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Konflikt um Antisemitismus bei Fridays for Future
Wurden die offenen Strukturen der Bewegung missbraucht? Offenbar konnten Minderheiten den Diskurs bestimmen
Es sei »offensichtlich, dass gerade einiges zerbricht«, sagt Klimaaktivistin Luisa Neubauer in einem Interview mit der »Zeit« von Montag. Es geht um Fridays for Future, die Bewegung, die sie in Deutschland mit anderen aufgebaut hat und die gerade zu zerbrechen droht – aufgrund unversöhnlicher Positionen zum Krieg im Nahen Osten.
Eigentlich halte sie es nicht für zielführend, sich als Klimabewegung ins Zentrum von Krisen zu stellen, die nichts mit dem Klima zu tun haben – doch das ist längst passiert. Auf den internationalen Social-Media-Accounts von Fridays for Future wird schon seit über einem Jahr immer wieder einseitige Solidarität mit Palästina geäußert und dem Staat Israel koloniale Besatzung, Genozid und Faschismus vorgeworfen. Laut einem der jüngsten, inzwischen jedoch gelöschten Posts würden westliche Medien »Gehirnwäsche« durchführen und alle Palästinenser*innen mit Terrorist*innen gleichsetzen.
Jedes Mal distanzierte sich Fridays for Future Deutschland von diesen Posts, die nicht abgestimmt worden seien. Man verurteile den Terror der Hamas und jeglichen Antisemitismus, sei »uneingeschränkt solidarisch mit Jüdinnen und Juden« und halte das Existenzrecht Israels nicht für verhandelbar, stellte die deutsche Bewegung auch in den vergangenen Wochen immer wieder klar. Ähnlich haben sich Fridays for Future Österreich und Klimastreik Schweiz positioniert.
»In unseren Herzen hier in Deutschland tragen wir eine historische Verantwortung, die niemals verjährt«, erklärte Neubauer bei einer Israel-Solidaritätsdemonstration in Berlin. Gleichzeitig nehme man sich auch des Leids der Zivilgesellschaft in Gaza an und sorge sich um Rassismus – dafür seien »unsere Herzen groß genug«, so Neubauer. Nun äußerte sie sich auch zur Haltung ihrer schwedischen Mitstreiterin Greta Thunberg. Sie sei enttäuscht darüber, dass Thunberg »bisher nichts Konkretes zu den jüdischen Opfern des Massakers vom 7. Oktober gesagt hat«. Bislang habe sie die Erfinderin der Klimastreiks »als außerordentlich reflektiert« erlebt.
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Dass Thunberg zum Terror der Hamas schweigt, ist vor allem deswegen brisant, da sie sich inzwischen mehrfach mit Palästina solidarisiert hat. Viral ging ein Foto der Aktivistin, auf dem sie ein Schild mit der Aufschrift »Stand with Gaza« (Ich stehe auf der Seite von Gaza) in die Kamera hält. Eine erste Version des Bildes, auf der ein Stoff-Oktopus zu sehen war, löschte Thunberg nach entrüsteten Debatten darüber, dass die Metapher des Kraken einen antisemitischen Code darstellt. Sie erklärte, das Stofftier sei ein Therapiespielzeug für Autist*innen – Thunberg ist vom Asperger-Syndrom betroffen, einer Form von Autismus –, um Gefühle auszudrücken. »Wir sind natürlich gegen jede Art von Diskriminierung und verurteilen Antisemitismus in allen Formen und Ausprägungen.«
Für wenig glaubwürdig hält das der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster. Von Fridays for Future International wie von Greta Thunberg persönlich erwarte man nichts anderes mehr »als krude Geschichtsverdrehung, Dämonisierung Israels und nun auch noch Verschwörungsideologie«, sagte Schuster der »Jüdischen Allgemeinen« (»JA«). Von Fridays for Future Deutschland und von Luisa Neubauer dagegen erwarte er, sich von der internationalen Bewegung klar abzuspalten und den eigenen Namen zu ändern.
