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Tarifabschluss am Anne-Frank-Zentrum: Dem Ungewissen entgegen
Langer Arbeitskampf am Anne-Frank-Zentrum bringt verbesserte Arbeitsbedingungen
Es ist eine Binse: Ein erfolgreicher Arbeitskampf ist von verschiedenen Faktoren abhängig. Ein guter Organisationsgrad allein reicht nicht. Und Erfolg ist nicht immer daran ablesbar, inwiefern einmal von Gewerkschaftsmitgliedern aufgestellte Ziele erreicht werden. Es sind diese Mitglieder, die zu entscheiden haben, ob sie ein Ergebnis am Ende für annehmbar halten oder ob sie den Arbeitskampf fortführen wollen. In dem Sinne bestimmt sich Erfolg rückwirkend dadurch, was unter den jeweiligen Umständen durchsetzbar war.
Am Montag hat die Tarifkommission der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) in Abstimmung mit der simultan tagenden Mitgliederversammlung des Anne-Frank-Zentrums (AFZ) einem Eckpunktepapier mit den Vertreter*innen des AFZ zugestimmt. Neun Monate, nachdem die Beschäftigten zum ersten Mal ihre Forderungen überbracht haben, überwiegt auf Seiten der Gewerkschaftsaktiven die Zufriedenheit. Das gilt für festangestellte und freie Mitarbeitende gleichermaßen.
Eine echte Bindung der Entgelte an den Tarifvertrag der Länder (TV-L), wie von Verdi beabsichtigt, wurde jedoch nicht vereinbart. Die Löhne der Festangestellten steigen zwar mit jenen der Beschäftigten, die unter den TV-L fallen, liegen aber zum Teil noch darunter. »Wir sind aber näher herangekommen an den TV-L«, sagt Gewerkschaftssekretärin Jana Seppelt zu »nd«. Je nach Entgeltstufe des komplizierten Systems, das Löhne von Tätigkeit und Erfahrung ableitet, bedeute das ein Lohnplus zwischen sechs und 16 Prozent, heißt es in einer Mitteilung von Verdi. Allerdings hat das AFZ im Fall einer durch den TV-L ausgelösten Lohnerhöhung nach wie vor die Möglichkeit, den Tarifvertrag zu kündigen. Die nach Abschluss eines neuen TV-L anstehenden Erhöhungen für die AFZ-Beschäftigten wurden aber schon zugesichert.
Ein freier Mitarbeiter, der seit 2021 die bundesweiten Wanderausstellungen betreut, spricht ebenfalls von einem guten Abschluss. Auch wenn man im Vergleich zu staatlichen Einrichtungen, die Honorarpauschalen von etwa 65 Euro pro Stunde zahlten, nicht wettbewerbsfähig sei, halte er die nun verhandelten 38 Euro für eine »substanzielle Verbesserung«. Hinzu kämen weitere Regelungen für die freien Beschäftigten, wie die Vergütung von Vor- und Nachbereitungsarbeit und die Bezahlung einer Vertretung der freien Mitarbeiter*innen.
Am AFZ hat sich über die Jahre eine nahezu einzigartige Betriebskultur entwickelt. Feste und freie Mitarbeitende organisieren sich gemeinsam. So wurde parallel zum ersten Tarifvertrag 2018 auch eine Vereinbarung für die freien Mitarbeitenden getroffen. Dieses Miteinander hat die Arbeiter*innen auch durch diese Auseinandersetzung getragen. Betriebsrat Roman Guski spricht von einem großen Erfolg für alle Beschäftigtengruppen.
Seit 30 Jahren arbeitet das AFZ im Bereich historische Bildung und Antisemitismusprävention. Es war dabei stets auf befristete Förderungen angewiesen. Veronika Nahm, Direktorin des AFZ, bezeichnet die Tarifeinigung deshalb als »wirtschaftlich herausfordernd«. Gerade jetzt sei aber eine »Anerkennung der gesellschaftlich wertvollen Arbeit« besonders wichtig.
Die Finanzierung von freien Trägern durch Bund und Länder hält Gewerkschafterin Seppelt für »eine Katastrophe in der gegenwärtigen Situation«. Laut aktuellem Bundeshaushaltsentwurf müsste das AFZ ab 2024 auf bis zu ein Drittel seines Budgets verzichten – das entspricht etwa zehn Stellen. »Stellensicherung geht vor«, antwortet daher Betriebsrat Guski mit Blick auf die getroffene Tarifvereinbarung.
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