- Wirtschaft und Umwelt
- Arbeitskämpfe
Tesla steht auf der Bremse
Ein Streik in Werkstätten in Schweden soll einen Tarifvertrag beim Elektroautohersteller erzwingen
Die schwedische Metallgewerkschaft will den tariflosen Zustand bei Beschäftigten, die für Tesla Autos warten und reparieren, nicht länger hinnehmen. Ein vor zwei Wochen begonnener Streik der Automechaniker wurde auf weitere Firmen ausgedehnt und wird durch Sympathieaktionen in anderen Branchen unterstützt.
Mitte Oktober hatte IF Metall genug von der jahrelangen Hinhaltetaktik des Konzerns und ergebnislosen Verhandlungen mit seinem schwedischen Ableger TM Sweden AB. Gewerkschaftsvorsitzende Marie Nilsson rief dazu auf, die Werkstätten des Unternehmens flächendeckend zu bestreiken. Die IF Metall vertritt die Interessen von rund 300 000 Mitgliedern in wichtigen Sektoren der schwedischen Industrie, unter anderem Chemie, Maschinenbau, Automobilbranche, Bergbau und Baustofferzeugung.
Der am 27. Oktober begonnene Ausstand von 130 Mechanikern in den TM-Anlagen findet an Standorten überall im Land statt. Der Aufruf, Tesla-Fahrzeuge nicht weiterhin zu warten, richtete sich an die Beschäftigten in Halmstad, Malmö, Södertälje, Göteborg, Örebro, Norrköping, Stockholm, Danderyd, Linköping, Kungälv, Kungsbacka, Helsingborg, Arlöv, Uppsala und Jönköping. Zuvor war der Versuch einer Schlichtung gescheitert. Die Vertreter des Unternehmens lehnten es ein weiteres Mal ab, mit IF Metall einen Tarifvertrag abzuschließen, wie er für die Automobilindustrie gilt.
Die einfach Tesla Schweden genannte Firma mit mehr als 2000 Angestellten vertreibt die elektrisch angetriebenen Fahrzeuge, ist am Bau von Ladestationen beteiligt und kümmert sich um die Pflege und Instandsetzung von Autos der US-Marke. Außer in der Hauptstadt Stockholm und in der Metropole Göteborg an der Westküste hat das Unternehmen auch in Malmö, Uppsala, Örebro, Jönköping und der hoch im Norden gelegenen Stadt Umeå Niederlassungen. Im Jahr 2022 machte Tesla in Schweden einen Umsatz von umgerechnet mehr als einer halben Milliarde Euro.
Für die Gewerkschaft geht es bei dem Arbeitskampf zum einen um die Gehälter, bessere Arbeitsbedingungen und die soziale Absicherung im Alter ihrer bei Tesla beschäftigten Mitglieder. Darüber hinaus ist der Konflikt mit dem als gewerkschaftsfeindlich bekannten US-Konzern, der sich als Beschleuniger des weltweiten Übergangs zur Nutzung erneuerbarer Energien vermarktet, grundsätzlicher Natur. IF Metall will nicht länger hinnehmen, dass der Multi die Spielregeln auf dem schwedischen Arbeitsmarkt missachtet und sich mit Dumping-Konditionen für sein Personal Konkurrenzvorteile sichert.
Jährlich schließt allein IF Metall im Industriesektor etwa 200 Tarifverträge ab. Tarifbindung ist in Schweden weiter die Regel und sichert hier traditionell wesentlich den sozialen Frieden. Dass Konflikte zwischen den Tarifpartnern zu Arbeitskämpfen führen, ist die absolute Ausnahme.
»Dass wir dazu gezwungen werden, zum Mittel des Streiks zu greifen, ist äußerst ungewöhnlich. Aber nachdem die Führung von Tesla in Schweden deutlich gemacht hat, dass der Abschluss eines Tarifvertrags nicht ansteht, sehen wir keinen anderen Ausweg«, erklärte der bei IF Metall zuständige Tarifsekretär Veli-Pekka Säikkälä. Die Gewerkschaft sei jederzeit bereit, an den Verhandlungstisch zurückzukehren.
Da sich das Management von Tesla weiterhin nicht bewegte, wurde der Arbeitskampf am 3. November verlängert und ausgeweitet. Zu Sympathiestreiks aufgerufen wurden die Automechaniker in 17 von Tesla autorisierten Werkstätten der Firmen Axess, Holmgrens Bil und Werksta. Fahrzeuge der in Schweden populären Marke wurden dort nicht länger angenommen. »Wir haben gesagt: Ihr könnt alle anderen Autos reparieren, aber keine von Tesla«, erklärte IF-Metall-Sekretär Säikkälä gegenüber der gewerkschaftlichen Mitgliederzeitung »Dagens Arbete«.
Ein Treffen zwischen Vertretern von IF Metall und Tesla am Montag vor einer Woche verlief ergebnislos, weitere Gespräche wurden zunächst nicht vereinbart. Vollständig befolgt werden die Streikaufrufe allerdings nicht, da nur Gewerkschaftsmitglieder ein Streikgeld erhalten und Angestellte um ihren Arbeitsplatz fürchten. Die Gewerkschaft wirft Tesla organisierten Streikbruch vor. In den sozialen Medien beschweren sich zudem Tesla-Besitzer, dass sogar Unfallschäden nicht behoben werden. Ihre Fahrzeuge würden zur »Geisel« des Konflikts zwischen Konzern und Gewerkschaft.
Tesla äußerte sich erst nach Tagen in der Öffentlichkeit zum Streik. In einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber der schwedischen Nachrichtenagentur TT bezeichnete es das Unternehmen als »bedauerlich«, dass IF Metall diese Maßnahme ergriffen habe. Tesla halte sich »an die Regeln des schwedischen Arbeitsmarkts, hat sich aber wie viele andere Unternehmen gegen den Abschluss von Tarifverträgen entschieden«. Man biete bereits gleichwertige oder bessere Konditionen, so Tesla, und sehe daher keinen Grund, eine Vereinbarung mit der Gewerkschaft zu treffen.
IF Metall hält dem neben dem Bestehen auf dem schwedischen Arbeitsmarktmodell entgegen, dass die Tesla-Beschäftigten tatsächlich zu schlechteren Bedingungen arbeiten würden, als sie der Automobilindustrie-Tarifvertrag bietet. Zudem würde nur eine solche Vereinbarung eine Garantie bieten, dass Löhne und Sozialleistungen nicht einseitig gekürzt werden. Ein Tarifvertrag würde rechtsverbindliche Untergrenzen festlegen, die Tesla gern überbieten dürfe.
Mit unserem wöchentlichen Newsletter nd.DieWoche schauen Sie auf die wichtigsten Themen der Woche und lesen die Highlights unserer Samstagsausgabe bereits am Freitag. Hier das kostenlose Abo holen.
Aus Solidarität mit dem Arbeitskampf bei Tesla ließ die Transportarbeitergewerkschaft Svenska Transportarbetareförbundet (Transport) vor einer Woche das Entladen von Tesla-Autos in den Häfen von Malmö, Södertälje, Göteborg und Trelleborg einstellen. Der Transport-Vorsitzende Tommy Wreeth sieht im Tesla-Streik »auch einen Kampf der gesamten schwedischen Arbeiterbewegung«. Kein einziger Tesla dürfe auf schwedischen Boden gelangen, denn es gelte, das »schwedische Modell« zu verteidigen. Ab Ende dieser Woche wird die Verweigerung der Entladung der E-Autos auf alle Häfen des Landes ausgeweitet. Nach Medienberichten sind mehrere Schiffe mit für Schweden bestimmten Tesla-Fahrzeugen in die Häfen anderer Länder umgeleitet worden.
Bereits am vergangenen Freitag wurden zur Unterstützung der Tesla-Mechaniker vier weitere Werkstätten in den Sympathiestreik einbezogen. Auch planen andere schwedische Gewerkschaften Aktionen, um sich mit IF Metall zu solidarisieren. So will der Verband der Elektriker noch in dieser Woche dafür sorgen, dass Ladestationen von Tesla in Schweden nicht länger gewartet werden. Die Sparte der Reinigungskräfte im Gewerkschaftsbund LO lässt ab dem 17. November alle Tätigkeiten auf dem Tesla-Firmengelände ruhen. Für Schwedens Gewerkschaften geht es in dieser Auseinandersetzung ums Ganze.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.