Tempelhofer Feld: Senat beschließt Gesetzesänderung für Container

Nach langem Einigungsprozess beschließt der Berliner Senat die Änderung des Tempelhofer-Feld-Gesetzes

Der Beschluss des Senats, das Tempelhofer-Feld-Gesetz (ThF-Gesetz) zu ändern, um dort einerseits die schon bestehenden Containerunterkünfte für Geflüchtete länger stehen lassen zu können und andererseits noch mehr Flächen zur Aufstellung weiterer Container hinzuzufügen, wurde in den vergangenen Wochen ein ums andere Mal verschoben. Nun konnte sich aber schließlich geeinigt und der Änderungsentwurf beschlossen werden, wie die Regierungsparteien am Dienstag auf der Pressekonferenz nach der Sitzung des Senats bekannt gaben. Dafür werden sie sowohl aus der Opposition als auch von zivilgesellschaftlichen Organisationen kritisiert.

»Es war notwendig, das Gesetz anzufassen und zu ändern«, sagt Integrationssenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) auf der Senatspressekonferenz. Das Gesetz, welches 2014 aus einem Volksentscheid hervorging und jegliche Bebauung des Tempelhofer Feldes untersagt, ist bereits im Februar 2016 durch den Senat geändert worden, um die befristete Aufstellung der dort aktuell bereits existierenden Containerunterkünfte zu ermöglichen. Diese Regelung läuft aber aus, weshalb eine erneute Gesetzesänderung nötig sei. Die Initiative 100 Prozent Tempelhofer Feld hatte bereits vor knapp einem Monat gegen die Gesetzesänderung protestiert, weil sie darin die Vorbereitung für eine langfristige Bebauung des Feldes entgegen des Volksentscheides sieht. »Ich möchte klarstellen, dass das Gesetz nur für die Unterbringung von Geflüchteten um fünf Jahre verlängert wurde bis 2028«, sagt Kiziltepe.

Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) beteuert, dass es sich bei der Verlängerung und der Erweiterung der Flächen für temporäre Bebauung auf nun 14,4 Hektar um »Vorratsflächen« handele, die vorgehalten würden. Dort soll auch soziale Infrastruktur für die untergebrachten Geflüchteten entstehen. Außerdem würden auch die Sportplätze, die bislang noch auf der neu hinzukommenden Fläche stehen, nach Möglichkeit erhalten und im Zweifelsfall ersetzt werden.

»Wir verurteilen die Salamitaktik des Senats, mit der immer größere Teile des Feldes temporär bebaut werden sollen«, sagt Katalin Gennburg, stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, zu der geplanten Gesetzesänderung. »Da CDU und SPD bekanntlich eine Randbebauung des Tempelhofer Feldes planen, müssen wir davon ausgehen, dass hier über den Gewöhnungseffekt schließlich die Investorenträume einer dauerhaften Bebauung durchgesetzt werden sollen.«

Die Stadtentwicklungsexpertin verweist darauf, dass es berlinweit einen »Bauüberhang« von 70 000 Wohneinheiten gebe, der vorrangig angegangen werden müsse, anstatt das Tempelhofer Feld als »Scheinlösung des Wohnraumversorgungsproblems« heranzuziehen.

Die umstrittenen Pläne zur Randbebauung des Tempelhofer Feldes stehen bereits im schwarz-roten Koalitionsvertrag. Nun veröffentlichte außerdem kürzlich die Berliner CDU-Fraktion ein Papier, in welchem sie die Befragung der Berliner*innen zu diesen Plänen anstrebt. »Wir werden eine Volksbefragung zur (Teil-)Bebauung des Tempelhofer Feldes initiieren«, heißt es dort. Darauf angesprochen, dass eine solche Befragung aktuell keine rechtliche Grundlage hat, antwortet Bürgermeister Wegner, man müsse dann eben die rechtlichen Voraussetzungen erst schaffen. Man wolle aber auf keinen Fall den Volksentscheid gegen die Bebauung des Feldes kippen, ohne zuvor die Bürger*innen befragt zu haben. Zuvor soll aber der Ideenwettbewerb durchgeführt werden, damit die Berliner*innen eine konkrete Vision vor Augen hätten, wie eine angestrebte Bebauung aussehen könnte.

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Gegen die akut anstehende temporäre Bebauung spricht aber nicht nur der im Volksentscheid durchgesetzte Willen zum Erhalt des Feldes als Freifläche, sondern auch, dass viele die zentrale Unterbringung von Geflüchteten für den falschen Weg halten. Aus dieser Perspektive kritisierte bereits der Berliner Flüchtlingsrat die Senatspläne auf dem Feld im vergangenen Monat im »nd«.

Die Linksfraktion teilt diese Kritik. »Wir müssen weg vom Unterbringen und hin zum selbstbestimmten Wohnen«, sagt Ferat Koçak, fluchtpolitischer Sprecher der Linksfraktion, zu »nd«. Am Sonntag eskalierte ein Konflikt im Ankunftszentrum Tegel, wo Tausende Geflüchtete untergebracht sind. »Es ist klar, dass es auf engstem Raum schnell zu Konflikten kommt. Die dauerhafte Unterbringung in Containern ist nicht menschenwürdig. Es braucht endlich dezentrale Wohnmöglichkeiten für Geflüchtete«, so Koçak in einer diesbezüglichen Mitteilung.

»In Tempelhof haben wir dieselbe Situation. Hier werden Menschen untergebracht, anstatt dass sie selbstbestimmt wohnen können«, ergänzt Koçak im Gespräch. An das Thema müsse deshalb aus Sicht der Wohnungspolitik herangegangen werden. »Enteignung ist wichtig, um bezahlbare Mieten zu ermöglichen. Außerdem müssen wir schauen, wo es Leerstand gibt, den wir nutzen können.« Die Änderung des Tempelhofer-Feld-Gesetzes sei dementsprechend abzulehnen. »Wir brauchen richtige Lösungen und nicht nur weitere Übergangslösungen. Damit geflüchtete Menschen eine Perspektive haben«, so Koçak.

Sowohl Bürgermeister Wegner als auch Integrationssenatorin Kiziltepe sprechen sich in der Senatspressekonferenz ebenfalls gegen eine länger andauernde Unterbringung in Großunterkünften aus. Dennoch plant der Senat deren Ausbau. »Wir finden das nicht optimal. Wir schauen, wie wir an neue Standorte kommen und wo wir dezentrale Unterbingungsmöglichkeiten schaffen können«, sagt Wegner.

Um die vom Senat gewünschte dezentrale Unterbringung zu ermöglichen, verkündete Wegner am Dienstag außerdem die Einstellung eines »Koordinators für Flüchtlingsangelegenheiten«, angesiedelt bei der Integrationsverwaltung und der Senatskanzlei. Albrecht Broemme, ehemaliger Präsident des Technischen Hilfswerks und davor Landesbranddirektor der Berliner Feuerwehr, soll ab sofort die Taskforce leiten, die sich auf Senator*innen- und Staatssekretär*innen-Ebene darum bemüht, die in Berlin ankommenden Geflüchteten zu versorgen. Auch Broemme spricht sich gegen die Unterbringung von Tausenden Geflüchteten in Großunterkünften wie in Tegel aus. »Das Konzept in Tegel war eigentlich eine Aufenthaltsdauer für einige Tage«, sagt er.

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