schnelle Hilfe. Doch seine Nahostpolitik wird von vielen Seiten kritisiert.

  • Julian Hitschler
  • Lesedauer: 5 Min.
US-Präsident Joe Biden und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas bei einer Pressekonferenz am 15. Juli 2022
US-Präsident Joe Biden und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas bei einer Pressekonferenz am 15. Juli 2022

»Wir stehen an Israels Seite. Und wir werden sicherstellen, dass Israel alles Notwendige bekommt, um sich um seine Bürgerinnen und Bürger zu kümmern, sich zu verteidigen und auf diesen Angriff zu reagieren«, so US-Präsident Joe Biden in seiner Rede zur Situation im Nahen Osten am Dienstag. Der Flugzugträger »USS Gerald R Ford« der US-Marine wurde in die Region abkommandiert. Außerdem wies das Weiße Haus das Verteidigungsministerium an, bereits bewilligte Militärhilfe schneller an Israel zu liefern. Es gebe »keine Rechtfertigung für Terrorismus«, so Biden. »Die Hamas steht nicht für das Recht des palästinensischen Volks auf Würde und Selbstbestimmung«, fügte der US-Präsident hinzu. »Ihr erklärtes Ziel ist die Auslöschung des Staates Israel und der Mord an Jüdinnen und Juden.«

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Nach dem Angriff auf Israel aus Gaza sieht sich die US-Politik und insbesondere das Weiße Haus mit kritischen Fragen konfrontiert. Bidens Nahostpolitik könnte durch die Ereignisse hinfällig werden, warnt etwa der ehemalige CIA-Offizier und Präsidentenberater für die Region Bruce Riedel gegenüber der BBC. In der Tat haben sowohl Biden als auch sein Amtsvorgänger Donald Trump eine Annäherung zwischen Israel und Saudi-Arabien sowie anderen arabischen Staaten befördert, um die Sicherheitslage Israels zu verbessern und den Iran in der Region zu isolieren. Diese Strategie sei nun gefährdet, so Riedel. Einige arabische Staaten, die ihre Beziehungen zu Israel bereits normalisiert hätten, könnten diesen Schritt angesichts eines israelischen Gegenangriffs mit absehbar hoher ziviler Opferzahl rückgängig machen.

Warnungen, die palästinensische Seite könne in dem Prozess nicht außenvor bleiben, seinen überhört worden, so Kritiker. »In ihren öffentlichen Verlautbarungen bitten alle Regierungen im Nahen Osten seit Jahren um Aufmerksamkeit und weisen darauf hin, dass man das Thema Palästina nicht ignorieren kann«, so Yousef Munayyer vom Arab Center Washington, einem US-Thinktank mit Verbindungen nach Katar, gegenüber »The Intercept«. Die Politik der Biden-Regierung sei es aber gewesen, die »tragische Situation vor Ort« auszuklammern. Dies habe »schreckliche Konsequenzen« nach sich gezogen.

Aus dem Lager der Republikaner wurde ebenfalls an Kritik an Bidens Politik in der Region laut – vor allem in Hinblick auf den Iran, der als enger Partner der Terrororganisation Hamas gilt und den viele Konservative für die Angriffe mitverantwortlich machen. Die USA seien unter Biden ein »schwacher und ineffektiver« Akteur, so Ex-Präsident Donald Trump. Biden habe geholfen, der iranischen Regierung »die Taschen zu füllen«, kritisierte Floridas Gouverneur Ron DeSantis die Freigabe von humanitären Mitteln als Teil eines Gefangenenaustauschs Mitte September.

Um die richtige Haltung und Worte zu den Geschehnissen ringen vor allem die Demokraten. Der Nahostkonflikt, insbesondere die Bewertung der israelischen Regierungspolitik, ist seit Jahren immer wieder Streitpunkt in der Partei. Die Stellungnahmen zweier demokratischer Abgeordneten, Cori Bush und Rashida Tlaib, sorgten für heftige Gegenreaktionen. Beide drückten ihr Entsetzen aus und beklagten Opfer auf beiden Seiten, forderten darüber hinaus aber auch ein Ende der »Apartheid« und der US-Militärhilfen an Israel. Der demokratische Abgeordnete Ritchie Torres warf seinen beiden Fraktionskolleginnen daraufhin vor, »den größten Massenmord an Juden an einem einzigen Tag seit dem Holocaust als ›Widerstand‹ zu glorifizieren«. Dies sei »verwerflich und abstoßend«. Tlaib ist Tochter palästinensischer Einwanderer in die USA, beide Abgeordneten gehören der Mitgliederorganisation Democratic Socialists of America an.

Mit ihrer Forderung nach einem Ende der Zahlungen an Israel sind die beiden Demokratinnen weitestgehend isoliert – die Debatte dreht sich eher darum, wie schnell weitere Mittel freigegeben werden könnten. Nach Angaben des Wissenschaftlichen Dienstes des US-Kongress vom März hat seit Ende des Zweiten Weltkriegs kumulativ brachtet hat kein Land mehr Gelder von den USA erhalten als Israel – im Jahr 2022 waren es rund 4,8 Milliarden US-Dollar. Aktuell wird diese Summe aber von den Zahlungen an die Ukraine deutlich in den Schatten gestellt. Allein die Militärhilfen and das Land beläuft sich seit dem russischen Angriff im Februar 2022 auf über 46 Milliarden US-Dollar.

Doch der US-Kongress, der die alleinige Verfügungsgewalt über den Haushalt besitzt, ist derzeit beschlussunfähig. Nachdem der Sprecher des Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, vergangene Woche per Misstrauensvotum seines Amtes enthoben wurde, kann die Kammer keine neuen Mittel freigeben – was mögliche Hilfe an Israel, aber auch die Ukraine, mit einschließt. Aus den Reihen der Demokraten kam der Vorschlag, nach der Wahl eines neuen Sprechers weitere Hilfen für die Ukraine und Israel in einem Paket zu verabschieden, doch bei den Republikanern ist man skeptisch.

In großen Teilen der Fraktion gibt es erhebliche Vorbehalte, die Ukrainehilfen fortzusetzen, teils, weil sie auch in der Bevölkerung zunehmend unbeliebt sind, teils, weil sie die militärische Position gegenüber China schwächen könnten. Die Unterstützung Israels befürworten aber auch diejenigen Republikaner, die sonst eher isolationistische Positionen vertreten. Der Senator J. D. Vance aus Ohio, der weitere Zahlungen an die Ukraine ablehnt, bekräftigte nicht nur Israels Recht auf Selbstverteidigung, sondern auch die Legitimität eines »Gegenschlags mit überwältigender Macht«.

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