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Vierschanzentournee: Zukunft des Skispringens liegt auf der Matte

In Zeiten des Klimawandels wäre Skispringen auch ohne Schnee möglich. Ein schneller Wechsel je nach Witterung funktioniert aber nicht

Auch die Schanzen im Tournee-Auftaktort Oberstdorf sind natürlich mit Matten fürs Springen ohne Schnee ausgerüstet.
Auch die Schanzen im Tournee-Auftaktort Oberstdorf sind natürlich mit Matten fürs Springen ohne Schnee ausgerüstet.

Wintersportfans haben sich längst an den Anblick gewöhnt. Egal ob Piste oder Loipe: Weiße Bänder auf ansonsten grünen Bergen sind zum wiederkehrenden Begleiter der alljährlichen Weltcupsaison geworden. Auch die Sprunganlagen in Oberstdorf, Garmisch-Partenkirchen, Innsbruck und Bischofshofen, allesamt keine 900 Meter über dem Meeresspiegel gelegen, boten zur Vierschanzentournee schon mehrfach dieses Bild. Der globalen Erwärmung sei Dank.

Im Gegensatz zum alpinen Sport haben die Skispringer aber zumindest einen Vorteil im Rennen gegen die Zeit. Mit dem Mattenspringen ist seit Jahrzehnten eine Alternative in Zeiten des Schneemangels vorhanden. Alle Weltcupschanzen weltweit sind mit jenen Kunststoffmatten ausgestattet. Die ursprüngliche Idee des Erfinders Hans Renner aus Zella-Mehlis war es, den sommerlichen Trainingsrückstand der DDR-Springer gegenüber den Skandinaviern aufzuholen. Heutzutage gibt es Wettkampfserien und Meisterschaften auch im Sommer.

Doch selbst in Oberhof, wo 1954 die ersten Matten ausgelegt wurden, wird jeden Winter beschneit. Kunstschnee lässt den Aufsprunghang weiß werden, selbst wenn die Fichten des Thüringer Waldes grünen. »Unsere Schanze ist sprungfähig. Wir haben Ende November den Schnee dafür produziert. Oben drauf kam dann noch Naturschnee, so wie man sich das wünscht«, sagt Tino Feix, Chef der Schanzenanlage am Kanzlersgrund.

Netze halten Schnee auf steilem Hang

Kunstschnee ist nicht unumstritten. Allerdings braucht es für eine Anlage wie in Oberhof nur vier Schneekanonen, also weit weniger als in ausgewachsenen alpinen Skigebieten, die Hunderte Kanonen aufreihen. Der Stromverbrauch ist also überschaubar. Viel Wasser würde man bei einem Verzicht auch nicht sparen, ist es doch auch für das Mattenspringen nötig, um die künstliche Unterlage rutschig zu halten. In Oberhof wird das Wasser zudem in einem Kreislauf recycelt, sagt Feix gegenüber »nd«. Umweltschädliche Chemie ist nicht nötig für das reine Luft-Wassergemisch Kunstschnee.

Doch warum überhaupt Kunstschnee, wenn bei Mangel an natürlichen Flocken doch auch auf Matten ausgewichen werden könnte. Ein Wechsel je nach Witterung scheitert am sogenannten Schneehaltesystem. Der Laie würde einfach Netz zu dem Gebilde sagen, das nach dem Sommer über den extrem steilen Hang gespannt wird, und das Abrutschen des Schnees verhindert. In Bischofshofen war kürzlich zu sehen, was ohne das Netz passiert. Hier rissen am 17. Dezember die Seile an der Paul-Außerleitner-Schanze. Eine Lawine zerstörte im Tal mehrere Seitenbanden.

Bis zum letzten Springen der Vierschanzentournee am 6. Januar muss alles repariert sein. Das sächsische Klingenthal lieh den Österreichern kurzerhand das Netz der eigenen Schanze, und so erklärten die Betreiber, dass die Anlage rechtzeitig fertig werde. Die zerstörten Banden sind bereits repariert, und tatsächlich schoben Pistenfahrzeuge schon wieder Schnee den Hang hinauf. Auch in Österreich ist dieser vor allem künstlich produziert. Schließlich schmilzt diese Form nicht so schnell bei Regen wie Naturschnee.

So ein Haltesystem samt Stahlseilen und Schlaufen kostet mehrere Hunderttausend Euro und wird von Spezialfirmen angefertigt, die berechnen müssen, welche Tonnenlast die Netze an Eigengewicht, Schneemassen und Pistenfahrzeugen halten müssen. War dieser Wert in Bischofshofen zu niedrig angesetzt worden, für Schneemassen, die tagelanger Regen auf etwa 1500 Tonnen beschwert haben dürfte?

Ist Skispringen bald Sommersportart?

Ohnehin fragt man sich: Warum der Aufwand, wenn kaum noch Schnee fällt? Warum nicht das Netz weglassen und nur noch auf Matten springen? Das Hauptproblem wäre dann ein Wintereinbruch. Naturschnee macht die Sache schnell gefährlich, schließlich wäre jeder Springer ohne Haltenetz ein potenzieller Lawinenauslöser. »Den Schnee wieder abzutragen, wäre auch keine Sache, die man mal in ein paar Stunden erledigt. Das ist richtig harte Arbeit«, weiß Feix.

Außerdem gehört für viele Springer, Fans und auch den Oberhofer Schanzenleiter Schnee zum Skispringen noch dazu, vor allem bei der nun 72-jährigen Tournee zum Jahreswechsel. »Solange wir die Möglichkeit haben, genug Schnee zu produzieren, sollten wir das machen«, meint der 54-Jährige, der seit 2009 den Betrieb am Kanzlersgrund überwacht. Die Debatte, ob der Sport nicht besser bei Olympischen Sommerspielen aufgehoben wäre, sind für Feix »schon komisch. Für mich gehört Skispringen zum Wintersport und Schnee zu den Winterspielen. Aber ich bin auch nicht blauäugig und weiß, dass es irgendwann vorbei sein kann.«

Das Internationale Olympische Komitee (IOC) will sich vom Klimawandel nicht überraschen lassen. Bis 2050 würden bis zu 60 Prozent der einst als schneesicher geltenden Wintersportgebiete die Spiele nicht mehr austragen können, bestätigte IOC-Präsident Thomas Bach. Im Gespräch ist daher eine Art Rotationssystem von wenigen Orten mit garantierten Frosttemperaturen und existierenden Wettkampfstätten, die sich bei der Austragung abwechseln sollen. Wenn es soweit ist, könnte sich auch die traditionsreiche Vierschanzentournee zum reinen Mattensprung-Event gewandelt haben. Und irgendwann werden sich die Wintersportfans wohl auch an diesen Anblick gewöhnen.

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