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Klimawandel: »Afrika braucht afrikanische Lösungen«
Klimaaktivistin Denise Ayebare über COP28, fossile Projekte und Deutschlands Doppelmoral
Als großen Erfolg für Klimagerechtigkeit feierten Medien und Politik die frühe Einigung auf einen Fonds für Schäden und Verluste auf dem Klimagipfel COP 28. Ist dies verfrüht?
Das kann ein guter Anfang sein, aber bisher ist das alles nicht rechtsverbindlich.
Es wirkt wie ein Erfolg, dass einige Länder bereits Geld für den Fonds zugesagt haben. Aber bisher sind das eben alles nur Versprechen, die auch wieder zurückgenommen werden können. Der Fonds muss rechtlich bindend sein. Ich hatte gehofft, dass dieser Weltklimagipfel kein Gipfel bloßer Versprechen wird wie so viele vor ihm. Klimaschäden sind schon heute Realität im globalen Süden. Deshalb braucht es dringend Lösungen. Menschen können sich nicht daran anpassen zu verhungern, und kleine Inselstaaten können sich nicht an einen steigenden Meeresspiegel anpassen.
Insgesamt gibt es Zusagen über 655 Millionen Dollar. Nur ein Tropfen auf den heißen Stein?
Natürlich. Die Schäden weltweit beziffern sich auf Billionen Dollar. Wo bleiben also die ärmsten Länder? Man kann die Menschen in Tuvalu nicht damit hinhalten: »Wisst ihr was, das Geld wird in diesem oder jenem Jahr kommen.« Diese Menschen sind tagtäglich mit der Krise konfrontiert, und das schon seit Jahren. Es muss wesentlich mehr Geld in den Fonds fließen, und Länder müssen unkompliziert darauf zugreifen können. Ein Land, das gerade von Hochwasser betroffen ist, kann nicht erst durch einen langsamen bürokratischen Prozess gehen.
Und in Ihrem Heimatland Uganda: Wie wirkt sich der Klimawandel dort aus?
Denise Ayebare ist seit vielen Jahren in der Umweltbewegung Ugandas aktiv. Als Jugendliche engagierte sie sich in einer Kampagne für ein Plastiktütenverbot. Später war sie Premierministerin des Jugendparlaments in dem ostafrikanischen Land. Aktuell ist sie in mehreren Initiativen wie Debt for Climate Uganda oder der Cherish Aid Foundation aktiv.
Wir erleben mehr Extremwetter und allgemein steigende Temperaturen. Die Auswirkungen sind ganz unterschiedlich. Karamoja im Norden hatte wie die angrenzenden Länder Somalia und Djibouti mit extremen Dürren zu kämpfen. In Mbale in Ost-Uganda haben Fluten die Lebensgrundlage Tausender Menschen zerstört, und in Westuganda, zum Beispiel in Kasese, kam es mehrfach zu großen Erdrutschen. Der Klimawandel betrifft uns in unterschiedlicher Gestalt, aber jeder Mensch in Uganda ist von den Auswirkungen betroffen – ganz besonders Frauen und Kinder. Kindern wird zum Beispiel ihre Chance auf Bildung geraubt, wenn bei einem Erdrutsch die Straße zur Schule zerstört wird.
Uganda produziert 90 Prozent seiner Energie aus Wasserkraft. Mit dem Ölprojekt EACOP kommen nun durch internationale Konzerne und Banken doch die Fossilen in das Land. Wie wird das in Uganda aufgenommen?
EACOP wird angeführt von Total Energies. Der französische Mineralölkonzern baut die längste beheizte Öl-Pipeline der Welt – von Uganda nach Tansania.
Seit 2016 wurden dafür zahlreiche Menschen vertrieben, und weitere Hunderttausende werden folgen. Man würde annehmen, dass sie eine großzügige Entschädigung bekommen. Das ist leider nicht der Fall. Stattdessen werden Menschenrechtsaktivist*innen eingeschüchtert und aufgrund willkürlicher Anklagen verhaftet. Total Energies weist jeden Vorwurf von sich und behauptet, dass Protest erlaubt und möglich sei. Das ist lächerlich.
