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Wider den finanzpolitischen Wahnsinn
Die EU verhandelt über Fiskalregeln der Union, dabei bräuchte es eine generationenübergreifende Zukunftsfinanzierung, meint Martin Günther
Während sich dieser Tage die Nachrichten über den Haushalt der Bundesregierung überschlagen, finden die Verhandlungen in der EU zur Rückkehr zu den EU-Fiskalregeln kaum Beachtung. Dabei ist es vor allem Deutschland – und sein Finanzminister Lindner, der auf die Rückkehr des finanzpolitischen Zombies drängt. Damit schränkt er potentiell die künftigen finanziellen Handlungsspielräume für Deutschland ein, kann dann aber die Schuld für Kürzungen Brüssel zuschieben. Und während in Deutschland selbst »nur« über die Reduzierung von neuer Kreditaufnahme diskutiert wird, ist das in der EU verhandelte Modell noch ungleich gefährlicher.
Hier geht es darum, die Staatskreditquote so schnell wie möglich aktiv zurückzuführen. Das bedeutet vielfach Kürzungen in den bestehenden Haushalten. Dass das vor allem ausgerechnet die für den gesellschaftlichen Zusammenhalt wichtigen Bereiche Soziales, Gesundheit, Bildung und Kultur trifft, ist leider absehbar. Für Militär ist man hingegen offensichtlich auch auf EU-Ebene bereit, wie auch in Deutschland, Ausnahmen zu machen.
Ohne den Druck der Deutschen könnte diese fehlgeleitete Finanzvorgabe längst Geschichte sein. Das Überschreiten der Vorgaben führte meist zu keinen ernsthaften Konsequenzen. Faktisch waren die 60 Prozent Staatskreditquote sowie die drei Prozent Neukreditquote bereits lange vor dem Aussetzen erledigt, der Fiskalpakt war tot. Wegen der Coronakrise und der Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine wurden die Regeln dann bis 2024 ganz ausgesetzt. Entgegenkommen seitens der Kreditbremsen-Fanclubs, darunter Deutschland, bei den jetzigen Verhandlungen gibt es offensichtlich nur in der Frage, wie schnell die Quote gesenkt werden soll.
Martin Günther ist Volkswirt und Kandidat für Die Linke zur Europawahl auf Platz 6.
Auch jenseits der katastrophalen Auswirkungen auf die zu kürzenden Bereiche und damit auf das Leben vieler Menschen, ist die Rückkehr zum Fiskalpakt wirtschaftlicher Wahnsinn. Schon jetzt bremsen die mangelnden staatlichen Ausgaben die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland. Man stelle sich vor, dass dies nicht nur in Deutschland geschieht, sondern gleichzeitig in vielen EU-Ländern – die wirtschaftlichen Auswirkungen, auch in ihren Wechselwirkungen, wären dramatisch.
Wir brauchen eine vernünftige Debatte über generationenübergreifende Zukunftsfinanzierung. Wir brauchen Transparenz über den Haushalt und Debatten darüber, was wir finanzieren wollen und wie. Was ausgegeben werden muss, um unsere Mobilitäts- und Energiesysteme, die Industrie usw. umzustellen, kann nicht sinnvoll nur über laufende Steuereinnahmen finanziert werden. Hier künftige Generationen an der Finanzierung zu beteiligen, ist sachgerecht. Wenn öffentliche Ausgaben bei der anstehenden Transformation auch zur Bildung von öffentlichem Eigentum verwendet werden, stehen den Krediten auch sichtbar Vermögenswerte entgegen.
Aus linker Sicht können umweltschädliche Subventionen und Militärausgaben schrumpfen, während hohe Einkommen und Millionenvermögen stärker besteuert werden müssen. Zudem sollte man sich endlich intensiver darum bemühen, Steuerhinterziehung und -vermeidung zu verhindern. Das so im öffentlichen Haushalt verfügbar werdende Geld ermöglicht dringend benötigte Ausgaben in Bildung, Soziales, Gesundheit, Pflege und Zukunftsinvestitionen.
Zukunftsinvestitionen in die Mobilitätswende, die Energiewende, die sozial-ökologische Transformation der Industrie und des Wohnungswesens müssen auch über Kredite finanziert werden. Hier könnte eine reformierte EZB ins Spiel kommen, wenn diese neben der Preisstabilität auch der Beschäftigungssicherung und klimagerechten Umbau der Gesellschaft als Arbeitsziele vorgegeben bekommt. Dann wären direkte Kreditvergaben der EZB an die öffentliche Hand zu Niedrig- bzw. Nullzinsen für passende Investitionen folgerichtig. Die EU-Wahl wird auch zu einer Richtungswahl über die Fiskalpolitik werden.
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