Brandenburg nimmt für Wahlgeschenke Kredite auf

Landtag beschließt wegen der Schuldenbremse eine Notlage

  • Matthias Krauß
  • Lesedauer: 3 Min.

Brandenburg ist in einer Notlage und seine Regierung daher auch im kommenden Jahr berechtigt, sich mit einer Milliarde Euro neu zu verschulden. So hat es der Landtag in einer eilig einberufenen Sondersitzung am Mittwoch mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen SPD, CDU und Grüne beschlossen. AfD und Freie Wähler nannten das Vorgehen einen Verfassungsbruch und stimmten dagegen. Die Linke forderten die Abschaffung der Schuldenbremse und enthielt sich.

Ist Brandenburg unverschuldet in Not oder hat eine verfehlte Politik dafür gesorgt, dass Einnahmen und Ausgaben nur noch durch eine exorbitante Neuverschuldung in Übereinstimmung zu bringen sind? In einer vergleichsweise ruhigen Debatte kurz vor Weihnachten wurden die entgegengesetzten Auffassungen dazu ausgetauscht.

Sie wünsche, dass die Abgeordneten rechtzeitig zum Weihnachtsbaumschmücken nach Hause kommen und reduziere ihre Rede, sagte Finanzministerin Katrin Lange (SPD). Brandenburg müsse für 2024 erneut die Notlage erklären, um sich eine Kreditermächtigung von über einer Milliarde Euro für das Brandenburg-Hilfspaket zu sichern. Dies sei der richtige Weg, denn »damit schaffen wir zusätzliche Sicherheit« für das Paket – »soweit das möglich ist«. Die Einschränkung ließ aufhorchen. Das Landesverfassungsgericht wird wohl überprüfen, ob die Notlage wirklich besteht. »Mehr als vernünftig« nannte der Abgeordnete Jörg Vogelsänger (SPD) die Neuverschuldung. Eine Notlage zu erklären und Kredite aufzunehmen sei dringend erforderlich, weil »Menschen in Not sind und unsere Unterstützung benötigen«, erklärte der CDU-Abgeordnete Steeven Bretz. »Wir reduzieren das ursprüngliche Volumen«, erläuterte Thomas von Gizycki (Grüne).

Mit noch mehr Schulden hat der Oppositionspolitiker Ronny Kretschmer (Linke) weiter keine Probleme, wohl aber mit einem Verfassungsgrundsatz, der einen solchen Schritt weitgehend verbietet. Kretschmer tadelte die Eile, die es der Opposition nicht gestattet habe, ordnungsgemäß mit dem Vorhaben umzugehen. Denn angesichts der Kürze der dafür zugestandenen Zeit habe sich kein Experte gefunden, »der bereit gewesen wäre, eine Stellungnahme auch nur schriftlich abzugeben«. Die Linksfraktion sei der Überzeugung, dass »wir eine Notlage haben«. Ursachen seien die Klimakrise, der »völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands«, die Inflation und was noch alles auf die Finanzen Brandenburgs durchschlage. Die Schuldenbremse wirke hier als Entwicklungsbremse. Brandenburg sei ein Land mit riesigem Investitionsstau und einer zutiefst verunsicherten Gesellschaft, hielt er dem Bild von der »heilen Tesla-Welt« entgegen, das die Landesregierung zu zeichnen bemüht sei. Seit 2019 verging kein Jahr ohne neue Schulden, »und trotzdem fehlt Geld bei Bildung, Gesundheit und für zukunftsweisende Aufgaben«. Das weitere Auseinanderklaffen zwischen Arm und Reich lockere den Zusammenhalt der Gesellschaft. Dem wäre mit einer gerechten Erbschaftssteuer und einer Steuerreform zu begegnen, die Krisengewinner zur Kasse bittet.

Der Notlagebeschluss »wird den verfassungsmäßigen Anforderungen nicht gerecht«, meine Christine Wernicke von den Freien Wählern. Eine außerordentliche Notlage, auf die der Staat keinen Einfluss hat, wäre die Voraussetzung. Eine solche liegt Wernicke zufolge aber nicht vor. Sie sprach von »Tricks und Winkelzügen« der Landesregierung, um mit illegitimen Neukrediten für alle möglichen »wünschenswerten Maßnahmen« ihre Macht bei der Landtagswahl im September 2024 zu sichern. Die Kredite seien »völlig unangemessen«.

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