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»Ditib muss sich von der Religionsbehörde Diyanet trennen«

Wegen antisemitischer Äußerungen in der Türkei gerät der Moscheeverband weiter in die Kritik

Der Bochumer SPD-Landtagsabgeordnete Serdar Yüksel sagt, es gebe in der Türkei ein Sprichwort, wenn Menschen besonders hinterlistig sind. »Aus ihren Mündern fließt Honig«, würde man dann sagen. So sei es auch mit dem Moscheeverband Ditib, wenn er mit der Politik oder der Zivilgesellschaft in Deutschland spricht. Alles sei sehr freundlich und wohlmeinend. Wie hinter verschlossener Tür gesprochen werde, sei eine ganz andere Angelegenheit, ist sich Yüksel sicher.

Dass Ditib-Funktionäre auch bei öffentlichen Terminen Probleme haben, ihre Ideologie zu verbergen, musste Yüksel allerdings kürzlich selbst erleben. Die nordrhein-westfälische Landesregierung wollte ein Zeichen gegen Antisemitismus setzen. Es gab eine gemeinsame Erklärung mit Islamverbänden, der zentrale Satz: »Wir werden nicht zulassen, dass terroristische Angriffe der Hamas auf unseren Straßen bejubelt oder auch nur relativiert werden.« Zusätzlich besuchte der Chef der Staatskanzlei Nathanael Liminski gemeinsam mit Vertretern von Islamverbänden eine Synagoge in Köln.

Den Gegenbesuch von Liminski in einer Bochumer Ditib-Moschee wollte sich der SPD-Abgeordnete Yüksel anschauen. Eigentlich nichts Ungewöhnliches – ein Landesminister kommt in den Wahlkreis, da geht man auch als Abgeordneter hin. Ein üblicher Vorgang, »gelebte Staatspraxis«, wie Serdar Yüksel sagt. Nur, die Ditib wollte den Sozialdemokraten nicht in ihren Räumlichkeiten haben. Sie verwiesen Yüksel der Moschee. »Wir kennen dich, du bist hier nicht erwünscht«, das sind die Worte, die der Sozialdemokrat in Erinnerung hat. Er glaubt, dass er wegen seiner kurdisch-alevitischen Herkunft rausgeworfen wurde.

»Die haben mich als ihren Erzfeind identifiziert«, erklärt Yüksel. Nathaniel Liminski habe sein Bedauern geäußert und erklärt, dass er nicht das Hausrecht habe. Eine schwache Reaktion, findet Serdar Yüksel: »Ich wäre an Liminskis Stelle gegangen.« Nicht nur wegen der aktuellen Ereignisse ist der SPD-Landtagsabgeordnete wenig überzeugt von der gemeinsamen Erklärung der Islamverbände mit der Staatskanzlei NRW.

In der Türkei agiert Diyanet antisemitisch

Erklärungen wie die aus Nordrhein-Westfalen oder eine ähnliche, vom Bundesinnenministerium angestoßene passen so gar nicht zu der Kommunikation aus der Türkei. Präsident Erdoğan sprach kürzlich auf einer großen Anti-Israel-Demonstration; die Hamas lobte er als Befreier. Die Diyanet, die oberste Religionsbehörde der Türkei und Leitungsbehörde der Ditib veröffentlichte am vergangenen Freitag eine Rede, in der am Beispiel Gaza zum Kampf gegen Ungläubige aufgerufen wurde. Fragt sich nun: Was vermittelt die Ditib in ihren Gemeinden? Auffällig ist, die gemeinsamen Erklärungen mit der deutschen Politik werden von der Ditib nicht groß öffentlich verbreitet.

Wie passen Verurteilung von Antisemitismus und Aufrufe zum Kampf zusammen? Eren Güvercin ist Mitgründer der muslimisch-liberalen Alhambra-Gesellschaft und Autor. Er kritisiert Ditib schon seit Langem. Er sagt, die »doppelte Kommunikation« sei nichts Neues. Die Ditib habe auch versichert, dass in ihren Moscheen kein Wahlkampf für Erdoğans AKP gemacht werde, trotzdem habe die Partei »in zahlreichen Gemeinden ihren intensivsten Wahlkampf aller Zeiten geführt«. Ähnlich sei es nun mit den Erklärungen, die würden »nur Richtung Politik kommuniziert und nicht in die eigenen Strukturen«.

Spezieller Konflikt in Wuppertal

Wie überzeugt mancher von diesen Erklärungen ist, lässt sich in Wuppertal bestaunen. Montagabend in der Volkshochschule, zum Diskussionsformat »Politische Runde« sind gut 100 Menschen gekommen. In Wuppertal soll das Autonome Zentrum einer Ditib-Moschee weichen. Das bewegt viele Menschen; der Konflikt passt nicht so leicht in Schablonen anderer Auseinandersetzungen um Moscheebauten.

Nachdem sich auf der Bühne eine Islamwissenschaftlerin und ein Autonomer kritisch über die Ditib unterhalten haben, meldet sich aus dem Publikum der ehemalige Integrationsbeauftragte der Stadt zu Wort. Er berichtet, Ditib habe viel Gutes getan, habe geholfen, als Salafisten sich in der Stadt breitmachen wollten, und sich stark in der Hilfe für Geflüchtete engagiert. Man solle doch die Gemeinde vor Ort betrachten.

So etwas ist in Diskussionen über Ditib oft zu hören. Für Eren Güvercin ein Zeichen dafür, dass »die politisch Verantwortlichen« auch nach 40 Jahren Ditib in Deutschland »immer noch nicht verstanden« haben, »wie die Struktur Ditib funktioniert«. Dort gebe es »keine Eigenverantwortung der Basis, sondern strikte Kontrolle«. Güvercin beschreibt ein Top-down-Modell von der Religionsbehörde in Ankara bis zu den Gemeinden in Deutschland.

Wie also mit der Ditib umgehen? In Wuppertal fordert die Islamwissenschaftlerin Marfa Heimbach, man solle miteinander reden, wenn nötig, jahrelang. Damit Autonome und Ditib in Nachbarschaft miteinander weiterleben können. Die Autonomen sehen das als möglich an.

Eren Güvercin hat den Verband bundesweit im Blick und sieht ihn in der Pflicht: »Wenn Ditib in Deutschland eine Zukunft haben will, muss sie sich strukturell, personell und finanziell von der türkischen Religionsbehörde Diyanet trennen.« Außerdem müsse Ditib sich »klar von der antisemitischen Hetze des Chefs der türkischen Religionsbehörde Diyanet, Ali Erbas, distanzieren«; dieser sei das religiöse Oberhaupt der Ditib und habe »volle Kontrolle«. Und die Ditib? Zumindest in Wuppertal bleibt sie still. Erst nach der Diskussion meldet sich ein Vertreter zu Wort. Er erklärt, man sei zu spät eingeladen worden. Inhaltlich sagt er nichts.

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