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Neue U-Bahnen in Berlin: Lichtstreif am Ende des Tunnels
Testfahrten mit neuen U-Bahn-Zügen sollen im Januar beginnen
Es sind unwürdige Szenen, die sich tagtäglich im Berliner U-Bahn-Netz abspielen. Menschen stehen dicht an dicht, müssen sich durch die Massen drängen, um ein- oder auszusteigen. Immer wieder bleiben welche auf den Bahnsteigen zurück, weil sie gar nicht erst in die Züge kommen oder wollen. Die automatische Ansage auf den Bahnsteigen, dass man leider derzeit »nicht im gewohnten Takt« fahre, können die Leute schon mitsprechen.
Neben den üblichen Feinden des regulären Betriebs wie Polizei- oder Feuerwehreinsätzen, Signal- oder Stellwerksstörungen kommen in den vergangenen Monaten noch der Mangel an Personal und einsatzfähigen Fahrzeugen sowie Kabeldiebstähle hinzu.
Qualitätsprobleme bei neuen Zügen
Zumindest der Fahrzeugmangel hätte längst gelindert sein sollen. Planmäßig sollten längst rund 200 neue Wagen aus dem Pankower Werk des Schweizer Schienenfahrzeugherstellers Stadler bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) eingetroffen sein. Doch der ursprünglich für Ende 2022 vorgesehene Auslieferungsstart verzögert sich ein ums andere Mal. Im Mai 2023 wurde die Verspätung mit Lieferkettenproblemen begründet.
Tatsächlich scheint die BVG jedoch die Übernahme der ersten Fahrzeuge wegen erheblicher Qualitätsprobleme verweigert zu haben. Die BVG selbst verweist auf nd-Anfrage an den Hersteller. Die Stadler-Pressestelle ist in dem Punkt auch nicht sonderlich auskunftsfreudig. Es wird nur ein mit der BVG abgestimmter, bereits seit Monaten vorliegender Pressetext verschickt. Der Satz »Fest steht aber, dass nur gründlich getestete Fahrzeuge, die den hohen Qualitätsansprüchen der beiden Unternehmen entsprechen, auch an die BVG ausgeliefert werden«, ist der einzige Fingerzeig auf das tatsächliche Problem.
Testfahrten ab Januar geplant
Doch inzwischen scheint Bewegung in die Auslieferung zu kommen. Denn nun gibt es nach nd-Informationen konkrete Termine für die Einweisung von Fahrpersonal. In der zweiten Januarwoche 2024 sollen die ersten fünf Fahrerinnen und Fahrer auf dem neuen Fahrzeugtyp ausgebildet werden, und zwar auf der Version für das sogenannte Kleinprofil der Linien U1 bis U4. Ab dem 22. Januar bis Ende Februar sollen Probefahrten ohne Fahrgäste auf dem Netz stattfinden.
Bestätigen möchte die BVG-Pressestelle die Termine nicht, sie dementiert sie auf nd-Anfrage allerdings auch nicht. Man werde »zu gegebener Zeit über die Zeitpläne für Auslieferung, Probefahrten etc. informieren«, heißt es schlicht.
BVG-intern kursiert auch ein konkreter Termin für die Überstellung der Fahrzeuge auf das U-Bahn-Netz. In der Nacht vom 10. auf den 11. Dezember soll das geschehen. Es ist davon auszugehen, dass die Lieferung auf dem Schienenweg erfolgen soll, über die Verbindung zwischen Eisenbahn und U-Bahn am Bahnhof Wuhletal. Von dort sollten die Fahrzeuge dann über die Strecke der U5 bis Alexanderplatz und dann über den sogenannten Klostertunnel, ein Verbindungsgleis zur U2 und weiter die Strecke der Linie bis zur Betriebswerkstatt Grunewald am U-Bahnhof Olympia-Stadion gebracht werden.
Im Mai erklärten die Verkehrsbetriebe noch, dass sie »durch die Verzögerung keine unmittelbaren betrieblichen Auswirkungen« erwarteten. Doch die Abfrage im BVG-internen Auskunftssystem ergab für die U5 am vergangenen Montagmorgen, dass über ein Viertel der Fahrten nur mit sogenannten Kurzzügen durchgeführt worden waren. Die Züge hatten also nur vier statt der regulären sechs Wagen.
Auf der U1 war zu dem Zeitpunkt nur ein Zug mit der im Kleinprofil möglichen Maximallänge von acht Wagen unterwegs. Die restlichen fünf auf der Linie verkehrenden Züge waren nur halb so lang. Es wurden also nicht einmal 60 Prozent der eigentlich vorgesehenen Fahrgastkapazität angeboten.
