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Die neue Energie-Welt ist kaum aufzuhalten

IEA: Noch dominieren fossile Brennstoffe, aber das wird bald Geschichte sein

Windräder westlich von Halle ragen aus dem Morgennebel
Windräder westlich von Halle ragen aus dem Morgennebel

Fossile Brennstoffe dominieren bis heute die globale Energieversorgung, ihr Anteil liegt immer noch bei rund 80 Prozent. Doch schon in wenigen Jahren wird sich das Bild deutlich gewandelt haben – zugunsten der erneuerbaren Energien. Das ist die Kernaussage des diesjährigen »World Energy Outlook«, den die Internationale Energieagentur (IEA) am Dienstag vorgelegt hat.

Demnach entsteht gerade eine neue Energiewelt, angetrieben von einem »phänomenalen Aufstieg« sauberer Energietechnologien. Vor allem bei der Photovoltaik und der Elektromobilität zeigt die IEA-Analyse kräftige Zuwächse. Im Jahr 2030, prognostiziert die Agentur, werden rund zehnmal so viele Elektroautos auf den Straßen unterwegs sein wie derzeit. Der Anteil der Erneuerbaren am weltweiten Strommix wird von heute 30 Prozent auf fast 50 Prozent steigen. Auch Wärmepumpen werden immer stärker nachgefragt. Und in neue Meereswindparks werden am Ende des Jahrzehnts dreimal mehr Investitionen fließen als in neue kohle- und gasbefeuerte Kraftwerke.

»Der Übergang zu sauberer Energie findet weltweit statt und ist unaufhaltsam«, sagte IEA-Chef Fatih Birol. Er sieht die Welt am Beginn einer neuen Ära. Die Frage sei nicht mehr, ob sich die globale Energieversorgung wandle, sondern nur noch, wie schnell. »Je früher, desto besser für uns alle«, so Birol mit Verweis auf den Klimawandel.

Die derzeitige Entwicklung gebe »Hoffnung für die Zukunft«, heißt es in dem Bericht, der zahlreiche »eindrucksvolle Beispiele für eine Beschleunigung des Wandels« auflistet. So sind die Investitionen in saubere Energien seit 2020 um 40 Prozent gestiegen. In diesem Jahr soll mehr als eine halbe Million Megawatt Erzeugungskapazität erneuerbarer Energien weltweit hinzukommen, ein neuer Rekord. Für den Ausbau der Solarenergie werden aktuell mehr als eine Milliarde US-Dollar pro Tag ausgegeben.

Trotz der starken Dynamik beim Wachstum der Erneuerbaren verläuft die Energiewende laut der Energieagentur aber noch zu langsam, um die 1,5-Grad-Grenze des Pariser Klimaschutzabkommens einzuhalten. Nach derzeitigem Stand ist vielmehr mit einer Erwärmung um 2,4 Grad zum Ende des Jahrhunderts zu rechnen. Dabei hat die Agentur für ihre Prognose nur die heutigen politischen Rahmenbedingungen berücksichtigt, also das, was weltweit bislang für die Transformation auf den Weg gebracht wurde. Um die Klimaziele einzuhalten, sind also weitere Anstrengungen nötig. Fatih Birol: »Regierungen, Unternehmen und Investoren müssen den Übergang zu sauberer Energie unterstützen, statt ihn zu behindern.«

Dabei trat die Internationale Energieagentur selbst lange Zeit als Bremserin auf. Sie wurde in den 1970er Jahren, nach dem Ölschock, gegründet, um über eine sichere Versorgung mit fossilen Energien zu wachen. Entsprechend fossilfreundlich fielen ihre Berichte aus. Regelmäßig wurde darin das Wachstum der Erneuerbaren systematisch unterschätzt, das der fossilen Energien hingegen überschätzt. Expert*innen kritisierten immer wieder, die Berichte würden so zur selbsterfüllenden Prophezeiung und bremsten die Energiewende, da sich Politik und Wirtschaft bei ihren Entscheidungen an den IEA-Prognosen orientierten.

Noch vor vier Jahren, im »World Energy Outlook« von 2019, prognostizierte die IEA bis 2040 eine weiter steigende globale Ölnachfrage, die bis 2025 »robust« bleiben und erst in den 2030er Jahren abflachen werde, sodass es bei den energiebedingten CO2-Emissionen keine Anzeichen für eine Trendwende gebe. Mittlerweile hat sich die IEA jedoch zu einer Fürsprecherin eines deutlichen Kurswechsels entwickelt – für mehr Erneuerbare und Klimaneutralität zur Mitte des Jahrhunderts.

In ihrer aktuellen Prognose sieht die Agentur zum ersten Mal die weltweite Nachfrage nach allen drei fossilen Brennstoffen – Öl, Gas und Kohle – jeweils vor 2030 ihren Höhepunkt erreichen und danach absinken. Elektroautos, denen die IEA vor wenigen Jahren noch kein sehr großes Potenzial zugetraut hat, sieht sie nun bereits 2030 bei einem weltweiten Anteil von 40 Prozent. Und bei den energiebedingten CO2-Emissionen erwartet sie den Peak schon im Jahr 2025.

Dass die IEA-Berichte die Entwicklung der Erneuerbaren nun realistischer beschreiben, könnte ebenfalls zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung werden – allerdings unter umgekehrtem Vorzeichen. Energiesicherheit jedenfalls, eines ihrer zentralen Anliegen, assoziiert die Agentur nicht mehr mit fossilen Energien. Im Gegenteil, der Bericht kritisiert deutlich, dass die Nachfrage nach Kohle, Öl und Gas trotz allem immer noch »viel zu hoch« bleibt, um die Pariser Klimaziele zu erreichen. »Dies birgt nicht nur die Gefahr, dass sich die Klimaauswirkungen nach einem Jahr mit Rekordhitze verschlimmern, sondern auch, dass die Sicherheit des Energiesystems untergraben wird, das für eine kühlere Welt mit weniger extremen Wetterereignissen konzipiert wurde.«

Die 1,5-Grad-Grenze einzuhalten bleibe aber möglich, wenn es auch »sehr schwierig« werde, betont die IEA. Für die kommende Weltklimakonferenz formuliert sie fünf Forderungen: Verdreifachung bei den Erneuerbaren, Verdopplung bei der Energieeffizienz, Senkung der Methanemissionen aus dem Betrieb fossiler Brennstoffe um 75 Prozent, innovative Finanzierungsmechanismen zur Verdreifachung der Investitionen in saubere Energien in Schwellen- und Entwicklungsländern sowie einen geordneten Rückgang der Nutzung fossiler Brennstoffe. Dieses Pensum erscheint durchaus anspruchsvoll.

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