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Italien und Ukraine in der EM-Quali: Ein 0:0 wird zum Fußballfest

Die ukrainischen Fußballer verpassen die Sensation, Italien darf zur EM. Ganz ohne Tore genießen Spieler und Fans in Leverkusen einen tollen Abend.

  • Daniel Theweleit, Leverkusen
  • Lesedauer: 4 Min.
Ein Abend voller Fairness-Gesten: Italiens Francesco Acerbi (l.) und der Ukrainer Mychajlo Mudryk
Ein Abend voller Fairness-Gesten: Italiens Francesco Acerbi (l.) und der Ukrainer Mychajlo Mudryk

Tore haben den Ruf, die Essenz des Fußballs zu sein, das Fleisch am Knochen dieses mitunter etwas zäh erscheinenden Spiels, aber manchmal entsteht der Zauber der Sportart sogar ohne irgendwelche Treffer. Das 0:0 in der EM-Qualifikation zwischen der Ukraine und Italien war exakt so ein Fest des Fußballs auf ganz unterschiedlichen Ebenen: sportlich, historisch und vor dem Hintergrund der Weltlage irgendwie auch politisch. »Die Spieler haben den Charakter der Ukraine gezeigt«, sagte ihr Trainer Serhij Rebrow, nachdem seine Mannschaft die direkte Qualifikation für die Europameisterschaft 2024 verpasst hat und auf eine erfolgreiche Playoff-Runde im kommenden März hoffen muss. »Sie alle wissen, dass der Krieg in der Ukraine weiterläuft. Es ist immer noch sehr hart für die Spieler, sie schauen ständig auf ihre Handys und verfolgen die Nachrichten aus der Heimat«, erklärte Rebrow, es sei nicht einfach, in dieser Atmosphäre zu arbeiten.

Das ist einerseits sehr traurig, trug aber nicht unwesentlich zur Intensität dieses Fußballabends bei. Die Ukrainer trugen diese offiziell als Heimspiel deklarierte Partie im Rheinland aus, weil hier besonders viele ukrainische Flüchtlinge untergekommen sind, die dann auch tatsächlich ein Heimspielambiente erzeugten. Aber auch die Italiener trugen viel zur intensiven Stimmung bei, die jederzeit friedlich und respektvoll war. Während der ukrainischen Hymne applaudierten viele Italiener sogar. So war gar ein Hauch jenes Turnierzaubers zu spüren, den sich die deutschen Veranstalter für den kommenden EM-Sommer wünschen. Und äußerst spannend war es ebenfalls.

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Als die Schlussphase anbrach, war alles angerichtet für ein neuerliches italienisches Drama des Scheiterns. Ein Tor für die Ukraine und der EM-Titelverteidiger hätte nach den verpassten Weltmeisterschaften 2018 und 2022 eine weitere direkte Turnierqualifikation verpasst. Die Italiener waren zwar über die 90 Minuten hinweg gesehen die etwas bessere Mannschaft, aber das Trauma des Gegentreffers gegen Nordmazedonien in der zweiten Minute der Nachspielzeit, durch den die Mannschaft 2022 die WM in Katar verpasst hatte, war in den Nachspielminuten von Leverkusen nun als tiefe Angst allgegenwärtig.

Die hingebungsvollen Ukrainer drängten mit zunehmender Verzweiflung auf einen Treffer, mit dem sie Italien vom direkten Qualifikationsplatz verdrängt hätten. Und dann gab es in der Nachspielzeit diesen Fußkontakt zwischen Mychajlo Mudryk und Francesco Acerbi im Strafraum, den die Schiedsrichter mit guten Argumenten als Foulspiel hätten betrachten können. Vermutlich war die Szene auch an den Bildschirmen keine eindeutige Fehlentscheidung, zumindest blieb ein Eingriff des Videoschiedsrichters aus. Wenn es den Strafstoß für die Ukraine gegeben hätte, hätte aber auch kein klarer Fehler vorgelegen. »Aus meiner Sicht war das ein Elfmeter«, befand Rebrow später.

So blieb dem Spiel seine Schlusspointe verwehrt, und die Italiener konnten feiern, statt ein weiteres tragisches Fußballdrama erleiden zu müssen. »Es war keine Selbstverständlichkeit, sich für die Europameisterschaft zu qualifizieren, so wie im Fußball überhaupt nichts einfach ist«, sagte Luciano Spalletti, der Meistertrainer des SSC Neapel, der seit dem Sommer für die Squadra Azzurra verantwortlich ist und einen Umbruch eingeleitet hat.

Besonders in den 20 Minuten vor der Halbzeitpause war Spallettis flügellastiger Offensivstil gut erkennbar gewesen, Italien bot zudem die stärkeren Einzelspieler auf. Allerdings handelt es sich um ein neues, noch unerfahrenes Italien, das im kommenden Jahr bei der EM antreten wird. »Wir hatten die Möglichkeit, in Führung zu gehen, aber wenn das nicht gelingt, ist es ganz normal zu leiden«, sagte Spalletti. Zumal den Italienern ihre Gelassenheit abhandengekommen ist, diese Selbstgewissheit, mit der Gegner zermürbt und zahllose Spiele der Vergangenheit zu zähen Aneinanderreihungen von Unterbrechungen wurden. Die hohe Kunst der Destruktion gehört derzeit nicht zum Wesen dieser Mannschaft, auch wenn sie ihr an diesem Abend sehr geholfen hätte.

Dass dieser Erfolg in dieser schönen Atmosphäre in Deutschland geschafft wurde, nährt dennoch die Zuversicht für den kommenden Sommer. Die rund 6000 Italiener im überwiegend mit Ukrainern gefüllten Stadion haben »uns ihre ganze Unterstützung spüren lassen«, sagte Spalletti, das sei »ein gutes Omen« für die EM. Und Torhüter Gianluigi Donnarumma dachte bereits über eine Titelverteidigung nach. »Wir sind überglücklich, weil wir wieder da sind, wo wir hingehören«, sagte er, »und das ist nur gerecht so, weil wir der Titelverteidiger sind und die EM nächstes Jahr auch wieder gewinnen wollen.« Die Ukrainer hingegen treffen in den Playoff-Halbfinals entweder auf Bosnien-Herzegowina, Israel oder Polen.

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