Gutscheine für Arme: Bevormundung statt Geld

Olivier David über Sachleistungen für Armutsbetroffene

Es ist nicht lange her, da forderten CDU- und FDP-Politiker die Abschaffung von Geldleistungen für Asylbewerber*innen. Stattdessen sollten Sachleistungen und Bezahlkarten ausgegeben werden. Das Geld werde ansonsten von den Menschen an ihre Herkunftsfamilie ins Ausland verschickt. In einem Interview mit der ARD im Oktober war Bundeskanzler Olaf Scholz offen für eine Abschaffung der Geldleistungen. Zitat Scholz: »Wir haben die gesetzliche Möglichkeit dazu geschaffen.« Seiner Auffassung nach liege die Umsetzung bei den Bundesländern. Wer nun bedenkt, wie viele Bundesländer von CDU/CSU (fünf) und SPD (ebenfalls fünf) geführt werden, dem kann das Gruseln kommen.

Doch ein Schritt zurück. Warum ist diese Art der Politik überhaupt ein Problem? Wenn man dem Einzelnen vorschreibt, wie er seine Grundbedürfnisse befriedigt, dann schränkt das die Freiheit ein. Eine solche Politik ist bevormundend.

Man kennt diese Art der Argumentation aus Debatten um Armutsbetroffene. Schon jetzt werden an Empfänger*innen von Bürgergeld in manchen Fällen Gutscheine statt Gelder ausgezahlt, beispielsweise wenn die Waschmaschine kaputtgeht. Beide Vorgehensweisen – sowohl bei Asylsuchenden als auch bei Armutsbetroffenen – sind letztlich Versuche der Politik, marginalisierte Menschen zu drangsalieren, um das Leben am unteren Rand so wenig lebenswert wie möglich zu machen. 

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Anstatt Geld bereitzustellen, sodass eine armutsbetroffene Familie sich eine Waschmaschine aussuchen kann, wird sie mit einem Gutschein vertröstet, der sie in Abhängigkeiten zwingt. Denn die Gutscheine können in der Regel nur in einem sehr begrenzten Zeitraum und meist nur bei einem bestimmten Händler eingelöst werden. Hat der Händler aber nichts Passendes vor Ort: Pech gehabt. Dann beginnt der Antragsmarathon wieder von vorne. Dass in dieser Zeit Wäsche gewaschen werden muss, interessiert die Sachbearbeiter*innen in den Jobcentern nicht.

Diese Politik der Bevormundung wird unterlegt durch armenfeindliche Behauptungen wie den Vorwurf, arme Menschen würden ihre Sozialhilfe lieber für Tabak und Alkohol ausgeben statt für ihre Kinder. Alles daran ist falsch. Die Vorwürfe lassen sich seit Jahren widerlegen, aber darum geht es denjenigen, die die sie vorbringen, natürlich nicht. Denn diese Vorwürfe verfangen. 

Vor ein paar Tagen stand ich mit einer Frau, mit der ich auf einer Tagung war, am Hauptbahnhof in Frankfurt am Main und ließ mich von einem bettelnden Menschen überreden, ihm ein (für mich) kleines Vermögen zu geben. Ich bemerkte den erstaunten Blick der Frau, als sie sah, wie ich dem Mann einen Schein gab. Sie selbst gebe Bettelnden zwar kein Geld, aber sie frage gelegentlich nach, ob sie ihnen einen Kaffee ausgeben könne.

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Auch bei ihr steckte der Gedanke dahinter: Nicht, dass der sein Geld für Schnaps ausgibt. Ich will der Frau keinen Vorwurf machen, immerhin hat sie zumindest angefangen, sich Gedanken über armutsbetroffene Menschen zu machen. Und sie ist eine der Wenigen, die Bettelnden überhaupt Geld geben. Letztendlich ist die Frau mit ihrer Sichtweise aber nicht alleine. Vielmehr ist sie ein Beweis dafür, dass diese verachtenden Narrative aus der Politik in der Gesellschaft Gehör finden und hängenbleiben.

Um also eine Lanze zu brechen: Erwachsene heißen deshalb Erwachsene, weil sie selbst entscheiden können, was sie brauchen. Dass sie nicht immer die klügsten oder gesündesten Entscheidungen treffen: geschenkt! Dennoch ist auch einem suchtkranken Menschen nicht geholfen, wenn man ihm bei wenigen Grad über null Geld verwehrt oder ihm den drölften Kaffee ausgibt, damit er auf Teufel komm raus bloß die Finger vom Teufelszeug lässt. Wer das auch nach einer Erklärung nicht verstehen will, ist Teil des Problems.

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