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Containersiedlung in Lichtenberg: Kein Strom und kein Baustadtrat
Lichtenbergs Baustadtrat Kevin Hönicke ist freigestellt. Im Hönower Wiesenweg herrscht Ausnahmezustand
Peter und Loreen sitzen auf der Terrasse vor Peters Wohncontainer. Es wird langsam dunkler und kälter. Unten machen Menschen in einer Metalltonne Feuer, um sich aufzuwärmen. »Noch haben wir immerhin Holz, aber was passiert, wenn das auch weg ist? Sollen wir die Container ausräumen?« Loreen blickt verzweifelt auf die kommenden Tage und Wochen. Sie wohnt im Hönower Wiesenweg 24 im Lichtenberger Ortsteil Karlshorst. Vor fast drei Wochen schon wurden dort die meisten Stromleitungen abgestellt, am späten Donnerstagabend dann auch noch die Notstromleitung. Nun haben die Bewohner*innen der Siedlung aus Wohnwagen und Containern kaum noch eine Möglichkeit, zu heizen, zu kochen oder sich mit warmem Wasser zu waschen. »Sie lassen uns hier bei Minusgraden versauern, es ist unzumutbar. Es kümmert sich überhaupt keiner. Wir sind hier in der Kälte ohne Strom und wissen nicht, was wir machen sollen«, sagt Peter.
Der Konflikt um das Grundstück beschäftigt den Bezirk Lichtenberg schon seit Längerem. Denn es handelt sich laut Bezirk um eine Gewerbefläche, auf der die Siedlung unerlaubt aufgebaut wurde. Trotzdem sollten noch bis Mai 2024 die Bewohner*innen bleiben dürfen. Die für die Versorgung zuständige Firma Stromnetz Berlin schaltete zunächst die Elektrizität mit der Begründung ab, es sei Strom geklaut worden. Für im Aquarium lebende Fische wurde allerdings der Notstrom ermöglicht, damit diese nicht sterben.
»Wir haben dann natürlich von dem Notstrom Leitungen gelegt, damit alle ein bisschen was haben können«, sagt Loreen. Dann seien Bauaufsicht-Mitarbeiter*innen zur Prüfung gekommen und hätten zunächst die so geschaffene Stromversorgung abgenickt. Bis sie dann am Donnerstag um 22 Uhr plötzlich mit Polizei verkündet hätten, der Strom würde komplett abgestellt, weil vom Sicherungskasten Lebensgefahr ausgehe.
»Natürlich könnten sie uns hier Notstrom organisieren, Baustrom oder irgendwas. Sie machen es nur nicht«, sagt Loreen. Sie ist nach einer Trennung in ihren Container eingezogen und sucht seitdem eine Wohnung: »Ich finde einfach keine.« Vom Bezirk habe sie bislang nur angeboten bekommen, in eine Wohnungslosenunterkunft umzuziehen, mit Vier- bis Sechs-Bett-Zimmern, in der sie nur von 8 Uhr abends bis 8 Uhr morgens bleiben kann. »Da will ich nicht hin«, sagt sie.
So gehe es den meisten Bewohner*innen im Hönower Wiesenweg. Viele hätten psychische Probleme und Suchtkrankheiten, wegen derer sie nicht in Sammelunterkünften wohnen könnten. »Die werden doch direkt wieder rausgeschmissen«, sagt Loreen. Sie geht fest davon aus, dass der Bezirk die Siedlung, in der sie mit, wie sie schätzt, noch etwa 90 anderen Menschen wohnt, schon bald räumen lassen wird. »Wir wollen ja alle gar keine ganze Wohnung. Aber wir wollen das bekommen, was uns hier genommen wird: unser eigenes Zimmer, das wir abschließen können, in dem wir Privatsphäre haben.«
Peter erzählt, er sei vor etwa einem halben Jahr in den Container gezogen, weil er seinen Hund in seiner vorherigen Wohnung in einer Einrichtung des Betreuten Wohnens nicht hätte behalten dürfen. »Ich habe den Hund gerettet, der wurde von seinem vorherigen Besitzer stark misshandelt. Ich werde ihn nicht wieder abgeben.« Er selbst leide unter einer Posttraumatischen Belastungsstörung, weil er im Bosnien-Krieg habe kämpfen müssen. »Seit der Hund in mein Leben gekommen ist, geht es mir besser.« Mit den Angeboten des Bezirksamtes, ihn in einer Unterkunft unterzubringen, kann er nichts anfangen, weil er auch dort seinen Hund nicht behalten könnte. »Seit sechs Monaten werde ich von einer Stelle zur nächsten geschickt, habe schon mehrmals eine Wohnung versprochen bekommen, und dann hat es doch nie geklappt«, sagt er.
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Im Lichtenberger Bezirksamt war bislang Baustadtrat Kevin Hönicke (SPD) für die Handhabung der Situation auf dem Grundstück im Hönower Wiesenweg verantwortlich. Er teilte wiederholt mit, dass die Bewohner*innen Unterstützung durch den Bezirk erfahren und das Sozialamt Unterbringungsmöglichkeiten anbiete. Auch in einer Mail an einige Bewohner*innen, die sich an ihn gewandt hatten, sagte er das.
