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Bürgergeld: Rückwärtsgewandt und zukunftsblind
Joachim Rock hält nichts von der Kürzung des Bürgergeldes
Das Bürgergeld ist in diesen Tagen Gegenstand einer hart geführten Kontroverse. Zur Diskussion und nach Auffassung nicht weniger auch zur Disposition stehen die existenzsichernden Leistungen von etwa 5,5 Millionen Menschen, darunter zahlreichen Kindern, und über einer Million weiteren Beziehenden von Mindestsicherungsleistungen. Dass immer dann, wenn es angeblich nicht mehr für alle reicht, zuerst bei den Ärmsten gespart werden soll, ist und bleibt ein Skandal. Es fügt sich aber in das Bild einer Gesellschaft, die seit Jahren von Armut und Ungleichheit auf Rekordniveau gespalten wird, ohne dass die Bundesregierung daraus die notwendige Konsequenz gezogen hätte. Die kann nur lauten: Umverteilung – und das von oben nach unten.
Mit dem Jahreswechsel wird das Bürgergeld ein Jahr alt. Mit seiner Einführung war der Anspruch verbunden, Hartz IV zu überwinden und einen Neubeginn zu wagen. Von Anfang an bestanden Zweifel daran, dass sich in der Praxis mehr als nur der Name ändert. Heute wissen wir: Die Befürchtungen waren berechtigt.
Das Bürgergeld bleibt in elementaren Bereichen rückwärtsgewandt und zukunftsblind. Rückwärtsgewandt, weil mit seiner Einführung das befristete Sanktionsmoratorium vorzeitig beendet und die schwarze Pädagogik des Sanktionsregimes wieder eingeführt wurde. Dies geschah, obwohl gezeigt wurde, dass Sanktionen dazu führen können, dass Menschen langfristig weniger nachhaltig in Arbeit und dabei in schlechtere Jobs vermittelt werden. Rückwärtsgewandt ist auch das Verfahren der Regelsatzbemessung. Die Regelsätze für das laufende und das folgende Jahr beruhen noch auf den Ergebnissen der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe aus dem Jahr 2018, die ebenfalls mit Daten aus der Vergangenheit fortgeschrieben wurde. Kommende Preiserhöhungen, etwa durch den Wegfall der Strompreisbremse, bleiben außer Betracht.
Joachim Rock ist Abteilungsleiter Sozial- und Europapolitik beim Paritätischen Gesamtverband.
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Zukunftsblind sind die Regelungen, weil die für die Arbeitsmarktintegration hinterlegten Mittel in keiner Weise ausreichen, um das Förderversprechen der Bundesregierung einzulösen. Nur etwa sechs Prozent der Bürgergeldempfänger, die einen Job finden, werden durch die Bundesagentur für Arbeit vermittelt, die damit weder ihrem Namen noch ihrem Auftrag Ehre macht.
Arme Kinder leben immer in armen Familien. Die Debatte um das Bürgergeld ist deshalb nicht von der um die Kindergrundsicherung zu trennen. Mit den gegebenen Mitteln steht zu befürchten, dass eine so konzipierte Kindergrundsicherung an der hohen Kinderarmut nur wenig ändert, aber zusätzliche Bürokratie schafft.
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Die neu aufgeworfene Debatte um ein Lohnabstandsgebot geht in die falsche Richtung. Das Bundesverfassungsgericht hatte 2010 betont, dass das soziokulturelle Minimum in jedem Fall garantiert werden muss. Der Gesetzgeber hat daraufhin das Lohnabstandsgebot gestrichen. Mit der Einführung und Erhöhung des Mindestlohns und dem Ausbau des Wohngeldes, das zum Jahresbeginn im Durchschnitt von 180 auf 370 Euro im Monat verdoppelt wurde, wobei sich die Zahl der Anspruchsberechtigten verdreifacht hat, wurden Schritte unternommen, einen Lohnabstand durch Erhöhung der Einkommen von Erwerbstätigen sicherzustellen. Dieser Weg muss fortgesetzt werden mit einem Mindestlohn von zumindest 14 Euro und hohen Primäreinkommen. Der derzeit diskutierte Weg, den Lohnabstand zu Lasten der Ärmsten und der Erwerbstätigen gleichermaßen herzustellen, ist ein Irrweg.
Ein Bürgergeld, das seinen Namen verdient, muss sanktionsfrei sein und Armut überwinden. Der Paritätische hat nachgewiesen, dass der Regelsatz 2024 auf mindestens 813 Euro angehoben werden müsste, um aus der Armut zu führen. Armut abzuschaffen, umzuverteilen und ein hohes Einkommensniveau in der Breite zu schaffen, das ist eine Sozialpolitik mit Zukunft.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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