Britische Regierung: Rishi Sunak mischt die Karten neu

David Cameron wird britischer Außenminister. Eine Hardlinerin muss das Kabinett dagegen verlassen

  • Peter Stäuber, London
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Überraschung war perfekt. Ein Mann, den man schon längst in die politische Ahnengalerie verbannt hatte, kehrte am Montagmorgen in die Regierung in Westminster zurück: David Cameron, ehemaliger Premierminister und Initiator des Brexit-Votums, ist jetzt britischer Außenminister.

Der Tag der Regierungsumbildung begann mit dem Rausschmiss von Suella Braverman. Die Innenministerin hatte in der vergangenen Woche mit zunehmend kontroversen Äußerungen für Empörung gesorgt. Für die größte Konsternation sorgte ein Kommentar zu den propalästinensischen Demonstrationen in London und anderen Städten des Landes. Diese Proteste sind in den vergangenen Wochen immer größer geworden, und Braverman übte Druck auf die Polizei aus, sie zu verbieten – sie sprach von »Hass-Märschen«. Doch die Behörden weigerten sich, zu intervenieren. Daraufhin schrieb Braverman einen wütenden Zeitungskommentar, in dem sie die Polizeiführung beschuldigte, linke Proteste zuzulassen, während sie stets gegen rechte Demos vorgehe. Der Text war offenbar nicht mit Premierminister Rishi Sunak abgesprochen worden.

Am Samstag kam es zu wüsten Szenen in London. Ein Mob von Rechtsextremen raufte sich in Westminster zusammen und begann, die Polizei zu attackieren. Viele Politiker schoben Braverman einen guten Teil der Verantwortung für die Eskalation zu. »Die Szenen, die wir beobachtet haben, sind eine direkte Folge der Worte der Innenministerin«, sagte der Londoner Bürgermeister Sadiq Khan. »Der Job der Polizei ist deutlich erschwert worden.«

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Braverman dachte nicht daran, zurückzurudern. Und in der Downing Street verlor man die Geduld. Sunak hatte offenbar genug von der Ministerin, die ihn stets unterminierte und es ihm damit verunmöglichte, selbst die Richtung vorzugeben. Die sofortige Entlassung am Montagmorgen kam nicht mehr überraschend.

Überrumpelt wurde Westminister hingegen vom Comeback eines Ex-Premiers. Nachdem James Cleverly, der bisherige Außenminister, zum Nachfolger von Braverman ernannt wurde, trat David Cameron den Posten des Außenministers an. »Ich bin ein bisschen müde, aber ich glaube nicht, dass ich eben einen Anfall von Schwindel hatte«, scherzte der BBC-Kommentator, als er ungläubig von der bevorstehenden Berufung Camerons berichtete.

Diese ist in der Tat bemerkenswert. Cameron war von 2010 bis 2016 Premierminister. Er wird dem liberalen Flügel der Tories zugezählt, bekannt ist er jedoch vor allem für eines: Er leitete das Brexit-Referendum von 2016 in die Wege. Viele machen ihn für die jahrelange politische Krise verantwortlich, die das damalige Votum nach sich zog.

Dass er jetzt zurück in die Regierung geholt wird, ist erstaunlich – zumal er sich nach dem Brexit-Votum eilends aus dem Staub gemacht hatte und seit sieben Jahren nicht mehr im Unterhaus sitzt. Aber im britischen System ist dies kein größeres Problem. Cameron wurde kurzerhand in den Adelsstand erhoben, er sitzt ab jetzt als »Lord Cameron« im Oberhaus und darf damit als Minister fungieren.

Einerseits kann der neue Außenminister auf viel Erfahrung zurückgreifen. Er kennt viele hochrangige Figuren in der Weltpolitik, darunter Joe Biden und Xi Jinping, und er weiß, wie internationale Diplomatie funktioniert. »In dieser Zeit des tiefgreifenden globalen Wandels ist es entscheidend für dieses Land, dass wir unseren Verbündeten beistehen, unsere Partnerschaften stärken und unsere Stimme erheben«, twitterte Cameron kurz nach seiner Ernennung.

Sunak hofft wohl, dass der gemäßigte Cameron manche ehemaligen Tory-Wähler, die sich angesichts der rhetorischen Entgleisungen und aggressiven Asylpolitik Bravermans angewidert abgewandt hatten, zurückbringen kann.

Aber dennoch könnte Camerons Wiederbelebung den Tories noch Schwierigkeiten bereiten. Denn Rishi Sunak hat zuletzt versucht, sich als Anführer eines grundlegenden Wandels darzustellen. In seiner Parteitagsrede Anfang Oktober sprach er vom »alten Konsens«, den es zu brechen gelte. Das Aufgebot des Ex-Premiers sendet jedoch nicht unbedingt das Signal, dass Sunak einen Neuaufbruch starten will.

Dazu kommt: Cameron ist ein entschiedener Pro-Europäer in einer Brexit-Regierung. Die Sitzgewinne der Tories in Nordengland in den Wahlen von 2019 waren dem Umstand geschuldet, dass Boris Johnson den Brexit umzusetzen versprach und mehr Investitionen in Aussicht stellte. Damit wollte er auch einen Teil der Sparpolitik, die Cameron mit Eifer verfolgt hatte, rückgängig machen. Die Folgen dieser Austerität waren insbesondere in Nordengland zu spüren – sie trugen einen Teil zum Brexit-Votum bei. Die Rückkehr Camerons wird in diesen Landstrichen kaum Begeisterung auslösen.

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