Keine erneute Chaoswahl zu befürchten

Die Hauptstadt hat ihre Lehren aus dem Desaster von 2021 gezogen, aber noch ein Stück Aufarbeitung vor sich

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 3 Min.

Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) ist zuversichtlich, dass die am Dienstag vom Bundesverfassungsgericht angeordnete Wiederholung der Bundestagswahl in 455 von insgesamt 2256 Wahlbezirken der Haupstadt im Februar 2024 besser verlaufen wird als beim ersten Versuch 2021.

»Eine Wahl innerhalb von 55 Tagen abzuhalten, ist eine große Herausforderung und Kraftanstrengung zugleich – sowohl für die Parteien als auch und besonders für die Verwaltung«, ist Wegner bewusst. Aber: »Ich habe volles Vertrauen in den Landeswahlleiter, Prof. Dr. Stephan Bröchler, dass die Wahlen reibungslos ablaufen werden.« Der Senat habe gemeinsam mit ihm alle notwendigen Voraussetzungen geschaffen, »damit Wahlen in Berlin wieder funktionieren«. Wegner dankt dem Landeswahlleiter ausdrücklich für die rechtzeitige Planung der Wiederholungswahl.

»Bereits im Sommer dieses Jahres haben wir begonnen, die Voraussetzungen für eine mögliche Wiederholungswahl soweit wie möglich zu schaffen«, hatte Wahlleiter Bröchler im Vorfeld der Gerichtsentscheidung erklärt. Er ist genau wie der Regierende Bürgermeister erst infolge der Chaoswahl in sein Amt gelangt. Der Verwaltungswissenschaftler von der Berliner Hochschule für Wirtschaft und Recht hatte in der Expertenkommission zur Aufklärung der bei der Wahl 2021 vorgekommenen Unregelmäßigkeiten mit seinen Vorschlägen überzeugt, wie man verhindern könne, dass sich so etwas wiederholt. Dann übernahm er die undankbare, aber für ihn auch reizvolle Aufgabe, als Landeswahlleiter die komplette Wiederholung der Wahl des Berliner Abgeordnetenhauses und der Bezirksverordnetenversammlungen zu organisieren.

Dabei hat er sich bewährt. Der zweite Versuch am 12. Februar 2023 ging ohne größere Probleme über die Bühne. Dazu beigetragen hatte Bröchlers Idee, mit einem deutlich erhöhten Erfrischungsgeld genügend Wahlhelfer anzuwerben. Mit angebotenen Summen von 100 bis 120 Euro je nach Tätigkeit meldeten sich in vielen Bezirken sogar mehr Bürger als gebraucht wurden.

Im Ergebnis der Berliner Abgeordnetenhauswahl konnte der CDU-Politiker Kai Wegner die SPD-Politikerin Franziska Giffey an der Spitze des Senats ablösen. Es hätte zwar rein rechnerisch für eine Fortsetzung der vorherigen rot-grün-roten Koalition gereicht. Doch die SPD entschied sich, lieber Juniorpartner der CDU zu werden.

Mit einer reibungslosen Wiederholungswahl ist auch deshalb zu rechnen, weil die Berliner am 26. September 2021 zeitgleich über Bundestag, Abgeordnetenhaus, Bezirksverordnetenversammlungen und den Volksentscheid »Deutsche Wohnen & Co enteignen« abstimmten. Sie durften sechs Kreuze auf fünf verschiedenen Stimmzetteln machen, was seine Zeit erforderte. Da aber angesichts der Corona-Pandemie mit viel zu hoher Briefwahlbeteiligung kalkuliert worden war, gab es zu wenig Wahllokale und in den Wahllokalen zu wenige Wahlkabinen. Das wird so nicht noch einmal vorkommen.

Dennoch warnt der Grünen-Landesvorsitzende Philmon Ghirmai vorsorglich: »Das Wahldesaster von 2021 darf sich nicht wiederholen. Die Aufarbeitung muss weitergehen, strukturelle Verbesserungen bei der Vorbereitung und Durchführung von Wahlen müssen konsequent vorangebracht werden.«

Der Regierende Bürgermeister Wegner spricht aus, was selbstverständlich sein sollte: »In einer funktionierenden Stadt müssen Wahlen ordnungsgemäß stattfinden.«

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