Gedränge, Verspätungen, Chaos
Das führt nicht nur zu drangvoller Enge in den Zügen und zurückbleibenden Fahrgästen an den Bahnhöfen, auch der ganze Fahrplan kommt aus dem Takt. Denn der Fahrgastwechsel dauert erheblich länger als die vorgesehenen 20 bis 30 Sekunden. Das führt dazu, dass teilweise im Minutentakt Züge aufeinander folgen und dann wieder große Lücken entstehen, in denen eine Viertelstunde lang kein Zug kommt. Und weil auch in den Stellwerken oft Personal fehlt, um die Lage etwas zu ordnen, bleibt das Chaos nicht selten stundenlang erhalten.
Die BVG wirft auf nd-Anfrage lieber einen größeren Blick auf die Sache. »Auf der U5 war der Anteil verkürzter Zuglängen in den letzten Wochen tatsächlich ziemlich gering (0,15 Prozent im Durchschnitt der Kalenderwochen 30 bis 47). Auch auf der U1 waren es im Durchschnitt lediglich rund 1,6 Prozent im selben Zeitraum«, antwortet die Pressestelle auf nd-Anfrage. Sie betrachtet also einen Zeitraum von vier Monaten ab dem 24. Juli.
In der Tat ist die Einsatzfähigkeit von Fahrzeugen sehr wechselhaft. Am Freitagnachmittag waren, abgesehen von den Folgen eines größeren Polizeieinsatzes auf der U5, nur auf der U3 mehrere Kurzzüge unterwegs.
Vor allem auf der U5 und U8 fallen Fahrten auch wegen Personalmangels aus. Denn für den Betrieb ist hauptsächlich die BVG-Tochter Berlin Transport zuständig, die noch größere Personalsorgen als ihre Mutter hat. Wohl kaum wahrgenommen werden die roten Plakate in den Informationsvitrinen der Bahnhöfe der zwei Linien, in denen Berlin Transport derzeit um Fahrpersonal wirbt. Nach nd-Informationen soll auf der U8 direkt bei der BVG beschäftigtes Personal ab dem Fahrplanwechsel am 10. Dezember einen größeren Teil der Fahrten übernehmen.
Ohne die noch bis 2025 andauernde Sperrung des Nordteils der U6 zwischen Kurt-Schumacher-Platz und Alt-Tegel für die komplette Erneuerung der Strecke sähe die Fahrzeugsituation im U-Bahn-Netz noch prekärer aus.
In dieser Hinsicht war auch die lange Sperrung eines zentralen Abschnitts der U7 für die Inbetriebnahme eines neuen Stellwerks keine Entlastung, es wurde sogar ein zusätzlicher Zug als Reserve im Nordwestabschnitt der Linie gebraucht. Allerdings reduziert sich die Kilometerleistung der Züge, was Inspektionstermine hinausschiebt. Die derzeitige Sperrung der U8 zwischen Alexanderplatz und Osloer Straße spart wiederum drei Züge ein. Erst ab 18. Dezember sollen nach einem knappen Monat die Züge wieder durchfahren.
Weiterer Kummer durch Kabeldiebstahl
Außerplanmäßig nur alle zehn Minuten fährt die U6 derzeit zwischen Halleschem Tor und Kurt-Schumacher-Platz. Grund ist ein Kabeldiebstahl im Bereich des U-Bahnhofs Rehberge. Damit sind derzeit zwei von vier Nord-Süd-Achsen des Berliner Schnellbahnnetzes nur eingeschränkt nutzbar. Die BVG hofft, ab Mitte der Woche wieder das normale Angebot auf der U6 zu bieten. Erst im Oktober konnte wegen Kabeldiebstahls die U3 südlich des Breitenbachplatzes nur noch im Zehn-Minuten-Takt fahren. Laut BVG wurden 2023 bereits 60 Mal Kabel geklaut, allein der Sachschaden soll bei 900 000 Euro gelegen haben.
Die Fahrgäste können nur hoffen, dass Fahrzeugproduzent Stadler seine Qualitätsprobleme bei den neuen U-Bahn-Zügen in den Griff bekommen hat und sich keine neuen gravierenden Schwierigkeiten bei der Inbetriebnahme offenbaren. Mit Sperrungen und Ausfällen wegen Bauarbeiten und Havarien der teils desolaten Infrastruktur müssen sie trotzdem noch lange rechnen. Laut aktuellem Jahresbericht des Landesrechnungshofs beläuft sich der Sanierungsstau bei der U-Bahn auf über 3,5 Milliarden Euro.
Wir haben den Absatz zur Zugeinsparung durch Streckensperrungen bei U-Bahnen nach einem Hinweis korrigiert und präzisiert.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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