Steinmeier in Tansania: Nur warme Worte

Jana Frielinghaus über Steinmeiers Bitte um Verzeihung für deutsche Kolonialverbrechen in Tansania

Es mussten 117 Jahre nach deutschen Massakern an Aufständischen im heutigen Tansania und der Vernichtung der Lebensgrundlagen Hunderttausender vergehen, bis ein Staatsoberhaupt der Bundesrepublik die Stätten der Verbrechen aufsuchte und um Vergebung bat. Zugleich dürften die Sätze, die Frank-Walter Steinmeier am Mittwoch in Songea sprach, juristisch genau geprüft worden sein. Der vorab veröffentlichte Text seiner Rede enthält Worte des Bedauerns, aber nichts, was auch nur als Anerkenntnis der verheerenden, bis heute fortwirkenden, sehr materiellen Folgen der deutschen Kolonialherrschaft in Ostafrika ausgelegt werden könnte. Erst recht kommt die Vokabel »Völkermord« darin nicht vor. Und nach einer Stunde war der Bundespräsident auch wieder entschwunden.

Entschädigungsleistungen für besonders betroffene Gemeinschaften haben zivilgesellschaftliche Organisationen auf tansanischer wie deutscher Seite – neben der Aufarbeitung der Verbrechen und der Rückgabe von Kulturgütern und sterblicher Überreste hingerichteter Aufständischer – zwar gefordert. Doch auf Geld können sich die Nachfahren der Überlebenden des damaligen Genozids kaum Hoffnung machen – genau wie die Herero und Nama in Namibia. Dort hat die Bundesrepublik entsprechende Forderungen unter Verweis auf vermeintlich großzügige Entwicklungshilfe erfolgreich abgebügelt. Der deutsche Staat will so die Schaffung eines Präzendenzfalls vermeiden. Denn ließe man sich auf irgendeine Art von Reparationen ein, könnten Länder wie Griechenland und Polen, die im Zweiten Weltkrieg in besonderer Weise unter den Deutschen gelitten haben, ebenfalls neue Forderungen aufmachen. Auch deshalb blieb es in Tansania wie anderswo bei warmen Worten.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -