Umwelt-Lobbyismus: Knast für das Gift-Kartell

Jürgen Resch streitet unbeirrbar weiter gegen Autolobby, Luft- und Bodenverschmutzer sowie Architektursünden

  • Klaus Gietinger
  • Lesedauer: 5 Min.

Jürgen Resch ist ein rotes Tuch für das deutsche Autokartell, für VW, Mercedes-Benz, BMW und Audi – und »natürlich« auch für manchen Autofahrer. Er eckt ebenso an bei der Chemie-Industrie, bei Plastik-Produzenten, bei Lidl und Coca Cola. Und in der Politik, so sie sich gerade an der Macht wähnt, hat er auch nicht viele Freunde. Denn Resch ist zusammen mit der Deutschen Umwelthilfe (DUH) einer der schärfsten Kritiker des deutschen Kapitals und dessen Regierungen.

Wer sich so viele Feinde schafft, braucht ab und an sogar Polizeischutz und ist auf allen politischen und gesellschaftlichen Ebenen permanenten Angriffen ausgesetzt. Das hat auch damit zu tun, dass die DUH, die er vertritt, über etwas politische, publizistische und finanzielle Macht verfügt, last not least über einen Topanwalt, Remo Klinger. Dabei tut Resch nichts Illegales, er nutzt nur zwei Pfeiler der Demokratie: die Öffentlichkeit und die Gerichte.

Er kommt in seinem Buch recht unprätentiös daher. Als junger Mensch entwickelte Resch sich zu einer Art Birdman of Bodensee, rettete Vögel vor der Chemie-Vergiftung, kämpfte schon früh gegen Bodenverschmutzung, Abwässer und Architektursünden. Dabei halfen ihm mutige Redakteure von Regionalzeitungen, auch mal ein Regionalpolitiker mit Gewissen, Bürger mit Zivilcourage, und hin und wieder hatte er auch das Glück des Tüchtigen. So war er einer der Ersten, die sich erfolgreich auf Bäumen festbanden und nicht wichen, was den seinerzeit noch als Volkspartei sich gerierenden Männerbund CDU erfolgreich zu Zugeständnissen zwang. Schon damals fand er Verbündete in den Gerichten. Doch all das dauerte. Resch wurde dabei immer professioneller, und die DUH, deren Geschäftsführer er seit nunmehr 35 Jahren ist, entwickelte sich durch ihn zu einem Umwelt-Verband erster Güte.

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Und weil er sich nicht bestechen ließ, sich nicht parteipolitisch band, obwohl er sicher das Erstarken der Grünen anfangs mit Sympathie begleitete, konnte und kann er jede maßgebliche Partei angreifen, seien es CDU/CSU, SPD, FDP oder die Grünen. Letzteren bescheinigt er seit Jahren, dass sie fast immer, wenn sie in Regierungsfunktion kommen, versagen und sich von ihren Koalitionspartnern vorführen lassen.

Auf der anderen Seite hatte er keine Scheu vor CDU-Männern wie dem ersten Umweltminister Klaus Töpfer, der wider Erwarten gute Umweltpolitik machte und bockte, wenn seine Parteispezln sich als Industriefreunde ohne Gewissen aufführten. Auch Jürgen Trittin bekommt von Resch gute Noten. Das viel belächelte Dosenpfand ist ein Meilenstein auf dem Weg zum Erhalt des Mehrwegsystems. Und Pseudosaubermänner wie Günther Jauch, die Lidl-Einwegflaschen als Umweltfortschritt bewerben, bekommen es mit Klagen der DUH zu tun.

An den Pranger stellt Resch Ministerpräsidenten wie Roland Koch, Markus Söder oder Winfried Kretschmann, Umweltminister – oder sollte man sagen Umweltversager? – wie Peter Altmaier, Angela Merkel und Sigmar Gabriel, Finanzminister wie Hans Eichel, Kanzler wie Gerhard Schröder und last not least sämtliche Verkehrsminister. Alle haben sie den Konzernen freie Fahrt bei Umweltverbrechen gewährt, und einige haben deren Tausende von Menschen gefährdende Taten auch dann nicht unterbunden, als Gerichte es forderten. Als Beispiel sei hier kurz der Dieselskandal skizziert, der den größten Teil von Reschs Buch einnimmt und der spannendste in einem insgesamt spannenden Buch ist.

