Berliner Immobilieninvestor: Habersaath-Eigentümer mauert

Weitere Schikane im vom Abriss bedrohten Wohnblock

  • Moritz Lang
  • Lesedauer: 3 Min.
Zugemauerter Notausgang in der Habersaathstraße 40-48
Zugemauerter Notausgang in der Habersaathstraße 40-48

»Notausgang nicht blockieren« steht auf einer Kellertür in der Habersaathstraße 40-48. Das Problem: Die Tür ist bis unter die Klinke zugemauert und lässt sich nicht öffnen. Die Hausgemeinschaft berichtet, am Dienstagmorgen Handwerker beim Vermauern der Kellertüren erwischt zu haben. Diese behaupteten gegenüber der hinzugerufenen Polizei, im Auftrag der Hausverwaltung zu arbeiten, und stellten die Arbeit daraufhin ein.

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Für Schlagzeilen sorgt der Wohnblock regelmäßig: 2017 kaufte die Arcadia Estates GmbH das ehemalige Schwesternwohnheim der Charité. Die Firma will die gut 100 Wohnungen abreißen und teuer neu bauen. Jedoch gibt es noch 15 Altmieter*innen, die auch für Abfindungszahlungen nicht ausziehen wollen und den Profitinteressen des Investors im Wege stehen. An ihrer Seite kämpfen seit 2021 etwa 60 ehemals Obdachlose, die leerstehende Wohnungen besetzten und bisher vom Bezirk geduldet wurden.

Das Zumauern von Notausgängen ist nur der letzte Vorfall einer Reihe an Versuchen »kalter Räumung« und Einschüchterung durch den Vermieter. Dass die Polizei diesmal die Bauarbeiter angesprochen habe, sei bereits mehr als vor zwei Monaten, sagt Paul von der Initiative Leerstand-Hab-ich-Saath zu »nd«. Damals behauptete die Polizei, nichts machen zu können, als Sicherheitsleute und Bauarbeiter in die Wohnungen einbrachen, Sanitäranlagen zertrümmerten, Fenster abmontierten und die Strom- und Wasserzufuhr zerstörten. Auch manche Altmieter*innen hatten keinen Zugang zu ihren Wohnungen. Strom und Warmwasser sind in den besetzten Wohnungen immer noch abgestellt. Arcadia-Estate-Geschäftsführer Andreas Pichotta sagte »nd«, er wolle keine Auskunft geben.

»Das Versperren von Notausgängen ist eine Angelegenheit des öffentlichen Rechts«, sagt Stefan Schetschorke, Leiter der Rechtsabteilung des Berliner Mietervereins gegenüber »nd«. Die Mietenden sollten sich daher unverzüglich an die Bau- und Wohnungsaufsicht wenden, die dann dem Eigentümer »im Verwaltungsakt auferlegen kann, die Notausgänge freizumachen«. Da die Keller- und Hofnutzung im Mietvertrag der Altmieter*innen enthalten sind, sei auch hier ein Zugang zu gewähren. Dies betreffe aber das Zivilrecht, weshalb die Bauaufsicht hier nicht in der direkten Pflicht zum Einschreiten stünde.

Mitte August gab es einen Etappensieg für die Altmieter*innen: In einem von voraussichtlich sechs Verfahren konnte die Verwertungskündigung durch den Vermieter abgewehrt werden. Eine solche Kündigung des Mietverhältnisses ist nur bei »erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen« für den Vermieter zulässig. Die sah die Richterin nicht gegeben: Eine aufwändige Modernisierung sei nicht nötig, da die Wohnungen in keinem schlechten Zustand und zusätzliche Balkone wohnungswirtschaftlich nicht erforderlich seien. Auch ein Verkauf sei statt Abriss gewinnbringend möglich.

Im Dezember soll das Urteil zur Klage gegen drei weitere Altmieter verkündet werden. Paul zeigt sich zuversichtlich, dass auch dieses positiv für die Bewohner*innen ausfällt. Bei der Verhandlung vor einer Woche orientierte sich die Richterin am vergangenen Urteil. Die Initiative fordert dennoch ein schnelles Handeln der Politik: Zuallererst müssten Strom und Wasser wieder für alle Wohnungen angestellt werden, dies sei mit der einbrechenden Kälte besonders für die geflüchtete Bewohnerin mit ihrem zwei Monate alten Baby wichtig. Perspektivisch müsse vergesellschaftet werden, mittels Beschlagnahmung oder notfalls Kauf, um den Bewohnern beispielsweise im Rahmen des Projekts »Housing First« eine Zukunft zu bieten.

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