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Kampf gegen Antisemitismus: Denk ich an Deutschland ...
Karlen Vesper vermisst den klaren Kampf gegen deutschen Judenhass
»Denk ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht«, schrieb Heinrich Heine 1844 in seinem Pariser Exil. Sein Gedicht wird als Anklage deutscher Zustände interpretiert. Indes ist es die Sehnsucht nach dem Land, das er so liebte und das ihn, den Juden, den Demokraten, den Spötter wider Tyrannei und Autokratie, wider Dummheit und Hass, vertrieben hatte. Es spricht die Sehnsucht nach der Mutter, die er schon ewiglich nicht gesehn. Und nach all den Freunden, die er vermisst: »Zwölf lange Jahre flossen hin, seit ich das Land verlassen hab,/ so viele sanken dort ins Grab, die ich geliebt – wenn ich sie zähle,/ so will verbluten meine Seele ...« Schier unheimlich-prophetisch die Jahreszahl in Heines Poem: zwei Jahrhunderte, bevor im deutschen Namen innerhalb von zwölf Jahren Millionen Menschen massakriert wurden, darunter sechs Millionen Juden und Jüdinnen.
Am Donnerstag hat der Bundestag den mörderischen Krieg der Hamas gegen Israel verurteilt. Das war wichtig! Doch kann man sich des Eindrucks der Heuchelei einiger nicht erwehren. Die AfD schickte ausgerechnet jenen Mann ans Rednerpult, der zwölf Jahre NS-Diktatur einen »Vogelsschiss« nennt. Die Unionsfraktion zwei Männer, von denen der eine Brandmauern nach rechts nicht für nötig hält und gern gelegentlich in braunen Gewässern fischt und des anderen Partei »jugendsündlichen« Antisemitismus nachträglich mit Regierungsbeteiligung belohnt. Welch Hohn. Da müssen sich alle Demokraten, Juden und Jüdinnen hierzulande wie in Israel verarscht, pardon, veralbert vorkommen.
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So richtig und wichtig es ist, Antisemitismus und Antihumanismus aller Couleur zu verurteilen und nicht nur verbal dem israelischen Volk zur Seite zu stehen – immerwährende Pflicht, ja Staatsräson muss auch klares, konsequentes Handeln gegen deutschen Judenhass hier und heute und immerdar sein. Doch davon war keine Rede.
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