Welche Entschädigung bekommen die Vertriebenen?
In Uganda leben viele Menschen auf dem Land, zu dem sie eine enge Bindung haben, und betreiben Landwirtschaft. Als Entschädigung bekommen die Vertriebenen höchstens eine kleine Wohnung in einer Stadt. Damit werden sie um ihr Land, ihre Identität und Lebensgrundlage beraubt. Sie sind dann gezwungen, jede Arbeit anzunehmen, um zu überleben und ihre Familien zu ernähren. Mit anderen Worten: Ihr ohnehin schon schweres Leben wird noch wesentlich schwerer.
Befürworter solcher Projekte in Afrika argumentieren, dass sie ökonomischen Fortschritt für das Land und auch die Bevölkerung bringen.
Nur wenige Menschen in Uganda werden davon profitieren. Und 70 Prozent des Gewinns gehen sowieso an Total. Diese Konzerne stellen Profit über Menschenleben.
Welche Verantwortung tragen dabei Länder wie Deutschland?
Teller und Rand ist der nd.Podcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.
Länder des globalen Nordens sagen dem afrikanischen Kontinent: »Ihr müsst auf Erneuerbare umsteigen.« Gleichzeitig bauen sie die fossile Infrastruktur aus. Zum Beispiel Deutschland: Ihr lasst neue Kohleflächen abbaggern und investiert in fossile Projekte im Ausland. Es ist lächerlich, dass ein reiches Land wie Deutschland nicht mit gutem Beispiel vorangeht. Wenn Afrika folgen soll, müsst ihr vorangehen – mit mehr Investitionen in Erneuerbare und eine wirkliche Unterstützung für afrikanische Länder für eine gerechte Transformation. Anstatt dem globalen Süden vorzuschreiben »Ihr dürft dieses und jenes nicht«, muss der globale Norden gerade Länder wie Venezuela oder Nigeria, die von fossilen Energien abhängig sind, dabei unterstützen, einen gerechten Wandel zu schaffen. Es ist kein gerechter Wandel, wenn Tausende Menschen aus dem afrikanischen Kohlesektor ihren Job verlieren. Ihr könnt uns nicht sagen, dass Emissionssenkungen die absolute Priorität haben müssen, während Afrika vier Prozent zu den weltweiten Emissionen beigetragen hat. Um Himmels Willen, in Ländern wie dem Kongo oder der Zentralafrikanischen Republik ist nur Wald, also große CO2-Senken. Welche Emissionen sollen da noch reduziert werden?
Im Vergleich zu vergangenen Klimakonferenzen gibt es in Dubai kaum Proteste. Was bedeutet das für die vulnerabelsten Gemeinschaften?
Diejenigen, die in den Verhandlungsräumen sitzen, sprechen nicht für alle. Deshalb sind Proteste so wichtig. Aktivist*innen erzählen dabei ihre Geschichten und zeigen der Welt, wie drängend das Problem ist. In den Verhandlungsräumen wirst du nie die indigenen Stimmen zum Beispiel aus Brasilien oder Mexiko hören. Die Aktivist*innen sind die Stimme derer, die keine Stimme haben. Auf diesem Klimagipfel wurden sie ihrer Stimme beraubt.
Was sind Ihre Forderungen an Länder wie Deutschland?
Ihr könnt nicht von uns einen Wandel fordern, den ihr selbst untergrabt. Wir können über die Schnittblumen aus Kenia reden, die von Frauen unter schlechten Bedingungen produziert und dann als niederländische Blumen verkauft werden. Oder über die Frauen in Tunesien, die unter harten Bedingungen Oliven anbauen, die dann als feines Olivenöl aus Italien verkauft werden. Diese Doppelmoral muss endlich aufhören. So viele Länder in Afrika leiden seit so Langem unter Krieg, und all das wird befeuert durch Neokolonialismus. Afrikanische Länder brauchen Selbstbestimmung. Afrikanische Probleme erfordern afrikanische Lösungen.
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