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Shitstorm gegen Berliner Register: »Eine gezielte Kampagne«
Kati Becker vom Berliner Register über transfeindlichen Shitstorm gegen die Meldestelle
Das Berliner Register sammelt und publiziert rechte Vorfälle in der Hauptstadt und ist dazu auf Meldungen Freiwilliger und Betroffener angewiesen. Aktuell seid ihr ins Visier transfeindlicher Aktivist*innen geraten. Was ist los bei euch?
Einmal pro Jahr, gegen Ende März, veröffentlichen wir eine Auswertung unserer Dokumentation und zeigen, in welchen Themenfeldern es Veränderungen gibt. Für 2022 gab es eindeutig einen Anstieg LGBTIQ*-feindlicher Vorfälle und in diesem Themenfeld war es die Transfeindlichkeit, die auffällig gestiegen war. Das haben wir benannt und dazu gesagt, wer diese Vorfälle verursacht. Neben Akteur*innen der extremen Rechten hetzt auch das transfeindliche Spektrum der Frauenbewegung auf der Straße und in sozialen Netzwerken gegen trans Menschen.
Mit unserer Veröffentlichung und der sehr deutlichen Positionierung für die Rechte von trans Menschen begannen kleinere Shitstorms gegen uns. Das waren E-Mails, Falschmeldungen, aufgebrachte Anrufer*innen, ein öffentlicher Brief von Frauen aus Bayern, E-Mails an unsere Fördermittelgeber oder unseren Trägerverein. Der Inhalt war fast immer gleich: Die Berliner Register dürften derlei Aktivitäten nicht transfeindlich nennen. Das sei frauenfeindlich.
Ende August erschien dann ein Artikel in der »NZZ«, der Bezug nahm auf eine der Mails, die uns im Zuge der Shitstorms zugesendet worden waren. Die Verfasserin hatte uns darin aufgefordert, ihre Darstellung bezüglich einer transfeindlichen Demonstration zu übernehmen. Unsere zivilgesellschaftliche Dokumentationsarbeit wurde als Denunziation verunglimpft.
Kati Becker leitet die Projektkoordination für die Zentralstelle der Berliner Register. Die Berliner Register erfassen als bezirkliche Meldestellen rassistisch, antisemitisch, homophob und rechtsextrem geprägte Vorfälle. 2022 wurden mehr queerfeindliche Vorfälle als in den Vorjahren gemeldet, für das erste Halbjahr 2023 wurde wieder ein Anstieg im Vergleich zum Vorjahreszeitraum verzeichnet.
Was war das für eine Demo?
Es handelte sich um eine Demonstration der Gruppe »Radfem Berlin« am 24. September 2022 am Spreebogenpark, bei der es zu transfeindlichen Äußerungen gekommen war.
Noch am selben Tag griff Beatrix von Storch diesen Text auf. Es folgten über drei Wochen lang fast täglich Artikel in Medien der Neuen Rechten, in denen es nur noch um den Vergleich unserer Arbeit mit der Gestapo oder der Stasi ging. Der Shitstorm wurde von ungefähr einem Dutzend parlamentarischer Anfragen der AfD zu unserer Arbeit und unserer Finanzierung im Berliner Abgeordnetenhaus begleitet. Einige Artikel wiederum griffen Informationen aus diesen Anfragen auf. Wir hatten den Eindruck, dass es eine gezielte Kampagne gegen die Berliner Register sein sollte, denn es gab weder einen aktuellen Anlass für den Shitstorm, noch entspricht die Darstellung unserer Arbeit in diesen Artikeln der Realität.
Eine implizite oder gar explizite Zusammenarbeit der vermeintlichen »Feministinnen« mit der radikalen Rechten?
Vor dem Shitstorm hatten wir keinen Grund anzunehmen, dass die beiden Spektren zusammenarbeiten, hatten das auch nie behauptet. Der Shitstorm hinterlässt jedoch ein anderes Bild. Der Artikel der »NZZ« und die Fragen, die die Journalistin im Vorfeld an uns per E-Mail gerichtet hatte, bezogen sich auf Vorfälle in unserer Chronik, deren Aufnahme durch das transfeindliche Spektrum der Frauenbewegung bereits seit Monaten kritisiert wurde.
Dieses Spektrum unterstellte uns außerdem, dass wir Listen mit den Namen unliebsamer Personen führen würden. Es gab dann Anfragen an unseren Datenschutzbeauftragten, welche Informationen wir über einzelne Personen oder Gruppen speichern würden. Die Antwort ist: keine.
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Euch erreichen seitdem Zuschriften aus beiden Ecken?
Die E-Mails, Falschmeldungen und Kommentare in den sozialen Netzwerken, vor allen bei »X«, stammten zu einem Teil von transfeindlichen Aktivist*innen, aber zum weitaus größeren Teil von Menschen, die uns mitteilten, die AfD wählen zu wollen. Viele Beiträge waren rassistisch, NS-verharmlosend und transfeindlich. Der Schwerpunkt lag jedoch auf einer emotionalen Empörung darüber, dass die Berliner Register wie die Gestapo oder die Stasi agieren würden.
Der Shitstorm beeinträchtigt eure Arbeit. Wie gelingt den Akteur*innen das?
In der ersten Woche war es wirklich nervig, weil man nicht dazu gekommen ist, seine Arbeit zu machen. Aber die mehrwöchige Dauer des Shitstorms hat auch Vorteile: Man gewöhnt sich emotional an die ständigen Anfeindungen und man nutzt die Zeit, um unterschiedliche Strategien im Umgang mit den Zuschriften und Anrufen zu entwickeln. Ich gehe beispielsweise an manchen Tagen nur ans Telefon, wenn die anrufende Nummer bekannt ist. Sobald mich jemand anschreit und beleidigt, lege ich auf und sperre die Nummer für weitere Anrufe. Auf wütende E-Mails reagieren wir nicht mehr und legen sie in einem Spam-Ordner ab, Falschmeldungen ebenso.
Auf »X« haben wir die Kommentarfunktion ausgeschaltet und viele Accounts geblockt. Wir haben zudem neue Accounts bei den Alternativen Mastodon und Bluesky eingerichtet, bauen uns dort eine neue Öffentlichkeit auf. Mittlerweile sind es nur noch einzelne Akteure der extremen Rechten, die versuchen, den Shitstorm neu zu entfachen. Wir waren dazu gezwungen, den Schwerpunkt unserer Arbeit auf den Umgang mit dem Shitstorm zu legen, sind dadurch aber nicht handlungsunfähig geworden.
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