Nun ist Hönicke allerdings am vergangenen Montag von Bezriksbürgermeister Martin Schäfer (CDU) »vorübergehend von seiner Dienstpflicht freigestellt« worden, um »Schaden vom Bezirk abzuwenden«, wie dieser auf Anfrage des »nd« mitteilt. »Zur Wahrung der Persönlichkeitsrechte von Herrn Hönicke und um weiteren Schaden zu vermeiden, kann ich mich zu den inhaltlichen Gründen öffentlich nicht äußern«, so Schäfer. »Die Arbeit des Bezirksamtes wird dadurch nicht beeinträchtigt und die Amtsgeschäfte in Vertretung fortgeführt«, teilt das Bezirksamt Lichtenberg mit. Wer diese Vertretung übernimmt, wurde nicht mitgeteilt, und auch die Bewohner*innen wussten am Dienstagmittag nicht, wer nun in ihrer akuten Notsituation verantwortlich ist. »Vielleicht wird’s ja jemand besseres«, hofft Loreen.
Laut Bezirksamt erfolgte die vollständige Stromabschaltung am Donnerstagabend »auf Grundlage der Einschätzung eines unabhängigen und externen Gutachters«. Daraufhin sei die Abschaltung »nach einer Rücksprache mit der bezirklichen Bau- und Wohnungsaufsicht aufgrund einer Weisung des Bezirksamtes« erfolgt.
Klaus Langer, der sich selbst als ehrenamtlichen Sozialarbeiter auf dem Gelände bezeichnet, von den Bewohner*innern allerdings als Verwalter oder Geschäftspartner des Eigentümers wahrgenommen wird, sagt zu »nd«, die Probleme mit Stromnetz Berlin ließen sich darauf zurückführen, dass der Stromkasten versehentlich nicht auf dem Grundstück des Eigentümers, sondern auf einem Flurstück des Landes Berlin aufgestellt worden sei. Man müsse nun einen neuen Stromkasten beantragen, das dauere aber drei Monate. Eine Umsetzung des existierenden Stromkastens auf das richtige Grundstück sei zwar schnell zu erledigen, dafür benötige es aber das Einverständnis des Bezirksamtes.
»Wir bekommen keine Rückmeldung, es wurde nur gesagt, dass der Stromkasten ersatzlos abgeschaltet wird«, so Langer. »Das wird so laufen, wie in der Rummelsburger Bucht. Sobald es Richtung null Grad geht, wird das Bezirksamt sagen, dass es zu kalt sei, um dort zu bleiben, und die Räumung veranlassen.«
Obwohl die Bewohner*innen des Hönower Wiesenwegs nicht allzu gut auf Klaus Langer zu sprechen sind – »Er ist definitiv nicht Sozialarbeiter, für mich ist er Vermieter und Ansprechpartner«, sagt Loreen – teilen sie doch seine Einschätzung zu den Plänen des Bezirksamts. »Die wollen das hier dichtmachen«, so Peter.
»Es ist einfach nur Schikane. Sie wollen uns hier weghaben, aber wissen nicht, wie. Ohne Strom ist es hier im Winter nicht tragbar«, sagt Loreen. Dabei hätten die Bewohner*innen alle Mietverträge abgeschlossen und leben aus ihrer Sicht legal in den Containern und Wohnwagen. Die Mietpreise für die 13-Quadratmeter-Container lägen bei 500 bis über 600 Euro. »Wir sind ja nicht die Betrüger, wir haben den Strom nicht geklaut. Wir wollen einfach nur leben. Wir brauchen Hilfe«, sagt Loreen.
Auch Sozialarbeiter Philip Moninger von Gangway, der bislang mit Kolleg*innen einmal vor Ort in Karlshorst gewesen ist, um die Bewohner*innen zu unterstützen, befürchtet, dass der Bezirk mit der Begründung der mangelnden Heizmöglichkeiten im Winter eine Räumung veranlassen könnte. Doch die bezirklichen Unterbringungsmöglichkeiten in Sammelunterkünften seien für viele der Bewohner*innen keine Option. »Es darf keine Räumung stattfinden, bevor es nicht gute alternative Wohnmöglichkeiten für die Bewohner*innen gibt«, sagt Moninger zu »nd«.
Bis es irgendeine Lösung gibt, behelfen sich die Bewohner*innen mit Feuertonnen und privaten Generatoren, von denen sie aber erst zwei organisieren konnten. Das reicht bei Weitem nicht aus, um die Container zu beheizen oder um Hygiene durch warmes Wasser zu gewährleisten. Außerdem sei das dafür benötigte Benzin für die meisten kaum bezahlbar, sagt Loreen. Andere Bewohner*innen fangen an, kleine Solarpanels für ein wenig Licht zu installieren. Dass das alles keine Lösungen sind, um sicher durch den Winter zu kommen, ist klar. »Im schlimmsten Fall wird es hier Kältetote geben«, befürchtet Peter.
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