Wann kommt die Halbierung der Ersatzfreiheitsstrafe?

Weiterhin keine Details zu technischer Umsetzung von Bundestagsbeschluss

Mehrere tausend Menschen mit wenig Geld müssen wegen Softwareproblemen länger im Gefängnis bleiben (Symbolfoto).
Mehrere tausend Menschen mit wenig Geld müssen wegen Softwareproblemen länger im Gefängnis bleiben (Symbolfoto).

Die sogenannte Ersatzfreiheitsstrafe ist die häufigste Form der Haft in Deutschland. Schätzungsweise 56 000 Menschen entscheiden sich in Deutschland jährlich dafür. Die meisten von ihnen haben vermutlich keine andere Wahl, denn sie können ihre Geldstrafe für Bagatelldelikte nicht bezahlen. Dies betrifft etwa Verurteilungen wegen des Fahrens ohne Fahrschein oder Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz. Die Betroffenen müssen dann die Anzahl ihrer Tagessätze, zu denen sie vom Gericht verurteilt wurden, als Hafttage absitzen.

Die Ampel-Koalition hatte angekündigt, dass zukünftig zwei Tagessätze an einem Hafttag abgesessen werden könnten. Ein entsprechendes »Gesetz zur Überarbeitung des Sanktionenrechts« hat der Bundestag am 26. Juli beschlossen. Jener Teil, der die Ersatzfreiheitsstrafe betrifft, konnte aber nicht wie vorgesehen am 1. Oktober vollständig in Kraft treten.

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Für die Trödelei verantwortlich war Bayern, das die Federführung für die technische Umsetzung der neuen Regelung übernahm: Der Freistaat hatte mitgeteilt, dass ein von neun Bundesländern genutztes Softwaresystem zur »Strafzeitberechnung« nicht rechtzeitig auf die neue Regelung umgestellt werden könne. Deshalb ist nun das Inkrafttreten des Gesetzes für den 1. Februar 2024 anvisiert.

Jedoch ist unklar, ob die Länder die neue Frist tatsächlich einhalten können. So ist es der Antwort des Justizministeriums auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag zu entnehmen. »Weitere Erkenntnisse liegen der Bundesregierung nicht vor«, schreibt dazu der zuständige parlamentarische Staatssekretär Benjamin Strasser (FDP) und teilt gegen Bayern aus: Die Länder hätten die Pflicht, auf »Umsetzungshindernisse« bei neuen Gesetzen hinzuweisen. Dies habe Bayern jedoch erst Anfang Juli getan.

»Es ist ein Skandal, dass tausende Gefangene darunter leiden müssen, dass die Verwaltung nicht in der Lage ist, eine simple Software-Änderung in ein paar Wochen umzusetzen«, sagt Arne Semsrott von der Initiative Frag den Staat, die seit Jahren die komplette Abschaffung der Ersatzfreiheitsstrafe fordert.

»Die Betroffenen können sich immer noch nicht darauf verlassen, wann die groß angekündigte Halbierung der Ersatzfreiheitsstrafe zur Anwendung gelangt«, kritisiert auch Clara Bünger, die rechtspolitische Sprecherin der Linken im Bundestag. Diese Ungewissheit sei umso größer, da die Häftlinge ohnehin weitreichende soziale Folgen fürchten müssten, darunter etwa einen Wohnungsverlust.

In der Antwort macht die Bundesregierung Angaben zu den Haftkosten, die wegen der Fristverlängerung nicht eingespart werden können. Von Januar bis Juni 2022 saßen durchschnittlich 3 640 Personen wegen einer Ersatzfreiheitsstrafe ein, neuere Zahlen gibt es nicht. Jeder Hafttag schlägt mit 130,70 Euro pro Tag zu Buche. Hochgerechnet würden also bis zum Inkrafttreten des Gesetzes weitere 58,5 Millionen Euro anfallen. Jedoch schreibt das Justizministerium, dass »ein nicht unerheblicher Teil« der mit dem Vollzug einer Ersatzfreiheitsstrafe verbundenen Kosten bei Aufnahme und Entlassung entstünden, und sich diese zukünftig also nicht grundsätzlich halbierten. Wie hoch diese Ausgaben zu beziffern sind, können die Landesjustizverwaltungen aber nicht sagen.

Bünger erwartet nun von den Ländern, dass sie für den Zeitraum der von ihnen verursachten Verzögerung einen Vollstreckungsstopp der Ersatzfreiheitsstrafen anordnen. Dass es dazu kommt, ist aber nicht zu erwarten. Auch der »Freiheitsfonds« will sich darauf nicht verlassen und kündigt für den 5. Dezember den sechsten »Freedom Day« an. An diesen Aktionstagen werden Menschen, die wegen Fahrens ohne Fahrschein einsitzen, aus dem Gefängnis freigekauft, indem Spender ihre Geldstrafen übernehmen. »Die größte Gefangenenbefreiung der bundesdeutschen Geschichte«, schreibt die Initiative dazu auf ihrer Webseite.

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