- Kommentare
- Nahost
Wer sich den Krieg leisten kann
Stephan Kaufmann zur politischen Ökonomie in Nahost
Laut Medienberichten will sich die Regierung Israels bei der Weltbank dafür einsetzen, Teile von Ägyptens internationalen Schulden zu erlassen, wenn das Land palästinensische Flüchtlinge ins Land lässt. Für Ägypten ist das ein reizvolles Angebot. Das Land steckt in einer Krise, es ist nach Argentinien – und vor der Ukraine – der zweitgrößte Schuldner des Internationalen Währungsfonds (IWF), die Hälfte seines Haushalts geht derzeit für Zinszahlungen drauf.
Ebenfalls am Tropf des IWF hängt Jordanien, das seine Finanzen regelmäßig vom Fonds überprüfen lassen muss. Libanon wiederum ist ein ruinierter Staat. Die laut Weltbank »zerstörerischste Krise der modernen Geschichte« hat seine Wirtschaftsleistung halbiert. Der IWF hat bereits davor gewarnt, dass der Krieg in Gaza internationale Investoren aus der Region vertreiben wird und sich die wirtschaftlichen Aussichten dadurch weiter verschlechtern. Saudi-Arabien steht ökonomisch zwar besser da, hat allerdings einen großen Teil seiner geplanten Transformation weg vom Ölexport von Kooperationen mit Israel abhängig gemacht. Keines der Länder kann sich den Krieg in Gaza leisten, geschweige denn eine Auseinandersetzung mit Israel selbst oder den USA, der Hauptmacht in IWF und Weltbank.
Bemerkenswert stabil steht dagegen Israel da, zumindest aus der Sicht der internationalen Kreditgeber, der Finanzmärkte. Die Anleger, die wie Seismografen auf Entwicklungen in Politik und Wirtschaft eines Landes reagieren, zeigen sich vom Krieg in Gaza unbeeindruckt. Das belegt der Zins, den sie von Israels Regierung für zehnjährige Kredite verlangen, und der zeigt, für wie riskant die Anleger das Land halten. Anfang Oktober, vor dem Massaker der Hamas, lag Israels Zins bei 4,3 Prozent. Bis Montag den 6. Oktober war dieser Zins auf 4,2 Prozent gefallen. Das ist weniger als Italien – oder die USA.
Unser täglicher Newsletter nd.Kompakt bringt Ordnung in den Nachrichtenwahnsinn. Sie erhalten jeden Tag einen Überblick zu den spannendsten Geschichten aus der Redaktion. Hier das kostenlose Abo holen.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.