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Enver-Pascha-Brücke passé
Stadt Potsdam löscht Namen von Kriegsverbrecher aus Straßenverzeichnis
Von der Enver-Pascha-Brücke in Potsdam existieren nur noch Überreste. Sie wurde im April 1945 von Wehrmachtssoldaten gesprengt. Aber auf Karten ist sie noch verzeichnet, obwohl an dieser Stelle lediglich zwei Stahlträger das Wasser überspannen und so Versorgungsleitungen Halt geben. Der eigentlich vorgesehene Wiederaufbau hatte sich mit der Errichtung der Berliner Mauer im Jahr 1961 erst einmal erledigt. Auch nach dem Mauerfall 1989 ist bislang nichts passiert. Anscheinend wird frühestens 2027 etwas daraus.
Mit angedacht ist ein neuer Name. Eventuell Fürst-Pückler-Brücke, weil Pückler maßgeblich an der Gestaltung des angrenzenden Schlossparks Babelsberg mitwirkte. Eine weitere Würdigung des einstigen osmanischen Kriegsministers Enver Pascha (1881–1922) verbietet sich. Denn er sorgte nicht nur dafür, dass die Osmanen im Ersten Weltkrieg zu Deutschland hielten. Er ist auch einer der Hauptverantwortlichen für den Völkermord an den Armeniern in den Jahren 1915 und 1916. Nach einer verlorenen Schlacht gegen Russland betrachtete das Osmanische Reich die Armenier, die auf beiden Seiten kämpften, in Gänze als mögliche Verbündete des Gegners. Hunderttausende wurden in Wüsten deportiert, starben an Hunger und Seuchen oder wurden bei regelrechten Massakern ermordet. Die Angaben über die Zahl der Todesopfer schwanken zwischen 300 000 und 1,5 Millionen.
Enver Pascha hat eine Verbindung zu Potsdam. Als er 1918 gestürzt wurde und an Bord eines deutschen U-Bootes aus seiner Heimat floh, fand er in der Stadt zeitweise Unterschlupf. In Potsdam hat aber auch der Theologe Johannes Lepsius gelebt, der schon während des Krieges den Völkermord an den Armeniern dokumentierte und damit die Zensur auf den Plan rief, weil das deutsche Kaiserreich negative Schlagzeilen über die Verbündeten unterdrücken wollte. Lepsius soll 20 000 Flüchtlingen das Leben gerettet haben. Im Lepsiushaus in der Großen Weinmeisterstraße 45 wird sein Nachlass gepflegt und auch über die Rolle von Enver Pascha beim Völkermord an den Armeniern aufgeklärt.
Insofern ist es besonders peinlich, dass die Enver-Pascha-Brücke noch in Potsdamer Straßenverzeichnissen auftaucht. Ein Bürger, der bei einem Spaziergang darauf aufmerksam wurde, sei 2021 in ihre Sprechstunde gekommen und habe sie aufgefordert, etwas zu unternehmen, erzählt die Stadtverordnete Anja Günther (Linke). Und sie handelte.
Im Januar vergangenen Jahres verlangten Linksfraktion, SPD und Grüne, Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) solle darauf hinwirken, die bisherige Bezeichnung der Brücke aus Karten zu löschen und die Brücke vielleicht nach einer Widerstandskämpferin zu benennen. Begründung: Mörder und Kriegsverbrecher verdienen keine Würdigung.
Aber lange bewegte sich nichts. Günther blieb am Ball. Sie hakte mehrfach nach und fragte im September 2023 die Stadtverwaltung, wann der Beschluss der Stadtverordnetenversammlung endlich umgesetzt werde. Nun wird via Amtsblatt mitgeteilt: Der Name »Enver-Pascha-Brücke wird von Amts wegen eingezogen und aus dem Straßenverzeichnis gelöscht«.
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Damit ist Günther aber noch nicht am Ziel. Für sie ist nur »ein erster wichtiger Schritt zur nachhaltigen Überwindung der noch in Potsdam verhandenen Würdigung eines Kriegsverbrechers erreicht«. Es müsse nun dafür gesorgt werden, dass die Bezeichnung auch wirklich von den gängigen Karten verschwindet. Mit dem Routenplaner von Google beispielsweise kann man sich nach wie vor zu der ominösen Enver-Pascha-Brücke navigieren lassen. Die Stadtverwaltung müsse sich an die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes wenden, damit dergleichen aufhöre, erläutert Günther.
Bei ihrer Anfrage im September wollte die Kommunalpolitikerin auch wissen, ob sich die Stadt bei diesem Vorhaben türkischen Protesten oder einer türkischen Einflussnahme gegenübergesehen habe. Die Antwort lautete: »Es sind keine derartigen Proteste oder Ähnliches bekannt.«
Günthers Frage kam allerdings nicht von ungefähr, wie ein Beispiel aus dem Jahr 2005 zeigt. Der damalige Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) war mit dem türkischen Generalkonsul Aydin Durusay essen. Anschließend verschwand der Völkermord an den Armeniern aus dem Lehrplan für das Fach Geschichte im Land Brandenburg. Bekanntlich leugnete die Türkei, dass es sich bei den Ereignissen 1915 und 1916 um einen Völkermord handelte.
Dass der Genozid aus der Internet-Fassung des Lehrplans gestrichen wurde, sorgte im Januar 2005 für Aufruhr. Armenier, Historiker und Politiker beschwerten sich. Die PDS-Fraktion beantragte eine Missbilligung des Ministerpräsidenten, fand im Landtag allerdings keine Mehrheit dafür. Ziemlich am Ende der Aufregung stand das Versprechen, der gewaltsame Tod Hunderttausender Armenier werde weiter im Unterricht als ein Beispiel für Völkermord genannt.
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