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1. FC Union: Seliges Weihnachtssingen, aber kein friedliches Fest
Weil die Berliner ihren Erfolgsweg verlassen haben, müssen sie nun auf vielen Ebenen Probleme lösen
Weil im Fußball drei Tage später niemand mehr danach fragt, wie ein Sieg zustande gekommen ist, werden rund 30 000 Menschen an diesem Sonnabend noch etwas glückseliger beim Weihnachtssingen in der Alten Försterei zusammenkommen. An gleicher Stelle hatten die Fans des 1. FC Union am Mittwoch im letzten Spiel des Jahres das 2:0 gegen den 1. FC Köln gefeiert. Und die drei Punkte sorgten dafür, dass die Berliner in der Bundesliga nicht auf einem Abstiegsplatz ins neue Jahr gehen. Friedliche Feiertage werden es in Köpenick dennoch nicht.
Die größte Unruhe macht ein Europameister. Leonardo Bonucci will Berlin wieder verlassen. Unmut über seine Situation hatte der 36-jährige Verteidiger schon im Oktober öffentlich geäußert, seine Bilanz konnte er seitdem nicht wirklich verbessern. Insgesamt stand der Italiener, dessen Transfer im Sommer für großes Aufsehen gesorgt hatte, in zehn Einsätzen nur 719 Minuten für die Köpenicker auf dem Platz. Jetzt wurde sein Wunsch, in der Winterpause zu wechseln, öffentlich.
Ein große Stärke des 1. FC Union Berlin war schon immer der Zusammenhalt, auf jeder Ebene des Vereins. Meinungsverschiedenheiten, Diskussionen und Streit gehören natürlich dazu, doch meist drang davon vernünftigerweise nichts nach außen. Bonucci ist also eine unrühmliche Ausnahme, allerdings nicht die einzige. David Fofana hatte gegen Köln sein erstes Bundesligator erzielt. Trainer Nenad Bjelica sagte später: »Wenn er kapiert, dass er hart arbeiten muss, dann kann er viel erreichen.« Lob klingt anders. Der 21-jährige Stürmer war im Sommer vom Chelsea FC aus London nach Berlin gekommen, Ende Oktober wurde er von Urs Fischer suspendiert. Er hatte dem damaligen Trainer nach einer Auswechslung den Handschlag verweigert – ebenfalls eine Ausnahme im Köpenicker Wohlfühlklub.
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Mit »Euphorie« und »großer Freude auf die Rückrunde« ging Benedict Hollerbach in die Winterpause. Kein Wunder, er hatte gegen Köln das 1:0 erzielt und Union damit nach einer allseits als miserabel beschriebenen ersten Halbzeit auf die Siegerstraße geführt. Der 22-Jährige zählt zu den Gewinnern des Trainerwechsels. »Es gibt bestimmte Social-Media-Muster, die nicht mit den Werten des Klubs übereinstimmen.« Mit diesem Satz wurde im Sommer eine »Union-Quelle« zitiert, die Transferverhandlungen zwischen Union und Hollerbach schienen beendet. Letztlich kam der Offensivspieler doch noch nach Köpenick – und zählt damit ebenfalls zu den Missverständnissen, die Union vom Erfolgsweg abbiegen ließen.
Zur Richtungsänderung kam es am 27. Mai 2023. Mit einem 1:0 gegen Werder Bremen hatte sich der 1. FC Union als Vierter der Bundesliga für die Champions League qualifiziert. Alles sah nach einer Fortschreibung vom Fußballmärchen des Köpenicker Klubs aus, das fünf Jahre zuvor seinen Anfang genommen hatte: Mit dem neuen Trainer Urs Fischer stieg Union in die Bundesliga auf, schaffte den Klassenerhalt, qualifizierte sich erst für die Conference, dann für die Europa League. Die Umsätze stiegen, die Mitgliederzahl explodierte – von 21 000 auf jetzt fast 65 000.
»Wir sind heute in einer Situation, entscheiden zu können, was gut für unseren Klub ist. Beim Aufstieg in die Bundesliga mussten wir Sachen machen, um konkurrenzfähig zu sein.« Diesen Satz formulierte Unions Manager Oliver Ruhnert am 28. Mai 2023. Danach verpflichtete er Spieler wie Bonucci, Fofana und Hollerbach – anscheinend ohne, wie in den Jahren zuvor immer gern betont, die Charakterfrage zu stellen. Das kann ein erfolgreiches Gefüge schon mal sprengen, denn der außergewöhnliche Zusammenhalt machte auch Unions Mannschaft stark.
Mit Mittelfeldspieler Lucas Tousart lässt sich die Liste der Fehlgriffe auf dem Transfermarkt verlängern. Dort reihte sich bis zum Trainerwechsel auch der ehemalige deutsche Nationalspieler Kevin Volland ein. Kaum ein Neuzugang passte in das Erfolgssystem von Urs Fischer. Die nach dem Abschied des Schweizers Mitte November an dieser Stelle geäußerte Vermutung, dass es die durchaus gestiegene Qualität im Kader dem neuen Coach Bjelica wiederum leichter machen könnte, scheint sich bislang zu bewahrheiten. »Er war der beste Mann auf dem Platz«, schwärmte Hollerbach nach dem Spiel gegen Köln von Vollands »geistreichen Pässen«, zwei davon führten zu Unions Toren. Bjelica befand: »Er hat in allen fünf Partien eine sehr gute Rolle gespielt.«
Unter Fischer war Union auf den letzten Tabellenplatz abgestürzt, mit zwei Siegen in drei Bundesligaspielen hat Nenad Bjelica die Berliner erstmal auf Rang 15 gebracht. Von einem wirklichen Aufschwung will aber noch keiner sprechen. Die Angst habe immer noch mitgespielt, meinte Volland am Mittwoch nach dem Spiel gegen Köln. Er fühlte sich in der schlechten ersten Halbzeit an das 0:3 vier Tage zuvor in Bochum erinnert: »Da haben wir das Gegentor bekommen, heute nicht.«
Das Gefühl hatte Volland nicht getäuscht, auch die Zahlen geben ihm recht. Abgesehen von einem nahezu ausgeglichenen Zweikampfverhalten beider Teams lag Köln in jeder Statistik vorn: mehr Torschüsse, Flanken, Ecken und Ballbesitz sowie eine deutlich bessere Passquote. Nur das Wichtigste stimmte: 2:0. Dass aber Union im Heimspiel, wie zuvor schon beim VfL in Bochum, gegen einen ebenso angeknacksten Konkurrenten im Abstiegskampf derartig große Probleme hat, ist gar kein gutes Zeichen.
Wenn am 2. Januar die Vorbereitung beginnt, wartet viel Arbeit auf Team und Trainer. Und Bjelica hatte ja schon versprochen, dass alles besser werde, wenn er dann mit der Mannschaft endlich mal intensiv üben könne. Entscheidend wird dabei auch sein, ob sich die atmosphärischen Probleme lösen lassen. Ein neues scheint der Coach gerade geschaffen zu haben. Sheraldo Becker war, wie der »Kicker« berichtete, aus »disziplinarischen Gründen« nicht im Kader beim Spiel gegen Köln. Eine »normale Trainerentscheidung«, erklärte Bjelica auf Nachfrage. Er habe sich eben für Fofana entschieden.
Becker war einer der entscheidenden Spieler auf Unions Weg nach oben. Im anstehenden Abstiegskampf wird er möglicherweise nicht mehr dabei sein, Interessenten gibt es. Viel Arbeit wartet also auch auf Oliver Ruhnert, der im wilden Ringen auf dem Transfermarkt oft genug auch als Sieger hervorging.
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