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- Vorkaufsrecht in Berlin
Vorkauf von Wohnhaus in Wedding gescheiert: Schimmel reicht nicht
Der Bezirk Mitte hat das Vorkaufsrecht für die Seestraße 110 nicht angewandt – das Haus sei nicht ausreichend verfallen
»Das Bezirksamt Mitte hat die dreimonatige Prüfungsfrist für das Vorkaufsrecht ausgesessen und einmal mehr seine Ambitionslosigkeit beim Mietenschutz bewiesen.« Christoph Mayer sieht abgekämpft aus, als er das sagt. Er wohnt mit 22 weiteren Mietparteien in einem vor über 100 Jahren erbauten Haus in Wedding.
Die Hausgemeinschaft der Seestraße 110 fordert seit Bekanntwerden des Verkaufs ihres Hauses an Ronny P., Eigentümer der Bluerock Group, die Anwendung des Vorkaufsrechts. Nun wurde bekannt, dass ihre Anstrengungen vergeblich waren: Die Frist zum Vorkauf des Hauses lief vergangenen Dienstag aus. Trotz intensiver Bemühungen der Hausgemeinschaft gelang es nicht, den Verkauf an den privaten Investor zu verhindern.
Das ist für die Bewohner*innen bitter angesichts eines ähnlichen Falles in Neukölln. Dort sollte das Haus Weichselstraße 52 von der Hansereal-Gruppe gekauft werden. Nach Protesten und anschließenden Begehungen durch verschiedene Ämter entschied sich das dortige Bezirksamt am 20. September, das Vorkaufsrecht in Anspruch zu nehmen.
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Das Instrument »Vorkaufsrecht« wurde durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts im November 2021 de facto außer Kraft gesetzt und gilt nun lediglich für Häuser, die »erhebliche Missstände aufweisen oder denen Verfall droht«. Laut Ephraim Gothe, SPD-Stadtrat in Mitte, trifft das auf die Seestraße 110 nicht zu. Die Auslegung der »erheblichen Missstände« ist jedoch umstritten. Entsprechende Gesetzestexte lassen Deutungsspielraum zu. »Wann ist ein Haus ramponiert genug, sodass es vorgekauft werden kann? Das Vorkaufsrecht muss politisch neu ausgemessen werden«, fordert Mayer im Gespräch mit »nd«.
Bezirksstadtrat Ephraim Gothe antwortete auf eine nd-Anfrage: »Insgesamt weist das Haus in der Seestraße im Großen und Ganzen neben kleineren Mängeln ›nur‹ Substandard auf, zumindest konnten schwerwiegende Mängel nicht substanziiert nachgewiesen werden. Demzufolge ist die Ausübung des Vorkaufsrechts, unabhängig von den Finanzen und dem Willen der Wohnungsbaugesellschaften nicht möglich.« In der Weichselstraße 52 seien die Mängel deutlich gravierender gewesen.
Christoph Mayer sieht das anders: »Das Bezirksamt macht es sich leicht, wenn es behauptet, dass die Voraussetzungen für den Vorkauf nicht gegeben seien. Die Inspektion hat viel zu spät (in Woche 7) begonnen und wurde unvollständig durchgeführt.« Nur sieben der insgesamt 27 Wohnungen seien auf Mängel überprüft worden. »Die Mitarbeitenden haben die vielen Mängel am Haus ignoriert oder kleingeredet; etwa, dass nahezu alle Wohnungen von Schimmel befallen sind oder dass die Eingangstür nicht schließt und dieser Umstand von unliebsamen Gästen rege genutzt wird.«
Auch wenn der Vorkauf letztlich nicht geglückt ist, kam es doch zu Vernetzungen mit lokalen Mieter*inneninitiativen. So erhielt die Hausgemeinschaft unter anderem Unterstützung vom Bündnis Mietenwahnsinn Nord. Deren Sprecher Julian Löffler sagt: »Die Ausübung des Vorkaufsrechts wäre ein wichtiges Signal in Richtung einer freilaufenden Immobilienbranche gewesen. Am Ende findet sich aber immer ein Grund, warum man dieses eine Haus gerade nicht retten kann.« Das Beispiel Seestraße 110 zeige, dass den staatlichen Institutionen nicht vertraut werden könne. Für die Mieter*innen bedeute die Tatenlosigkeit des Bezirksamtes nun, in permanenter Angst vor Verdrängung leben zu müssen.
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