Schon früh, lange vor dem großen Knall in den USA, hatten Resch und die DUH darauf hingewiesen, dass die Dieselfahrzeuge nur auf dem Prüfstand saubere Werte produzieren, auf der Straße aber ein Vielfaches an Stickoxiden ausstoßen würden. Die illegalen Abschaltvorrichtungen waren also früh bekannt. Doch die Konzerne logen, staatliche Stellen behinderten die Aufklärungsarbeit massiv, das Kraftfahrt-Bundesamt weigerte sich Werte zu übermitteln, dessen Chef arbeitete offen mit dem »Gift-Kartell« (Resch) zusammen und übermittelte per E-Mail »industriefreundliche Grüße«.

Die Politik wiegelte ab, stellte sich vor und hinter die Betrugs-Konzerne. Institute wurden angewiesen, auf der Straße und für die DUH nicht zu messen, Messgeräte wurden verweigert. Kritische Männer im Umweltbundesamt wurden gefeuert wie Axel Friedrich von Gabriel (einem besonders kapitalaffinen Minister gegen die Umwelt). Die DUH musste in die Schweiz ausweichen und bewies, dass die modernsten Dieselfahrzeuge auf der Straße die schlimmsten Umweltverschmutzer waren, mit vielfach überschrittenen Grenzwerten.

Wieder log das Autokapital, wieder logen die deutschen Regierungen. Doch vor Gericht eilte die DUH von einem gewonnenen Prozess zum nächsten. Das Kraftfahrt-Bundesamt wurde gezwungen, seine Messungen zu veröffentlichen – und es schwärzte sie komplett. Erst nach zwölf Gerichtsurteilen gab es den Bericht ungeschwärzt frei. Dann wurden nutzlose Software-Updates angeboten, Resch verleumdet; Mediziner wie Dieter Köhler lieferten komplett falsche Werteberechnungen, die wurden von »Bild«, »FAZ« und von der »Achse der guten Lüge« verbreitet. Insbesondere in der »Welthauptstadt des Automobilbaus« (Resch), in Stuttgart, wo nicht Kretschmann, sondern Porsche und Daimler herrschten, und in der Autostadt mit Herz, München, wo Söder von BMW am Nasenring geführt wurde, gab es die schlimmsten Feinstaub- und Stickstoff-Werte; und genau diese Politiker weigerten sich bis zuletzt, Gerichtsurteile umzusetzen, die Fahrverbote forderten.

Die DUH erreichte viel, Fahrverbote, Umweltzonen, doch nach wie vor wird mit Dieselfahrzeugen betrogen, werden Gerichtsurteile missachtet, Hardware-Nachrüstungen verhindert, nach wie vor »regieren die Autokonzerne durch« (Resch). Und das, obwohl im größten Autoland der Welt, in den USA, längst die schärfsten Vorschriften durchgesetzt sind. In Deutschland wird sich erst etwas ändern, wenn einige dieser Politiker (der Europäische Gerichtshof hat das für Söder und Kretschmann schon in Erwägung gezogen) in den Knast wandern und dann das »Durchregieren« des »Gift-Kartells« aufhört.

Für Jürgen Resch wird dann schon das erste Denkmal, vermutlich von seinem Freund, dem satirischen Bildhauer Peter Lenk, errichtet worden sein. Mit diesem Buch hat Resch sich schon selbst eins gesetzt.

Jürgen Resch: Druck machen. Wie Politik und Wirtschaft wissentlich Umwelt und Klima schädigen und was wir wirksam dagegen tun können. Ludwig, 336 S., geb., 22 €.

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