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Klinikum droht die Luft auszugehen
Kommunale Krankenhaus GmbH im Landkreis Elbe-Elster steckt in existenzieller Geldnot
In einem vier Minuten und 46 Sekunden langen Video wirbt das kommunale Elbe-Elster-Klinikum nach wie vor für seine Abteilung Gynäkologie und Geburtshilfe. Hebamme Veronika Jeschke, Oberärztin Zainab Moualla und etliche Kolleginnen treten vor die Kamera und präsentieren unter anderem die drei Kreißsäle, die den Gebärenden durch ihre farbliche Gestaltung ein Gefühl der Geborgenheit vermitteln sollen. Junge Frauen kommen aus einem Umkreis von mehr als 50 Kilometern nach Herzberg. Sie bringen hier pro Jahr rund 500 Kinder zur Welt.
Ab 1. Januar werde Herzberg jedoch nicht mehr als Geburtsort in den Geburtsurkunden auftauchen, beschwert sich Bürgermeister Karsten Eule-Prütz (parteilos). Dabei genössen die Gynäkologie und die Geburtshilfe einen guten Ruf. Doch sie sollen aus Kostengründen geschlossen werden. Denn die Elbe-Elster-Klinikum GmbH mit Krankenhausstandorten in Herzberg, Finsterwalde und Elsterwerda steckt in bedrohlichen finanziellen Schwierigkeiten. Nach der Corona-Pandemie sank die Auslastung der Betten auf nur noch 50 Prozent. Voraussichtlich neun Millionen Euro Defizit macht die GmbH im laufenden Jahr. »So eine Schieflage gab es noch nie«, erklärt Joachim Pfützner. Er ist Linksfraktionschef im Kreistag und gehört dem Aufsichtsrat des Klinikums an. Früher habe die GmbH immer Gewinne gemacht und Rücklagen für Investitionen gebildet. Aber die Reserven werden nun aufgebraucht. Bei erwarteten elf Millionen Euro Defizit im kommenden Jahr würden die Rücklagen nicht mehr ausreichen.
Darum empfiehlt der Aufsichtsrat einschneidende Maßnahmen. Vom Krankenhaus in Finsterwalde soll vorerst nichts übrigbleiben als die Abteilung für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik. Erst wenn sich die GmbH konsolidiert habe, so heißt es, solle in Finsterwalde eine medizinische Basis- und Notfallversorgung etabliert werden, wozu es eines engen Schulterschlusses mit der Kassenärztlichen Vereinigung bedürfe. In Herzberg solle neben der Gynäkologie und Geburtshilfe auch die Pädiatrie entfallen. Denn für die Kinderheilkunde würde ab Mitte des Jahres 2024 das Personal fehlen. Die freien Stellen müssten dauerhaft durch teure Honorarkräfte besetzt werden – und das könne sich das Klinikum nicht leisten.
»Es geht um den Erhalt des Elbe-Elster-Klinikums«, verdeutlicht Aufsichtsratschef Bernd Heinke die dramatische Lage. Die zu treffenden Entscheidungen seien »schwer, aber unausweichlich«. Der Kreistag muss zustimmen und soll dies am 11. Dezember tun. Eine Alternative scheint es nicht zu geben, denn Landrat Christian Jaschinski (CDU) stellt klar, »dass es die finanzielle Situation des Landkreises nicht hergibt, Defizite der Klinikgesellschaft auf Dauer auszugleichen«. Es gehe ums Überleben. Trotzdem träumt Jaschinski noch von einem modernen Krankenhaus an zentraler Stelle für 95 Prozent der Bevölkerung. Gemeint ist der Neubau eines sogenannten Level-2-Krankenhauses in Doberlug-Kirchhain, während die bestehenden Krankenhäuser in Finsterwalde, Herzberg und Elsterwerda nur der Grundversorgung dienen. Sie verfügen beispielsweise nicht über ein rund um die Uhr besetztes Herzkatheterlabor und auch nicht über eine zertifizierte Stroke Unit, weshalb 71 Prozent der Herzinfarkte in der Region und 74 Prozent aller Schlaganfälle außerhalb des Landkreises behandelt werden müssen.
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Im August zeichnete sich das Defizit von neun Millionen Euro zwar schon ab. Aber da gab es noch Zuversicht. So äußerte sich Pflegedirektorin Judith Koch: »Die aktuellen Herausforderungen bieten auch Chancen.« Allerdings wusste der ärztliche Direktor Roland Reinehr bereits: »Nach der Corona-Pandemie und vor der geplanten Krankenhausreform befindet sich unser Klinikum an einem Wendepunkt.« Und Landrat Jaschinski versprach angesichts der Sorgen und Ängste, die er ernst nehme, er werde »alles daran setzen, damit unser Elbe-Elster-Klinikum mit seinen drei Krankenhäusern die gegenwärtigen Herausforderungen meistern kann und die Standorte dadurch erhalten bleiben«. Noch im September lobte Brandenburgs Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) den Neubauplan. Man müsse neue Wege beschreiten. »Die Initiative des Landkreises Elbe-Elster geht hier mutig voran, um die gesundheitliche regionale Versorgung der Bevölkerung dauerhaft zu sichern«, sagte sie.
Doch die Kosten für den Neubau werden auf 120 bis 150 Millionen Euro geschätzt, erklärt Linksfraktionschef Joachim Pfützner. Damit ist der Traum vom Level-2-Krankenhaus nach seiner Einschätzung wahrscheinlich ausgeträumt. Man hätte sowieso Fördermittel benötigt. Aber wo nun die Rücklagen des Klinikums aufgebraucht werden, hätte man kein Geld mehr für den aufzubringenden Eigenanteil für die Investition. Der Aufsichtsrat sehe keine andere Möglichkeit, als Leistungen einzuschränken. Mit Blick auf die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) betriebene Krankenhausreform bemerkt Pfützner bitter: »Lauterbach liefert uns quasi ans Messer.«
Landrat Jaschinski meint: »Es ist dringend erforderlich, dass der Bund in einem sogenannten Vorschaltgesetz die derzeitigen wirtschaftlichen Risiken der Kliniken bundesweit abfedert, sodass diese überhaupt die Chance haben, den ohne Zweifel notwendigen Transformationsprozess mitzugestalten und die stationäre Versorgung zu sichern.«
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Hannes Walter hat nach eigener Auskunft von den vorgesehenen einschneidenden Maßnahmen aus der Zeitung erfahren. Es habe ihn »genau wie viele Menschen in der Region geschockt«. Walter wurde 1984 in Finsterwalde geboren, hat dort sein Wahlkreisbüro und wohnt in der benachbarten Gemeinde Massen-Niederlausitz. »Die Ankündigung, dass das Krankenhaus in Finsterwalde vor dem Aus steht und dass zwei Abteilungen in Herzberg geschlossen werden sollen, ist für mich nicht nachvollziehbar«, sagt der Bundestagsabgeordnete. »Dem Bund die Schuld für die finanzielle Schieflage des Elbe-Elster-Klinikums in die Schuhe zu schieben, ist unseriös und auch faktisch falsch. Der Bund hat die Kliniken in ganz Deutschland in den vergangenen Jahren auf vielfältige Weise unterstützt. Hierzu zählen Zuschläge, um die Auswirkungen der Corona-Pandemie abzufedern.«
Dass die Coronahilfen das Klinikum durch die Pandemie gerettet haben, bestätigt der Kreistagsabgeordnete Pfützner. Doch im ersten Halbjahr 2023 sind die Kosten nach Angaben des Klinikums im zweistelligen Prozentbereich gestiegen, nicht zuletzt durch die Inflation.
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