Auch darauf reagierte Neubauer nun in der »Zeit«: Eine formale Trennung sei kompliziert, da Fridays for Future gar keine formalen Strukturen habe. Ohnehin löse eine Namensänderung das eigentliche Problem nicht, und eine Fokussierung auf Deutschland »widerspricht dem Umstand, dass die Klimakrise global ist. Es braucht also eine Form von globaler Bewegung«, findet die Aktivistin. Daher wolle die deutsche Bewegung erst einmal prüfen, »ob es aktuell ein geteiltes Wertefundament gibt, mit dem man noch arbeiten kann«.
Zumindest habe das viele Jahre gut funktioniert. Gleichzeitig gibt Neubauer zu, sich bei der Annahme verschätzt zu haben, dass Fridays for Future eine transnationale Haltung gegen Antisemitismus habe. »Zu realisieren, dass das nicht so ist, ist hart«, sagt sie. Der Nahost-Konflikt tangiere die Klimagerechtigkeitsbewegung auch deswegen, da Palästinenser*innen als Indigene gelesen werden könnten, an deren Seite Fridays for Future in der Regel stehe, da viele indigene Völker um den Schutz für Klima und Umwelt kämpfen und dafür häufig Ungerechtigkeit erfahren.
Die oft israelfeindlichen Posts von Fridays for Future International haben jedoch nicht nur damit zu tun. Laut einer JA-Recherche, auf die auch die deutsche Bewegung verweist, seien die entsprechenden Social-Media-Accounts nie legitimiert worden, für die gesamte Bewegung zu sprechen, genauso wenig wie die rund ein Dutzend Aktivist*innen, die diese Accounts federführend bespielten. »Unter ihnen ist es wiederum nur eine Handvoll Personen mit einer geradezu fanatisch israelfeindlichen Einstellung, die die Positionen des Accounts zum Nahost-Konflikt bestimmen«, heißt es in der »JA«.
Abgestimmt würden potenzielle Beiträge auf den Plattformen Instagram oder X in einer offenen Telegram-Gruppe mit einer hohen Fluktuation an Mitgliedern, von denen die meisten gar nicht mitdiskutierten und einige wenige den Ton angäben. Darunter Hasan Ö. aus Rheinland-Pfalz, der von Fridays for Future Deutschland unter anderem aufgrund seiner antisemtischen Einstellung bereits ausgeschlossen worden sei.
Über Ö. schreibt der Münchner Fridays-for-Future-Aktivist Luca Barakat auf der Plattform X: »Hasan hat ein gefestigt antisemitisches Weltbild und wollte die Reichweite von Fridays for Future von Anfang an missbrauchen, um seinen Judenhass zu verbreiten.« Andere Aktivist*innen hätten sich dagegen gewehrt, wofür Ö. ihnen Rassismus vorgeworfen habe. Der Konflikt soll hinter den Kulissen bereits zu schweren Zerwürfnissen geführt haben.
Die Bewegung sei in zahlreichen, voneinander unabhängigen Ortsgruppen organisiert, die je nach Größe stark von Minderheiten beeinflusst werden könnten, wenn die Mehrheit zu einer Abstimmung zum Beispiel nicht da sei. »Wenn nur wenige Ortsgruppen durch die Strukturen untergraben werden, wirken diese Gruppen sofort geschlossen antisemitisch«, so Barakat weiter. Nach dem Ausschluss aus sämtlichen deutschen Teams habe Ö. auf diese Weise schließlich die internationale Gruppe »unterwandert«.
Neubauer erklärt, zu Beginn sei es sinnvoll gewesen, Fridays for Future als loses Netzwerk an Telegram-Gruppen zu organisieren, um schnell zu wachsen. »In diesem Netzwerk ist es aber fast unmöglich, strukturierte und repräsentative Entscheidungen zu treffen«, stellt sie nun fest. Sie sei selbst davon überrascht worden, wie diese Plattform nun »ohne Absprache, ohne Faktencheck« für solche israelfeindlichen Statements genutzt worden sei.
Die Mehrheit der Klimaaktivist*innen hält Luca Barakat nicht für antisemitisch und ihren Kampf gegen die Klimakrise für wichtiger denn je. »Dafür muss Fridays for Future seine Strukturen überarbeiten, um Machtmissbrauch auszuschließen«, fordert er.
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