Parteitag der Linken: Neues Logo, neuer Anlauf

Die Linke ist eine erfolgs-, aber auch krisenerfahrene Partei. Kann ihr das jetzt helfen?

Vielleicht hätte Die Linke ihren Parteitag nicht nach Augsburg, sondern nach Köln einberufen sollen. Denn Artikel 3 des dortigen inoffiziellen Grundgesetzes lautet: Et hätt noch emmer joot jejange. Ein gewisses Quantum von jenem rheinischen Grundoptimismus, demzufolge es wie immer irgendwie gut ausgehen wird, kann die gebeutelte Partei durchaus gebrauchen. Denn sie hat schon in besseren Zeiten getagt. Und kann sich andererseits daran erinnern, dass sie schon einige schwere Krisen überstanden hat.

Das war schon so, als im Herbst 1989 die SED faktisch zusammengebrochen war und sich die Frage stellte, ob die Partei sich auflöst oder doch noch einen Weg in die Zukunft findet. Die Erneuerer setzten sich durch; es war eine Zeit voller Konflikte und jäher Wendungen, weil viele Menschen die Partei verließen, auch namhafte und einflussreiche unter jenen, die sich zunächst für den Übergang zur PDS eingesetzt hatten.

Opposition oder Mitregieren?

Die 90er Jahre hindurch war die PDS nicht nur damit dauerbeschäftigt, ihre Rolle im vereinigten Deutschland zu finden. Es ging um die Frage von Opposition und Mitregieren unter ganz neuen Umständen. Und innerhalb der Partei tobte ein verbissener Kampf um die Bewertung der DDR-Geschichte und -Erfahrungen; im Zentrum dabei der Umgang mit dem Erbe der DDR-Staatssicherheit. Dieser Konflikt hat die PDS zuweilen fast zerrissen, auch weil er immer im Fokus der medialen Öffentlichkeit stand.

Ende der 90er schien die PDS die Kurve gekriegt zu haben. Sie hatte eine vollwertige Fraktion im Bundestag, regierte in Mecklenburg-Vorpommern mit der SPD, tolerierte in Sachsen-Anhalt eine rot-grüne, dann eine SPD-Minderheitsregierung. Und dann die dramatische Pleite bei der Bundestagswahl 2002: Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde, nur noch zwei Direktmandate in Berlin. Die PDS wurde zerrieben in einem Wahlkampf zwischen den Machtblöcken Rot-Grün und Schwarz-Gelb, und sie bekam von den Wählern die Quittung für Kompromisse beim Mitregieren.

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Wieder brachen die Grundsatzdebatten auf über politischen Widerstand und Anpassung. Es kam ein unglücklich agierender, zerstrittener Parteivorstand, manche Auseinandersetzungen gingen später bis vor Gericht, und erst der in größter Not zurückgerufene Ex-Parteichef Lothar Bisky konnte mit ein paar dezenten, doch für seine Verhältnisse deutlichen Machtworten die Partei wieder zusammenführen.

Die Linke war die Angreiferin

Vielleicht aber waren die Außenseiterrolle der PDS in jenen Jahren und auch die Außenseiterrolle des längst aus der SPD ausgetretenen Oskar Lafontaine eine wichtige Voraussetzung dafür, dass schließlich das Projekt Linkspartei in Fahrt kam und zunächst eine große Erfolgsgeschichte wurde. Aber auch hier wurden bald Risse deutlich. Beispielsweise war der Machtkampf zwischen dem damaligen Parteichef Lafontaine und dem seinerzeitigen Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch, der 2010 mit dessen zeitweisem Rückzug endete, keineswegs nur eine Frage persönlicher Differenzen. Und spätestens seit Wagenknechts und Lafontaines Positionen zur Migrationspolitik seit 2015 wurde der Konflikt zum Dauergast in der Linken.

Es gibt Personen, die die inzwischen mehr als 30 Jahre lange Geschichte und Vorgeschichte der Linkspartei geprägt haben. Dietmar Bartsch gehört dazu, Gregor Gysi, Sahra Wagenknecht, Gesine Lötzsch, Petra Pau und andere – das ist eine Generation, die schon sehr lange in den politischen und innerlinken Auseinandersetzungen steht und sich nach und nach (so oder so) verabschiedet. Jüngere Generationen folgen, unbelastet von den alten Konflikten, aber mittendrin in neuen Streitfragen. Die Zeiten werden ungemütlicher und unübersichtlicher.

In der gegenwärtigen Krise ist Die Linke, die sich jetzt neu definieren und finden muss, in einer anderen Rolle als bei früheren Gelegenheiten. 1990 ging es für die PDS um puren Überlebenskampf. 15 Jahre später traf Die Linke in ihrer Gründungszeit einen Nerv vieler Menschen, als sie sich vehement gegen das Hartz-Regime und die Agenda 2010 wandte. Die Linke war die Kritikerin, die Angreiferin. Heute ist sie selbst die Attackierte; als weltfremd und selbstvergessen kritisiert von einer neuen politischen Kraft, die in ihren eigenen Reihen entstanden ist.

Im Fraktionssaal der Linken im Bundestag hängt neben dem Bild von Clara Zetkin auch eines von Lothar Bisky. Der langjährige PDS- und Linke-Vorsitzende starb 2013. Vielleicht ist es ganz gut, dass er nicht mehr miterleben muss, wie seine Partei erodiert. Ob es nach der Bundestagswahl 2025 wieder einen Linke-Fraktionssaal geben wird, ist ungewiss. Es müssen schon sehr viele Pläne und Wünsche der Linken in Erfüllung gehen, wenn das gelingen soll.

Zunächst soll der Parteitag in Augsburg den Aufbruch aus der Krise bringen. Die Trennung vom Wagenknecht-Flügel ist vollzogen; Hunderte Mitglieder treten neu oder wieder ein, darunter ein paar Prominente. Sogar das Parteilogo wurde dezent erneuert. Im Gegensatz dazu kann man die inhaltliche Erneuerung, von der die Parteiführung redet, nicht bei einer PR-Agentur bestellen. Sie wird etwas länger dauern.

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