Linke und Wagenknecht: Scheidung mit Hindernissen

In der Linken im Bundestag fordern viele, den Antrag der zehn aus der Partei Ausgetretenen auf vorläufigen Verbleib in der Fraktion abzulehnen

In der Linken wie auch in ihrer Bundestagsfraktion gibt es derzeit viel Hoffnung auf einen neuen Politikstil, auf offene Debatten und transparenteres Agieren der Fraktionsspitze. Doch die scheint gerade einen Dämpfer zu bekommen. Auf Umwegen erfuhren Abgeordnete am Donnerstag, dass für den Abend einige ausgewählte Pressevertreter zu einem Hintergrundgespräch mit Fraktionschef Dietmar Bartsch geladen seien. Dort solle es möglicherweise um eine Idee für eine »technische« Fraktionsgemeinschaft zwischen der Linken und den Aktiven im »Bündnis Sahra Wagenknecht« (BSW) bis zum Jahresende geben. Das Bündnis ist ein Verein, der die Gründung einer neuen Partei vorbereitet, die für soziale Gerechtigkeit, »wirtschaftliche Vernunft« und Frieden eintreten will.

Viele Linke im Bundestag sind nicht begeistert über dieses Vorgehen des Vorsitzenden. Ein Mitglied der Fraktion berichtete im Gespräch mit »nd«, eine Mehrheit wolle bislang eine sofortige Trennung von den zehn aus der Partei ausgetretenen Abgeordneten. Alles andere schaffe Verwirrung und weiterhin Situationen, in denen etwa Wagenknecht oder der frühere Parteichef Klaus Ernst ihre Positionen immer noch im Namen der Fraktion vertreten könnten. Bei einer Trennung würden die Arbeitsverträge der Mitarbeitenden der Fraktion Ende März enden. Gäbe es hingegen eine Fraktionsgemeinschaft bis zum Jahresende, so würden Kündigungen erst zum Juni gültig. Das würde dazu führen, dass Mitarbeiter, die schon jetzt nur noch Papiere für das BSW schrieben oder in anderer Weise am Aufbau der konkurrierenden Partei mitwirken, dies weiter als Beschäftigte der Linksfraktion tun könnten.

Auf Nachfrage in der Fraktionspressestelle war zu erfahren, dass »nd« keine Einladung zum Pressehintergrundgespräch bekommen hat und dass der Platz in der Runde »begrenzt« sei. Taz-Redakteur Pascal Beucker schrieb im Onlinedienst X, dass sein Medium ebenfalls nicht zu den Eingeladenen gehörte.

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Am Donnerstagmorgen hatte das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) berichtet, die Fraktion werde den Antrag der BSW-Mitglieder auf Verbleib in der Fraktion voraussichtlich nicht annehmen. Ex-Parteichef Bernd Riexinger sagte den RND-Zeitungen: »Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass wir Leute, die so spalten, wieder in die Fraktion aufnehmen, damit sie dann im Januar mit einem großen Paukenschlag erneut aus der Fraktion austreten können.«

Wagenknecht hatte bei der Vorstellung ihrer Parteigründungspläne am 23. Oktober mitgeteilt, sie und die anderen aus der Linken ausgetretenen Abgeordneten böten unter anderem aus Verantwortungsgefühl für die Mitarbeiter an, bis zum Jahresende in der Fraktion zu bleiben. Entsprechende Anträge gingen bei der Fraktion ein. Ihr Vorsitzender hatte daraufhin die Abspaltung erneut verurteilt und zugleich mitgeteilt, die Fraktion werde über die Anträge »souverän und in großer Ruhe entscheiden«.

Gegenüber »nd« wurde am Donnerstag aus Fraktionskreisen bestätigt, dass die Abstimmung darüber entweder in der Fraktionssitzung am 7. November oder eine Woche später stattfinden soll. Wird die Trennung gleich vollzogen, können Die Linke wie auch die ausgetretenen Abgeordneten jeweils eine parlamentarische Gruppe bilden. Beide hätten deutlich weniger Geld und Redezeit zur Verfügung und auch sonst eingeschränkte Rechte gegenüber jenen einer Fraktion.

Unterdessen ist der Mitgliedersaldo bei der Linkspartei seit dem Austritt von Wagenknecht und Getreuen positiv. Vom 23. bis zum 30. Oktober hätten online 422 Menschen ihren Eintritt in die Partei erklärt, sagte Bundesgeschäftsführer Tobias Bank am Montag in Berlin. Dem stünden einschließlich der zehn Bundestagsabgeordneten um Wagenknecht 224 Austritte gegenüber. Bank sagte, er erlebe derzeit ein »ganz großes Aufatmen« in der Partei. Mit Blick auf die Bundestagsfraktion betonte er, man wolle die Trennung »so schnell wie möglich auch über die Bühne kriegen«, habe aber auch große Verantwortung gegenüber der Politik im Bundestag und gegenüber den Fraktionsbeschäftigten.

Eine derer, die Die Linke aus Frust auch über das öffentliche Agieren Wagenknechts und ihrer Verbündeten verlassen hat, ist Dorothée Menzner. Sie erklärte ihren Parteiaustritt im Dezember 2021, nachdem Klaus Ernst von einer Mehrheit der Fraktion für den Vorsitz des Bundestagsausschusses für Klima und Energie nominiert worden war. Mit der Entscheidung für ihn habe »die Fraktion der Energie-, Klima- und Umweltbewegung wissentlich den Stuhl vor die Tür gestellt«, schrieb Menzner in ihrer Austrittserklärung. Sie war von 2005 bis 2013 für die PDS und dann für Die Linke Mitglied des Bundestags.

Im Gespräch mit »nd« sagte Menzner, die seit Frühjahr dieses Jahres Mitglied der Grünen ist, sie könne sich nun einen Wiedereintritt in Die Linke vorstellen. Dies hänge aber von mehreren Faktoren ab. Unter anderem bleibe abzuwarten, ob die Bundestagsfraktion den »vergifteten Apfel« der BSW-Gründer klar ablehne. Dass sie sich bei den Grünen engagiert, begründet Menzner damit, dass man in einer niedersächsischen Kleinstadt »als Antifaschistin ein Netzwerk vor Ort« brauche. Auf sozialpolitischem Gebiet habe ihre jetzige Partei blinde Flecken. Sie erlebe in ihrer Ortsgruppe aber eine Kultur der Offenheit und des Zuhörens gegenüber Personen mit anderen Auffassungen, die sie in der Linken oft vermisst habe.

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